Aichach verbietet Glyphosat auf seinen Flächen
Trotz der Zulassung durch die Europäische Union dürfen die Pächter von städtischen Äckern und Wiesen den Unkrautvernichter nicht mehr verwenden. In der Debatte spielen auch Berliner Koalitionsverhandlungen eine Rolle
Aichach Auf den landwirtschaftlichen Flächen der Stadt Aichach darf das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel (Herbizid) Glyphosat künftig nicht mehr verwendet werden. Das hat der Aichacher Stadtrat in seiner Weihnachtssitzung am Donnerstagabend mehrheitlich beschlossen. Der Entscheidung ging eine emotionale Diskussion voraus, bei der Gegner und Befürworter eines solchen Verbots noch einmal ihre Argumente austauschten.
Angestoßen hat die Diskussion CSU-Stadtrat Marc Sturm bereits im Juni. Er hatte einen Beschluss der Stadt Dachau zum Anlass genommen, auch für Aichach ein Verbot des Einsatzes des Herbizids Glyphosat auf den landwirtschaftlichen Flächen der Stadt zu beantragen. Schon damals hatte das zu einer emotionalen Diskussion vor allem zwischen den Landwirten im Stadtrat und Befürwortern eines solchen Verbots geführt. Diese Diskussion wurde jetzt noch einmal wiederholt.
Wie berichtet, ist umstritten, ob durch das Mittel Gesundheitsgefahren drohen. Unter anderem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hält das Mittel für wahrscheinlich krebserregend. Andere Stellen wie die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) hält es für wahrscheinlich nicht krebserregend. Im Juni war das Thema vertagt worden, um die ausstehende Entscheidung der EUKommission abzuwarten. Diese hat bekanntlich vor Kurzem die Zulassung um weitere fünf Jahre verlängert. Mit der Stimme von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt, was für einen Eklat in Berlin sorgte: Weil das Umweltministerium als eines der beiden federführenden Ressorts gegen die Verlängerung war, hätte er sich der Stimme enthalten müssen.
Wilhelm Rottenkolber, Leiter der Finanzverwaltung, wies darauf hin, zu überlegen sei ein umfassenderes Totalherbizidverbot. Bei der Stadt laufen derzeit 22 Pachtverträge für Ackerflächen, 40 für Grünland, etwa 50 über die Nutzung öffentlicher Flächen und 13 für 19 Krautgartenbeete. „Also, die Welt retten wir nicht mit einem Glyphosatverbot“, so sein Fazit. Die Verträge müssten alle zum 30. September 2018 gekündigt werden.
Marc Sturm sagte ausdrücklich: „Ich will die Landwirte nicht als Giftpanscher hinstellen.“Man könne über Glyphosat geteilter Meinung sein. „Sicher ist nur, dass man nichts sicher weiß.“Dennoch sorge das Mittel bei den Bürgern für Unsicherheit. Er sah deshalb in einem Verbot die Möglichkeit ein Zeichen zu setzen, um den Sorgen und Ängsten der Bürger Rechnung zu tragen, und eine Maßgabe für den Umgang mit städtischem Eigentum aufzustellen.
Umweltreferentin Magdalena Federlin (CSU) schloss sich Sturms Argumentation an. Ob Glyphosat krebserregend ist, könne man nicht mit Sicherheit sagen, aber auch die Artenvielfalt gehe zurück. Zudem gehe es um Eigentum der Stadt, betonte sie. „Wir sind gut beraten, als Kommune eine Vorbildfunktion einzunehmen“, sagte sie.
Helmut Beck (CSU) vertraute darauf, „dass die Landwirte, ein nicht verbotenes Mittel verantwortungsbewusst einsetzen“. Glyphosat werde Thema in den Verhandlungen über eine Große Koalition in Berlin sein. Er beantragte deshalb, das Thema bis zu einer Entscheidung des Gesetzgebers zurückzustellen.
Die Landwirte Manfred Huber (Freie Wählergemeinschaft) und Anton Friedl (CSU) betonten, Landwirte gingen gerade mit Glyphosat sehr sorgfältig um. „Wir sind gut beraten, wenn wir uns an den Gesetzgeber halten“, so Huber. „Die Landwirte sind nicht immer an allem alleine schuld“, kommentierte er Federlins Hinweis auf den Insektenrückgang. Friedl bezweifelte, dass mit Ökolandwirtschaft ausreichend Lebensmittel erzeugt werden könnten. „Ich denke nicht, dass wir hungern müssten“, so Federlin.
Mit 15:13 Stimmen wurde das Verbot beschlossen. Dagegen stimmten die fünf Räte der FWG sowie alle CSU-Stadträte außer Marc Sturm, Dieter Heilgemeir und Herman Langer. In der Sitzung fehlten Karl-Heinz Schindler, Inge Gelfert und Dorothea Krammer (alle SPD).