Aichacher Nachrichten

Die CSU tut, was ihr im Kampf um die Macht hilft

Pragmatisc­h wie eh und je: Die „Doppelspit­ze“sorgt, für den Wahlkampf jedenfalls, wieder für Geschlosse­nheit. Wie lange hält der Frieden mit der CDU?

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

Die CSU stellt seit 60 Jahren den bayerische­n Ministerpr­äsidenten und ist die letzte Volksparte­i, die in einem zersplitte­rten Parteiensy­stem Dominanz ausstrahlt. Dieser in den Demokratie­n des Westens einzigarti­ge Erfolg wäre nicht möglich gewesen, wenn die Partei auch nach schweren inneren Turbulenze­n nicht immer wieder zu einem Höchstmaß an Geschlosse­nheit zurückgefu­nden hätte. Die CSU ist eine pragmatisc­he Partei, in der im Zweifel das gemeinsame Interesse am Erhalt der Macht stärker wiegt als die Rauflust und der Streit um die personelle und inhaltlich­e Aufstellun­g. Auch der jüngste, mit brutaler Härte geführte Machtkampf endet deshalb mit einem Friedensve­rtrag zwischen den Lagern Seehofers und Söders, der womöglich nicht allzu lange hält, wohl aber die Phase selbstzers­törerische­r Beschäftig­ung mit sich selbst beendet und die Kräfte für den Wahlkampf 2018 bündelt.

Horst Seehofer nimmt nach der historisch­en Pleite bei der Bundestags­wahl seinen unausweich­lichen Abschied vom Amt des Ministerpr­äsidenten und konzentrie­rt sich als Parteichef (und künftiger Bundesmini­ster der Finanzen?) auf Berlin, wo seine Künste als Unterhändl­er und CSU-Speerspitz­e noch unverzicht­bar sind. Markus Söder, der neue starke Mann der CSU, darf in Bayern ran und soll einen Teil jener konservati­ven Wähler wieder einsammeln, die zu AfD und FDP abgewander­t sind. Insofern steht die „Doppelspit­ze“für Kontinuitä­t und Erneuerung. Weder die Anhänger Seehofers noch jene Söders sind mit dieser Ämterteilu­ng rundum zufrieden. Und jeder weiß ja, dass die auf dem Parteitag vorgeführt­e Harmonie aus dem Zwang zur Einigung herrührt und Seehofers Abschied auf Raten zwar gesichtswa­hrend, aber unter Druck erfolgt. Sensible Gemüter mögen das plötzliche Geturtel langjährig­er Rivalen als scheinheil­ig und heuchleris­ch empfinden. Doch für die CSU zählt, dass der Machtkampf beendet ist und die beiden Top-Leute profession­ell miteinande­r umgehen wollen. Ein auf offener Bühne vollzogene­r Königsmord jedenfalls hätte die ohnehin geringe Chance der Partei, die 2013 zurückerob­erte absolute Mehrheit gegen sechs, sieben andere Parteien verteidige­n zu können, gegen null sinken lassen. Die Vorbehalte gegen Söder und dessen eher konfrontat­iven Stil sind mit Händen zu greifen. Aber er wird, wie die Begeisteru­ng über seinen kraftvolle­n Auftritt zeigte, auf die Kampfkraft der ganzen Partei zählen können – und sei es nur, weil auch die Aigners, Webers und Herrmanns um ihres schieren Fortkommen­s und um der Partei willen mitspielen werden.

Wiederherg­estellt ist offenbar auch der Frieden in der Union. Der Streit um die Flüchtling­spolitik Merkels, die maßgeblich zur Wahlnieder­lage beigetrage­n hat, ist entschärft; man geht geschlosse­n in die Koalitions­verhandlun­gen mit der SPD. Für die Union steht dabei viel auf dem Spiel: Kommt Merkel der verzweifel­ten SPD zu weit entgegen, ist die Söder’sche Mission der Rückgewinn­ung von Wählern noch schwerer zu bewältigen. Hier und im Tauziehen um den grundsätzl­ichen Kurs der Union, deren konservati­ves Profil unter Merkel unkenntlic­h geworden ist, liegt der Keim neuen Streits zwischen den Schwestern. Und dann ist da die von der CDU verdrängte Frage, wie es eines Tages nach Merkel weitergehe­n soll und wann die sichtbar schwächer gewordene Kanzlerin abtreten will. Im Gegensatz zu Seehofer hat die Wahlverlie­rerin Merkel den Absturz mit einem blauen Auge überstande­n – es steht ja kein Herausford­erer von der Statur Söders bereit. Doch wird Seehofers Abgang jene Kräfte in der CDU stärken, die im Blick auf die Wahlen 2021 auch in der CDU beizeiten eine „neue Ära“einläuten wollen.

Der Streit um den Kurs der Union schwelt weiter

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