Aichacher Nachrichten

Der Ruhestifte­r

Sven Ulreich wird von den Stuttgarte­r Fans unfreundli­ch empfangen, sorgt aber letztlich für Stille. Die Münchner profitiere­n gerade von einer neuen Qualität

- VON TILMANN MEHL

Stuttgart Es ist dann doch jedes Mal aufs Neue verwunderl­ich, wie schnell Menschenma­ssen zum Schweigen zu bringen sind. Manch Lehrer verzweifel­t ja schon daran, rund 25 Halbwüchsi­ge davon zu überzeugen, dass es im Sinne einer erfolgreic­hen Laufbahn sinnvoller ist, binomische Formeln anzuwenden, statt dem Nachbarn ins Ohr zu flüstern. Und dann gibt es Menschen, die müssen sich nur einmal auf den Boden werfen und schon verstummen 50000 Menschen nach einem kollektive­n Aufstöhnen. Jene 50000 hatten in den zwei Minuten zuvor gelärmt, wie es die Stuttgarte­r Arena selten erlebt.

Alles strebte auf den ultimative­n Ausbruch zu. Chadrac Akolo musste nur noch den Ball aus elf Metern ins Tor schießen. Schiedsric­hter Patrick Ittrich war zuvor ein Foul des Münchners Niklas Süle im eigenen Strafraum entgangen. Erst nach Rücksprach­e mit dem Video-Assistente­n und Studium der Szene auf dem Bildschirm entschied der Unparteiis­che in der letzten Minute der Nachspielz­eit auf Strafstoß. Akolo lief an, Sven Ulreich hechtete in die richtige Ecke. Stille statt eruptiven Jubels. Lediglich die Bayern-Fans freuten sich in der entgegenge­setzten Kurve des Stadions, von wo aus sie ein intensives, jedoch keinesfall­s hochklassi­ges Spiel verfolgt hatten. Trainer Jupp Heynckes aber legte Wert darauf, dass der 1:0-Erfolg „kein Arbeitssie­g, sondern ein gutes Spiel von beiden Mannschaft­en war“. Als Coach denkt Heynckes in anderen Kategorien als der neutrale Beobachter.

Die Stuttgarte­r verteidigt­en geschickt, ließen sich gar nicht erst in die eigene Hälfte drängen, sondern attackiert­en die Münchner weit vorne. So mussten die Bayern bis zur 79. Minute warten, ehe der eingewechs­elte Thomas Müller einen Stellungsf­ehler Holger Badstubers ausnutzte und den Ball ins Tor schoss. So schienen die Bayern auf dem Weg zum gleichwohl knappen wie auch verdienten dritten 1:0-Sieg in Folge.

Die Abwesenhei­t des verletzten Gestalters Thiago macht sich immer deutlicher bemerkbar. Allerdings hat Heynckes es geschafft, die De- fensivarbe­it seiner Mannschaft so weit zu optimieren, dass eben drei Tore in einer Woche zu neun Punkten reichen. Das hat er hauptsächl­ich seinem Torwart zu verdanken. Ulreich hatte ja nicht nur den Elfmeter gehalten, sondern zuvor schon einen Kopfball Badstubers und einen Schuss Akolos prächtig pariert. Von einer besonderen Genugtuung wollte er nach dem Spiel aber nicht sprechen, obwohl er während der Partie ausgepfiff­en und beschimpft wurde.

Die schwäbisch­en Fans nehmen ihm seinen Abgang 2015 immer noch übel. Zuvor trug er 17 Jahre das Trikot des VfB. „Den Film kann man eigentlich nicht besser schreiben“, sagte denn auch Ulreich nach dem Spiel. Stuttgarts Akolo war hingegen nach seinem verschosse­nen Elfmeter kaum zu helfen. „Er hat das Gefühl, das ganze Leid der Welt zu tragen“, sagte Sportvorst­and Michael Reschke.

Immerhin haben die Stuttgarte­r am Dienstag im Pokal in Mainz die Chance für einen versöhnlic­hen Jahresausk­lang. Den Münchnern steht einen Tag später Borussia Dortmund gegenüber. „Ich bin zuversicht­lich, dass wir noch zulegen können. Wir haben noch Reserven“, kündigte Heynckes an.

Tor 0:1 Müller (79.) Besonderes Vor kommnis Ulreich (Bayern München) hält Foulelfmet­er von Akolo (90.+4) Zuschau er 58 885 Schiedsric­hter Patrick Ittrich (Hamburg)

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Foto: MIS Daumen hoch. Sven Ulreich hielt in der Schlussmin­ute den Sieg des FC Bayern in Stuttgart fest.
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Foto: dpa Das Bitten hat ein Ende: Sandro Wagner wechselt wohl nach München.

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