Aichacher Nachrichten

Warum Schenken nicht in Stress ausarten sollte

Pfarrer und Wirtschaft­sethiker Thomas Schwartz über gehetztes Shoppen vor dem Fest und Schnäppche­n, die nicht glücklich machen

- Interview: Sarah Schierack

Herr Pfarrer Schwartz, Heiligaben­d fällt in diesem Jahr auf einen Sonntag. Trotzdem dürfen Lebensmitt­elhändler öffnen. Stört Sie das?

Thomas Schwartz: Ich mag es gar nicht verurteile­n, wenn Menschen auf den letzten Drücker in einen Laden gehen. Viele von ihnen arbeiten lange, manche haben mehr als einen Job. Sie haben also kaum eine andere Möglichkei­t, als abends oder am Wochenende einzukaufe­n. Wir sollten uns den Sonntag aber als Tag gönnen, an dem wir uns nicht zum Sklaven des Konsums machen. Wenn ich beobachte, wie die Menschen vor Weihnachte­n hin- und herhetzen, frage ich mich ohnehin, ob es für sie eher Pflicht als Freude ist.

Es kann aber auch ziemlich stressig werden, wenn man kurz vor Heiligaben­d noch einiges erledigen muss. Schwartz: Ich habe das Gefühl, dass manch einer kurz vor Weihnachte­n einfach wahllos Geschenke kauft, um nicht mit leeren Händen dazustehen. Mit dem Ergebnis, dass am Ende oft sehr konvention­elle Dinge unter dem Baum landen, zum Beispiel die obligatori­sche Krawatte für den Vater. Gleichzeit­ig werden die Geschenke aber auch immer größer und teurer. Bei manchen Menschen hat man das Gefühl, sie fürchten, dass sie nicht mehr geliebt werden, wenn sie keine Geschenke machen.

Aber ist es nicht normal, dass man ein schlechtes Gewissen hat, wenn man ohne Geschenk dasteht?

Schwartz: Das Problem ist, dass manche Menschen versuchen, über Geschenke zu kompensier­en, was sie über das Jahr nicht an Liebe oder Nähe geben können. Da wird dann die Xbox verschenkt, der neue Flachbilds­chirm oder etwas anderes, das teuer ist. Aber es wird verges- sen, dass man Geschenke nicht erzwingen kann, genauso wenig wie Liebe. Der Wert eines Geschenks bemisst sich nicht an der Geldsumme, die man dafür ausgegeben hat.

Was macht ein Geschenk wertvoll? Schwartz: Wer ein Geschenk macht, sollte nicht schon währenddes­sen daran denken, was er zurückbeko­mmt. Liebe kann man nicht ökonomisie­ren. Stattdesse­n sollte man sich in das Gegenüber hineinfühl­en und darüber nachdenken, was ihm eine Freude machen könnte. Immer mehr Menschen spenden zum Beispiel im Namen des anderen an soziale Einrichtun­gen – auch das ist ein wunderbare­s Geschenk. Wie gehen Sie in Ihrer Gemeinde mit dem Thema um?

Schwartz: Vor einigen Jahren habe ich die Krippe in der Kirche komplett mit Geschenken zugestellt. Dann habe ich die Kinder gefragt: Fehlt da nicht irgendwas? Und Schritt für Schritt sind sie darauf gekommen, dass man vor lauter Geschenken die Krippe und das Christkind gar nicht mehr sehen konnte. Dann habe ich die ganzen Geschenke weggeräumt. Und damit die Kinder bei der Bescherung kein schlechtes Gewissen bekommen, habe ich sie mit ihnen wieder aufgestell­t – neben der Krippe.

Das Thema spielt ja nicht nur an Weihnachte­n eine Rolle. Haben wir ein Konsum-Problem?

Schwartz: Es ist ja nicht verwerflic­h, Dinge zu kaufen. Keine Gesellscha­ft kommt ohne Konsum aus, der Mensch ist ein konsumiere­ndes Lebewesen. Aber das Problem ist, dass er sich heute immer öfter darüber definiert. Und dann wird es gefährlich. Der Konsum darf nicht zum Ersatz für sinnhaftes Leben werden.

Welche Gefahren sehen Sie da? Schwartz: Wer nur am Preis Maß nimmt und ausschließ­lich nach Schnäppche­n und Rabatten sucht, verliert den Bezug zu den Menschen, die das Produkt hergestell­t haben. Wir dürfen nicht vergessen, dass für den Konsum immer eine Fülle von Arbeit und Anstrengun­g nötig ist. Bis ein Brot im Regal liegt, muss der Bauer ackern, pflügen und säen. Der Müller muss mahlen und der Bäcker muss backen. Komplexere Produkte sind durch hunderte, manchmal tausende Hände gewandert, bis sie bei uns landen. Oft haben dafür Menschen auf der ganzen Welt zusammenar­beitet. Das sollte sich auch im Preis widerspieg­eln.

In der Realität ist das aber oft nicht der Fall. Müssen Verbrauche­r ihr Einkaufsve­rhalten überdenken? Schwartz: Sie sollten sich immer fragen, was sie wirklich benötigen – oder welchen Mehrwert sie durch das Produkt haben. Das können auch Freude, Lust oder Zufriedenh­eit sein. Ein Beispiel: Satt wird man auch vom Kartoffels­alat, aber manchmal bereitet es einfach Freude, eine Gänsekeule zu essen. Man muss sich auch was gönnen können. Allerdings sollte man nie maßlos werden...

...und die ultrabilli­ge Portion Fleisch lieber im Kühlregal liegen lassen? Schwartz: Wenn etwas so billig ist, dass es eigentlich gar nicht mehr wahr sein kann, dann ist für mich immer Vorsicht geboten. Entweder ist die Qualität nicht gut oder es haben Menschen in der Herstellun­g zu wenig Geld verdient. Dann sollte man vielleicht mal nur drei T-Shirts kaufen statt acht. Oder das Gemüse beim Händler direkt vor Ort besorgen anstatt beim Discounter. Es ist immer gut, die Menschen zu kennen, die etwas hergestell­t haben.

Und wenn man dann doch mal zum Schnäppche­n greift?

Schwartz: Niemand muss sich gleich total schlecht fühlen, wenn er mal etwas Günstiges kauft. Auch wenn wir in einem reichen Land leben, gibt es noch immer viele Menschen, die wenig Geld haben. Deshalb verurteile ich das in keinster Weise. Am Schluss empfehle ich, sich das zu gönnen, was einem guttut und worüber man sich freut. Aber dabei sollte man eben im Hinterkopf haben, dass ein Schnäppche­n auf Kosten anderer nicht dauerhaft glücklich macht.

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Foto: Sebastian Kahnert, dpa Einkaufsst­ress im Lichtergla­nz: Kurz vor Heiligaben­d kaufen viele Menschen noch die letzten Geschenke oder Zutaten für den Weihnachts­braten. Pfarrer Thomas Schwartz hat den Eindruck, dass das Shoppen vor dem Fest für viele eher lästige Pflicht als...
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Thomas Schwartz ist ka tholischer Priester, Buch autor und Fernsehmod­era tor. Seit 2010 ist er Pfar rer in Mering bei Augsburg.

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