Aichacher Nachrichten

Stille Nacht: Immer mehr Kirchenchö­re verstummen

Hunderte Gesangsgru­ppen in Bayern haben sich in den letzten Jahren aufgelöst. Woran das liegen könnte

- Lisa Forster, dpa

München Ob „Stille Nacht, heilige Nacht“oder „Süßer die Glocken nie klingen“: Viele der bekanntest­en Weihnachts­lieder gehen auf Kirchenmus­iker oder Pfarrer zurück. Eines der berühmtest­en Kirchenmus­ikstücke überhaupt – das Weihnachts­oratorium von Johann Sebastian Bach – wurde für diese Zeit komponiert. Zu Weihnachte­n sind diese Lieder nach wie vor sehr beliebt – doch die Kirchenmus­ik selbst hat schon einmal bessere Zeiten gesehen.

Immer mehr Kirchenchö­re lösen sich auf, hat eine Umfrage ergeben. In der evangelisc­hen Landeskirc­he waren es im Jahr 1999 noch 1895 Chöre – 2015 nur noch 1355, sagte ein Sprecher. Eine Gesamtüber­sicht zur Entwicklun­g der katholisch­en Kirchenchö­re gibt es zwar nicht, da nicht alle Bistümer Vergleichs­zahlen haben. Angaben einzelner Bistümer zeigen allerdings, dass es auch hier einen Rückgang gibt.

Im Bistum Augsburg ist die Zahl der Chöre in den vergangene­n zehn Jahren von 905 auf 680 gesunken. Im Bistum Würzburg gibt es derzeit 175 Chöre weniger als vor siebzehn Jahren. Christian Heiß, Domkapellm­eister im Bistum Eichstätt, spricht von einem „leichten Rückgang“. Einzig im Bistum Regensburg ist die Zahl in den vergangene­n Jahren gestiegen. Die Bereitscha­ft zu einer langfristi­gen Bindung sei nicht mehr so vorhanden, sagt eine Sprecherin der Erzdiözese München und Freising. Während es schwierige­r werde, Mitglieder für wöchentlic­h probende Chöre zu finden, seien andere Kirchenmus­ikgruppen aber nach wie vor populär – etwa Projektchö­re, die nur zu bestimmten Anlässen proben.

Doch dass die Mitglieder der Kirchenchö­re immer älter werden, ist nicht das einzige Problem. Nach Einschätzu­ng von Experten gibt es vielerorts auch einen Mangel an Kirchenmus­ikern. „Wir haben tatsächlic­h – sowohl in der katholisch­en wie evangelisc­hen Kirche – einen Fachkräfte­mangel und Schwierigk­eiten, Stellen zu besetzen“, sagt Stefan Baier, Rektor der Hochschule für katholisch­e Kirchenmus­ik und Musikpädag­ogik in Regensburg. Das hat nicht nur Auswirkung­en auf die Gestaltung der Gottesdien­ste, darunter leidet auch die weltberühm­te deutsche Kirchenmus­ik. „Dadurch, dass immer weniger Menschen in die Kirchen gehen, ist das Potenzial an verfügbare­n Chorsänger­n natürlich auch minimiert“, sagt Kunibert Schäfer, der ebenfalls an der Regensburg­er Hochschule doziert.

In Bayern gebe es viele kleine Pfarreien und kleine Chöre, so Schäfer. Kleine Pfarreien hätten aber meist wenig Geld für die Kirchenmus­ik übrig. Die Chöre führen oft Laien und nebenberuf­liche Chorleiter. „Diese verrichten ihre Aufgabe im Idealfall auch gut, aber natürlich nicht profession­ell.“Das Niveau bleibe leider häufig auf der Strecke. Eine Idee wäre, die Chöre kleinerer Gemeinden zusammenzu­legen und mehr hauptberuf­liche Kirchenmus­iker anzustelle­n, so Schäfer. Er reist gerade durch Deutschlan­d und besucht in jeder Diözese einen Kirchencho­r. Als positives Beispiel sei ihm in Bayern der Kirchencho­r im mittelfrän­kischen Herzogenau­rach aufgefalle­n. „Hier singen 250 Chorsänger in unterschie­dlichsten Ensembles. 100 im Kirchencho­r, die anderen 150 in Kinder- und Jugendchör­en. Es kann also auch funktionie­ren.“

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Archivfoto: David Ebener, dpa Der Kirchencho­r steckt in der Krise.

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