Alle hören auf ihr Kommando
Anita Steiner ist Handballerin mit Leib und Seele – und Trainerin eines Männerteams in der Bezirksoberliga. Wie es die ehemalige Zweitligaspielerin aus Dachau nach Kissing verschlagen hat und worauf die 50-Jährige Wert legt
Kissing Ein Trainer bei einer Handball-Frauenmannschaft, das ist nichts Ungewöhnliches. Umgekehrt sieht die Sache schon ganz anders aus: Eine Frau als Trainerin einer Männertruppe ist sicher nicht alltäglich und sorgt auch heute noch immer wieder für erstaunte Blicke. Beim Kissinger SC indes hat man sich daran längst gewöhnt, schließlich hat Anita Steiner im Männerbereich schon seit fünf Jahren das Sagen an der Seitenlinie – rechnet man die Zeiten als Jugendtrainerin hinzu, sind es gar deren sieben.
Wie fühlt es sich an, quasi eine „Exotin“zu sein? „Das waren interessante Erfahrungen. Nicht mit meinen Trainerkollegen, sondern eher mit den Schiedsrichtern. Da gibt es den einen oder anderen, der schaut mich heute noch nicht an und wendet sich an meinen Mann Christian auf der Bank“, erzählt die 50-Jährige, die als selbstständige Vermögensberaterin in Kissing arbeitet und lebt.
Mit ihren Spielern allerdings sieht das ganz anders aus, da wird die ehemalige Zweitligaspielerin voll akzeptiert, als Respektsperson und Autorität anerkannt. „Die wissen, dass das, was ich sage und mache, Hand und Fuß hat und die ziehen voll mit“, so Anita Steiner. Kein Wunder, schließlich trainiert sie den Kern der derzeitigen Kissinger Männermannschaft schon seit den Zeiten, als die jetzigen Aktiven noch als C-Jugendliche durch die Hallen liefen. „Wir haben uns die Hörner schon abgestoßen“, meint Anita Steiner lächelnd. Sie hat auch Verständnis für manches Problem, das zwischen Trainerin und Spieler auftaucht. „Die haben mich ja nie aktiv spielen sehen, die kennen meine sportliche Laufbahn ja nur aus Erzählungen“, sagt sie.
Und die sportliche Laufbahn von Anita Steiner kann sich sehen lassen. Mit 13 begann sie beim TSV Dachau 65 mit dem Handballspielen, eine Freundin hatte sie dazu gebracht. „Und ich habe gleich Feuer gefangen und bin dabeigeblieben“, erinnert sie sich. Schon mit 17 spielte sie bei den Dachauern in der 2. Bundesliga und erlebte dort Höhen und Tiefen. „Dachau war damals die erste Anlaufstelle in Sachen Handball in München. Bei uns spielten auch viele Studentinnen“, erzählt Anita Steiner. Das Team hatte ein Generationenproblem: Einen Block mit 17- und 18-Jährigen und einen, mit Spielerinnen die 24 bis 26 Jahre alt waren. „Als die Studentinnen mit dem Studium fertig waren, waren die auch weg – wir stiegen ab und wurden bis in die Bayernliga durchgereicht“, so Steiner.
1993 schließlich führte sie der Weg an die Paar nach Kissing, und das, obwohl sie als Oberbayerin eigentlich partout nicht nach Schwaben wollte. Dass es sie und ihren Mann Christian schließlich doch hierher verschlagen hat, war ihrem Schwager Heinz Steiner zu verdanken. „Der hat damals quasi hinter unserem Rücken eine Wohnung für uns gesucht und als wir von der Hochzeitreise zurückkamen, sind wir innerhalb von vier Wochen umgezogen“, meint sie mit einem Schmunzeln.
Klar, dass sie dann auch schnell in Sachen Handball beim Kissinger SC tätig wurde, bald leitete sie die Damen als Spielertrainerin und spielte mit dem KSC in der Landesliga. Doch am Ende gab es ein bisschen Stress und Ärger. „Ich habe mich etwas undiplomatisch mit zwei Funktionären angelegt, was zur Folge hatte, dass ich mich schließlich für drei Jahre vom KSC verabschiedete und in Schleißheim spielte“, erklärt die B-Lizenzinhaberin.
Jahre später kehrte Anita Steiner dann wieder zurück und machte sowohl bei der Jugend als auch bei den Aktiven manch turbulente Zeit mit. So gab es im Jugendbereich auch ein bisschen Trouble mit dem TSV Friedberg, im Erwachsenenbereich wog das Erbe von Trainer Marcus Burtschak, unter dem das Team Bayernliga gespielt hatte, schwer. Schließlich übernahm sie die Aktiven als Nachfolgerin von Dieter Braun, konnte aber den LandesligaAbstieg nicht mehr verhindern. Ein Jahr später ging es mit etwas Pech dann sogar hinunter in die Bezirksliga. „Doch das war schließlich die nötige Reinigung, jetzt habe ich ein Team in der Bezirksoberliga, in dem alle mitziehen und Spieler, die etwas lernen und die sich entwickeln wollen“, so Steiner.
Die 50-Jährige bezeichnet sich als Handballerin mit Leib und Seele. Handball in seiner heutigen Form habe aber nichts mehr mit dem zu tun, was sie in der Jugend gelernt hatte. „Das ist ein ganz anderer Sport geworden; früher ging’s härter zu, aber Technik, Tempo und Athletik haben sich deutlich nach oben verändert – ich finde, es ist attraktiver geworden“, sagt sie.
Dass Handball im Fernsehen kaum eine Rolle spielt, das ärgert die gebürtige Dachauerin. „Das ist der Grund, warum wir Sky haben“, erklärt sie. Immerhin werden nun wenigstens wieder die Spiele der Handball-WM der Frauen gezeigt, wenn auch nicht in den öffentlichrechtlichen Anstalten. Das Ausscheiden der deutschen Damen hat sie indes nicht überrascht. „Ich habe von Freundinnen zum 50. Karten für die WM bekommen. Wir waren vier Tage in Leipzig und haben neben Deutschland auch Holland, Korea oder Serbien gesehen – und die sowie auch die Däninnen waren einfach ein Stück weiter als wir“, lautet ihre nüchterne Analyse.
Nach fast 25 Jahren ist die erfolgreiche Sportlerin in Kissing doch heimisch geworden, aber ihren oberbayerischen Dialekt aber kann Anita Steiner nach wie vor nicht verleugnen. Wie lange wird man sie noch als Trainerin sehen? „Ich habe Spaß mit der Truppe und so lange die gewillt bleiben, etwas zu lernen, so lange arbeite ich gerne. Wenn es aber nur mehr darum geht, einen Zustand zu verwalten, dann hör ich auf“, erklärt sie unmissverständlich.