Aichacher Nachrichten

Machtkampf am Himmel über Europa

Warum der Markt auch nach der Pleite von Air Berlin noch extrem zersplitte­rt ist

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Frankfurt am Main Deutschlan­ds einst zweitgrößt­e Fluggesell­schaft Air Berlin ist Geschichte – doch das Pokerspiel um die Vormachtst­ellung am Himmel über Europa nimmt weiter Fahrt auf. Firmenchef­s und Branchenex­perten sind sich einig, dass die Konzentrat­ion nach der bislang größten Pleite einer europäisch­en Fluglinie weitergehe­n wird. Denn der Markt ist immer noch extrem zersplitte­rt. Mehr als 160 Gesellscha­ften tummeln sich in der Luft. Längst nicht jede hat eine eigenständ­ige Zukunft, sagt etwa der Airline-Berater Gerd Pontius.

Noch ist unklar, ob Air Berlin tatsächlic­h nur zwischen Easyjet und Lufthansa aufgeteilt wird. Während die Briten bereits den Zuschlag für bis zu 25 Flieger erhalten haben, ist EU-Wettbewerb­skommissar­in Margrethe Vestager nicht gewillt, den ungleich größeren Lufthansa-Deal zur Übernahme der Air-BerlinTöch­ter LG Walter und Niki unveränder­t durchzuwin­ken. Wegen des anhaltende­n Widerstand­s hat Lufthansa nun auf den österreich­ischen Ferienflie­ger verzichtet, der prompt wegen der fehlenden Millionens­pritzen aus Frankfurt am Boden bleiben musste. Für Niki werden jetzt unter Hochdruck neue Interessen­ten gesucht. Neben Ryanair und der Thomas-Cook-Linie Condor ist auch Niki Lauda, früherer Rennfahrer und Gründer von Niki, wieder im Gespräch. Der Österreich­er sieht seine Chancen aber schwinden. Der Bild am Sonntag sagte er, Lufthansa wolle Niki zerstören. Lufthansa dementiert­e das ausdrückli­ch.

Der Konzern hofft jetzt, wenigstens die weitaus billigere LG Walter in ihre Tochter Eurowings integriere­n zu können. Immerhin fliegt die LGW bereits im Mietauftra­g der Düsseldorf­er und ist fester Bestand- auch des kommenden Sommerflug­plans. Lufthansa ist nach eigenen Angaben bereit, für die LGW auf weitere Start- und Landerecht­e zu verzichten. Das bei der Niki gesparte Geld will man für organische­s Wachstum einsetzen.

Air Berlin war 2017 nicht das einzige Unternehme­n in starken Turbulenze­n. Die britische Monarch musste von einem Tag auf den anderen aufgeben, weil ihr im Gegensatz zur Air Berlin nicht der Staat beiseitege­sprungen ist. Und der einst so stolzen Staatslini­e Alitalia droht im kommenden Jahr trotz massiver Staatshilf­e eine ähnliche Zerschlagu­ng wie der Air Berlin.

Dass sich Piloten und Flugbeglei­ter der Air Berlin neu bei der Eurowings bewerben müssen, um ihre al- ten Flugzeuge zu schlechter­en Konditione­n weiter zu fliegen, hat die Gewerkscha­ften nachhaltig empört. Das gleiche Schicksal droht auch rund 1000 Niki-Leuten. Mindestens für das Personal scheinen die goldenen Zeiten der Luftfahrt vorbei zu sein, während sich die LufthansaA­ktionäre auf einen weiteren Rekordgewi­nn freuen dürfen. Und die Passagiere zahlen vorläufig Höchstprei­se für ihre Tickets, weil viele Air-Berlin-Jets erst einmal am Boden bleiben. Der Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and berichtet von deutlich zunehmende­m Kundenfrus­t. Es sei „eine deutliche Steigerung der Beschwerde­n über Ticketprei­se“zu verzeichne­n.

Das Ende von Air Berlin war der Auftakt, den deutschen und den euteil ropäischen Luftverkeh­rsmarkt neu aufzuteile­n. Lufthansa-Chef Carsten Spohr reagiert auf den Siegeszug der Billigflie­ger mit einem schnellen Aufbau der Billig-Plattform Eurowings, die bereits im kommenden Sommer rund 200 Flugzeuge ganz unterschie­dlicher Gesellscha­ften umfassen soll. Nach dem Scheitern des Niki-Deals dürfte das Wachstum etwas langsamer verlaufen.

Easyjet wird ab Januar auch innerdeuts­ch unterwegs sein und dabei ein weit stärkerer Konkurrent werden, als es die sieche Air Berlin je sein konnte. An der Alitalia ist der neue Easyjet-Chef Johan Lundgren ebenso dran wie die Lufthansa.

Die Geschäftsm­odelle zumindest auf der Kurz- und Mittelstre­cke werden sich immer mehr angleichen, erwarten Experten. Schon heute sind in der Holzklasse angebliche Premium-Carrier und Billigflie­ger nur noch in Nuancen unterschei­dbar. „Vorne eine echte Business-Klasse und hinter dem Vorhang Ultra-Lowcost ohne jedes Extra – das ist das Modell, das die Masse braucht“, sagt beispielsw­eise der Chef der erfolgreic­h sanierten Air Baltic aus Lettland, Martin Gauss.

Weltweit betrachtet sieht sich die Branche weiterhin auf einem ungebremst­en Wachstumsk­urs. Sie wird 2017 erstmals über vier Milliarden Passagiere transporti­ert haben, ein Zuwachs von mehr als sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Airline-Verband IATA erwartet 2018 einen globalen Rekordgewi­nn von 38,4 Milliarden Dollar. Besonders ertragssta­rk sollen erneut die Airlines im US-Markt mit 16,4 Milliarden Dollar werden. Aber auch die Europäer fliegen mit geschätzte­n 11,5 Milliarden Dollar so viel Profit ein wie noch nie. Nicht alle werden von ihm kosten dürfen.

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Foto: Frank Rumpenhors­t, dpa Über 160 Fluglinien ziehen ihre Linien am europäisch­en Himmel. Nicht alle werden nach Meinung von Experten überleben.

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