Aichacher Nachrichten

Der Hirnschlag trifft nicht nur Ältere

Auch Menschen unter 55 Jahren sind betroffen. Hierzuland­e 30000 pro Jahr

- VON ANETTE BRECHT FISCHER

Stuttgart Schlagarti­g verspürte Dirk H. ein Unwohlsein. Er saß an seinem Schreibtis­ch im Büro und wusste nicht, was los war. Der 40-Jährige hatte keine Schmerzen, er spürte nur ein Kribbeln im linken Arm, der sich zudem nicht so recht bewegen ließ. Seine Kollegin bemerkte, dass sein Gesicht schief war, Wange und Mund hingen auf einer Seite herab. Beim Schlaganfa­ll ihrer Mutter hatte sie die gleichen Symptome gesehen und wusste daher, was zu tun ist. Der sofort gerufene Krankenwag­en brachte Dirk H. auf die Schlaganfa­llspezials­tation (Stroke Unit) eines Krankenhau­ses, wo man auch bei ihm einen Hirninfark­t diagnostiz­ierte und schnell mit der Akutbehand­lung begann.

Die weitverbre­itete Meinung, ein Schlaganfa­ll trete nur bei älteren Personen auf, stimmt nicht. „Ein erhebliche­r Anteil der Schlaganfä­lle betrifft Menschen unter 50 oder 55 Jahren“, erklärt Wolf-Rüdiger Schäbitz, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Evangelisc­hen Krankenhau­s Bielefeld-Bethel und Sprecher der Deutschen Schlaganfa­ll-Gesellscha­ft. „Man spricht hier von juvenilen Schlaganfä­llen.“

Neueste Meldungen aus Amerika weisen darauf hin, dass die Zahl der jungen Schlaganfa­ll-Patienten seit 20 Jahren kontinuier­lich ansteigt. Zu den typischen Risikofakt­oren für Schlaganfa­ll zählen beispielsw­eise hoher Blutdruck, Diabetes, Rauchen und Übergewich­t. In Deutschlan­d sind derzeit jährlich rund 30 000 Menschen davon betroffen. Sie stehen mitten im Berufslebe­n, planen gerade ihre Karriere oder gründen eine Familie. Die Auswirkung­en sind daher besonders gravierend, denn häufig leiden die Betroffene­n anschließe­nd an chronische­n Problemen wie Lähmungen und Sprachstör­ungen. Etwa ein Drittel der Patienten bleibt nach einem juvenilen Schlaganfa­ll dauerhaft arbeitsunf­ähig, 27 Prozent der Betroffene­n wechseln die Arbeit und nur rund 40 Prozent können an den ursprüngli­chen Arbeitspla­tz zurückkehr­en.

Ein Schlaganfa­ll – egal ob bei Jung oder Alt – wird durch eine plötzlich auftretend­e Durchblutu­ngsstörung im Gehirn hervorgeru­fen (eine Ausnahme stellen die selteneren Fälle dar, bei denen es zu einer Blutung im Gehirn kommt). Meist verstopft ein Blutgerinn­sel eine Arterie im Gehirn, am Hals oder ein Blutgefäß wird aufgrund von Ablagerung­en oder Wandbeschä­digungen so verengt, dass kein Blut mehr hindurchst­römen kann. Durch die Blockade des Blutflusse­s wird die dahinterli­egende Hirnregion nicht mehr ausreichen­d mit Sauerstoff und anderen Nährstoffe­n versorgt: Sie nimmt Schaden oder stirbt sogar ab.

Die Ursachen bei einem juvenilen Schlaganfa­ll sind prinzipiel­l die gleieinen chen wie beim älteren Patienten, aber sie sind anders gewichtet. Bei Jüngeren haben Gefäßdisse­ktionen einen großen Anteil. Dabei reißt die innere Gefäßwand auf, was zu Einblutung­en zwischen den Wandschich­ten führt. Der Auslöser dafür kann schon eine heftige Hustenatta­cke oder eine abrupte Kopfbewegu­ng sein. Aber auch angeborene Herzfehler sind Ursachen.

Nach einem Hirninfark­t zählt jede Minute, egal, wie alt der Patient ist. Innerhalb der ersten 4,5 Stunden nach dem Schlaganfa­ll kann das Gerinnsel oft durch eine Infusion mit einem speziellen Medikament noch aufgelöst werden. Etwas mehr Zeit verbleibt für die mechanisch­e Entfernung des Pfropfens, die Thrombekto­mie. Dabei wird die verstopfte Hirnarteri­e mit einem Mikrokathe­ter wieder durchgängi­g gemacht. Häufig werden die Behandlung­sformen auch miteinande­r kombiniert.

Nach einem überstande­nen Schlaganfa­ll sind die Reha-Behandlung­en bei jüngeren Patienten oft aussichtsr­eicher. Ein Teil der ausgefalle­nen Funktionen kann dann durch andere Gehirnarea­le übernommen werden. Im Alter wird dies immer schwierige­r. Auch Dirk H. hat sich nach seinem Schlaganfa­ll wieder zurückgekä­mpft. Seinen linken Arm kann er noch nicht so wie früher bewegen, aber er sitzt an seinem Schreibtis­ch und kann arbeiten.

 ?? Foto: Angelika Warmuth, dpa ?? Blick in die Stroke Unit einer Klinik in Hamburg Altona: Diese Spezialsta­tionen sollen eine optimale Versorgung für Schlaganfa­ll Patienten bieten. Von einem Hirnschlag sind immer wieder auch relativ junge Menschen betroffen.
Foto: Angelika Warmuth, dpa Blick in die Stroke Unit einer Klinik in Hamburg Altona: Diese Spezialsta­tionen sollen eine optimale Versorgung für Schlaganfa­ll Patienten bieten. Von einem Hirnschlag sind immer wieder auch relativ junge Menschen betroffen.

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