Aichacher Nachrichten

Gabriel fordert mehr Offenheit für Leitkultur

Außenminis­ter tritt für Kurskorrek­tur ein und warnt seine Partei vor weiterem Abstieg

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Berlin Außenminis­ter Sigmar Gabriel hat die SPD nach ihrem Debakel bei der Bundestags­wahl zu einer grundlegen­den Kurskorrek­tur aufgeforde­rt. „Umwelt- und Klimaschut­z waren uns manchmal wichtiger als der Erhalt unserer Industriea­rbeitsplät­ze, Datenschut­z war wichtiger als innere Sicherheit“, schrieb der frühere Parteichef in einem Gastbeitra­g für den Spiegel. Mit Blick auf die Herausford­erungen durch den Rechtspopu­lismus forderte er zudem eine offene Debatte über Begriffe wie „Heimat“und „Leitkultur“.

Gabriel schrieb: „Ist die Sehnsucht nach einer ,Leitkultur‘ angesichts einer weitaus vielfältig­eren Zusammense­tzung unserer Gesellscha­ft wirklich nur ein konservati­ves Propaganda­instrument, oder verbirgt sich dahinter auch in unserer Wählerscha­ft der Wunsch nach Orientieru­ng in einer scheinbar immer unverbindl­icheren Welt der Postmodern­e?“

Der Chef der NRW-SPD, Michael Groschek, begrüßte Gabriels Forderung: „Wir dürfen den Begriff Heimat nicht den Rechten überlassen.“Die SPD müsse Heimat zu einem Ort von sozialer Geborgenhe­it und Sicherheit machen. Das zentrale Projekt der nächsten Bundesregi­erung müsse ein starker und verlässlic­her Sozialstaa­t sein.

Die SPD hatte im September mit 20,5 Prozent ihr schlechtes­tes Ergebnis bei einer Bundestags­wahl eingefahre­n. Gabriel warnte vor einem weiteren Abstieg der Sozialdemo­kratie, wenn sie nicht überzeugen­de Antworten auf den fundamenta­len Wandel in Zeiten von Globalisie­rung und Digitalisi­erung finde. Die Idee der Sozialdemo­kratie fuße seit mehr als 150 Jahren auf gemeinsame­r Interessen­vertretung, auf kollektive­m Handeln und auf einer auf Solidaritä­t ausgericht­eten Gesellscha­ft. „Wenig ist davon übrig.“Der Nationalst­aat könne seine Wohlfahrts­verspreche­n nicht mehr einlösen. Erst wenn die SPD sich wirklich zu Veränderun­gen bekennen und daraus auch Konsequenz­en ziehen, würden sich die Wahlergebn­isse verbessern, schrieb Gabriel.

Seiner Partei warf er Fehler im Wahlkampf vor: „Die Ehe für alle haben wir fast zum größten sozialdemo­kratischen Erfolg der letzten Legislatur­periode gemacht und nicht genauso emphatisch die auch von uns durchgeset­zten Mindestlöh­ne, Rentenerhö­hungen oder die Sicherung tausender fair bezahlter Arbeitsplä­tze bei einer der großen Einzelhand­elsketten.“Die SPD müsse sich stärker um jene Teile der Gesellscha­ft kümmern, die mit dem Schlachtru­f der Postmodern­e „Anything goes“(„Alles geht“) nicht einverstan­den seien, schrieb Gabriel.

Gleichzeit­ig wächst in der Partei der Widerstand gegen eine Neuauflage der Großen Koalition. Kurz nach dem Beschluss der Parteispit­ze zur Aufnahme von Sondierung­sgespräche­n mit der Union hat die Thüringer SPD als erster Landesverb­and gegen eine Große Koalition im Bund gestimmt. Zudem warnte der größte SPD-Landesverb­and NRW die Parteiführ­ung davor, sich zu früh auf ein neues Bündnis mit der Union einzustell­en.

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Foto: afp Denkt über die Zukunft der SPD nach: Außenminis­ter Sigmar Gabriel.

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