Aichacher Nachrichten

Alle hören auf ihr Kommando

Anita Steiner ist Handballer­in mit Leib und Seele – und Trainerin eines Männerteam­s in der Bezirksobe­rliga. Wie es die ehemalige Zweitligas­pielerin aus Dachau nach Kissing verschlage­n hat und worauf die 50-Jährige Wert legt

- VON PETER KLEIST

Kissing Ein Trainer bei einer Handball-Frauenmann­schaft, das ist nichts Ungewöhnli­ches. Umgekehrt sieht die Sache schon ganz anders aus: Eine Frau als Trainerin einer Männertrup­pe ist sicher nicht alltäglich und sorgt auch heute noch immer wieder für erstaunte Blicke. Beim Kissinger SC indes hat man sich daran längst gewöhnt, schließlic­h hat Anita Steiner im Männerbere­ich schon seit fünf Jahren das Sagen an der Seitenlini­e – rechnet man die Zeiten als Jugendtrai­nerin hinzu, sind es gar deren sieben.

Wie fühlt es sich an, quasi eine „Exotin“zu sein? „Das waren interessan­te Erfahrunge­n. Nicht mit meinen Trainerkol­legen, sondern eher mit den Schiedsric­htern. Da gibt es den einen oder anderen, der schaut mich heute noch nicht an und wendet sich an meinen Mann Christian auf der Bank“, erzählt die 50-Jährige, die als selbststän­dige Vermögensb­eraterin in Kissing arbeitet und lebt.

Mit ihren Spielern allerdings sieht das ganz anders aus, da wird die ehemalige Zweitligas­pielerin voll akzeptiert, als Respektspe­rson und Autorität anerkannt. „Die wissen, dass das, was ich sage und mache, Hand und Fuß hat und die ziehen voll mit“, so Anita Steiner. Kein Wunder, schließlic­h trainiert sie den Kern der derzeitige­n Kissinger Männermann­schaft schon seit den Zeiten, als die jetzigen Aktiven noch als C-Jugendlich­e durch die Hallen liefen. „Wir haben uns die Hörner schon abgestoßen“, meint Anita Steiner lächelnd. Sie hat auch Verständni­s für manches Problem, das zwischen Trainerin und Spieler auftaucht. „Die haben mich ja nie aktiv spielen sehen, die kennen meine sportliche Laufbahn ja nur aus Erzählunge­n“, sagt sie.

Und die sportliche Laufbahn von Anita Steiner kann sich sehen lassen. Mit 13 begann sie beim TSV Dachau 65 mit dem Handballsp­ielen, eine Freundin hatte sie dazu gebracht. „Und ich habe gleich Feuer gefangen und bin dabeigebli­eben“, erinnert sie sich. Schon mit 17 spielte sie bei den Dachauern in der 2. Bundesliga und erlebte dort Höhen und Tiefen. „Dachau war damals die erste Anlaufstel­le in Sachen Handball in München. Bei uns spielten auch viele Studentinn­en“, erzählt Anita Steiner. Das Team hatte ein Generation­enproblem: Einen Block mit 17- und 18-Jährigen und einen, mit Spielerinn­en die 24 bis 26 Jahre alt waren. „Als die Studentinn­en mit dem Studium fertig waren, waren die auch weg – wir stiegen ab und wurden bis in die Bayernliga durchgerei­cht“, so Steiner.

1993 schließlic­h führte sie der Weg an die Paar nach Kissing, und das, obwohl sie als Oberbayeri­n eigentlich partout nicht nach Schwaben wollte. Dass es sie und ihren Mann Christian schließlic­h doch hierher verschlage­n hat, war ihrem Schwager Heinz Steiner zu verdanken. „Der hat damals quasi hinter unserem Rücken eine Wohnung für uns gesucht und als wir von der Hochzeitre­ise zurückkame­n, sind wir innerhalb von vier Wochen umgezogen“, meint sie mit einem Schmunzeln.

Klar, dass sie dann auch schnell in Sachen Handball beim Kissinger SC tätig wurde, bald leitete sie die Damen als Spielertra­inerin und spielte mit dem KSC in der Landesliga. Doch am Ende gab es ein bisschen Stress und Ärger. „Ich habe mich etwas undiplomat­isch mit zwei Funktionär­en angelegt, was zur Folge hatte, dass ich mich schließlic­h für drei Jahre vom KSC verabschie­dete und in Schleißhei­m spielte“, erklärt die B-Lizenzinha­berin.

Jahre später kehrte Anita Steiner dann wieder zurück und machte sowohl bei der Jugend als auch bei den Aktiven manch turbulente Zeit mit. So gab es im Jugendbere­ich auch ein bisschen Trouble mit dem TSV Friedberg, im Erwachsene­nbereich wog das Erbe von Trainer Marcus Burtschak, unter dem das Team Bayernliga gespielt hatte, schwer. Schließlic­h übernahm sie die Aktiven als Nachfolger­in von Dieter Braun, konnte aber den Landesliga­Abstieg nicht mehr verhindern. Ein Jahr später ging es mit etwas Pech dann sogar hinunter in die Bezirkslig­a. „Doch das war schließlic­h die nötige Reinigung, jetzt habe ich ein Team in der Bezirksobe­rliga, in dem alle mitziehen und Spieler, die etwas lernen und die sich entwickeln wollen“, so Steiner.

Die 50-Jährige bezeichnet sich als Handballer­in mit Leib und Seele. Handball in seiner heutigen Form habe aber nichts mehr mit dem zu tun, was sie in der Jugend gelernt hatte. „Das ist ein ganz anderer Sport geworden; früher ging’s härter zu, aber Technik, Tempo und Athletik haben sich deutlich nach oben verändert – ich finde, es ist attraktive­r geworden“, sagt sie.

Dass Handball im Fernsehen kaum eine Rolle spielt, das ärgert die gebürtige Dachauerin. „Das ist der Grund, warum wir Sky haben“, erklärt sie. Immerhin werden nun wenigstens wieder die Spiele der Handball-WM der Frauen gezeigt, wenn auch nicht in den öffentlich­rechtliche­n Anstalten. Das Ausscheide­n der deutschen Damen hat sie indes nicht überrascht. „Ich habe von Freundinne­n zum 50. Karten für die WM bekommen. Wir waren vier Tage in Leipzig und haben neben Deutschlan­d auch Holland, Korea oder Serbien gesehen – und die sowie auch die Däninnen waren einfach ein Stück weiter als wir“, lautet ihre nüchterne Analyse.

Nach fast 25 Jahren ist die erfolgreic­he Sportlerin in Kissing doch heimisch geworden, aber ihren oberbayeri­schen Dialekt aber kann Anita Steiner nach wie vor nicht verleugnen. Wie lange wird man sie noch als Trainerin sehen? „Ich habe Spaß mit der Truppe und so lange die gewillt bleiben, etwas zu lernen, so lange arbeite ich gerne. Wenn es aber nur mehr darum geht, einen Zustand zu verwalten, dann hör ich auf“, erklärt sie unmissvers­tändlich.

 ?? Foto: Peter Kleist ?? Anita Steiner mit typischer Gestik während einer Auszeit. Die Spieler Torsten Schneider, Felix Hager und Jan Kristof Bieringer (von links) hören konzentrie­rt zu, wenn ihre Trainerin erklärt, was zu tun ist.
Foto: Peter Kleist Anita Steiner mit typischer Gestik während einer Auszeit. Die Spieler Torsten Schneider, Felix Hager und Jan Kristof Bieringer (von links) hören konzentrie­rt zu, wenn ihre Trainerin erklärt, was zu tun ist.

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