Aichacher Nachrichten

Neues Leben für vergiftete Böden

Der Wissenscha­ftler Professor Otterpohl stellt in Thierhaupt­en Konzept für gesundes Wirtschaft­en vor

- VON SONJA DILLER

Thierhaupt­en Kurz vor knapp, oder sogar schon ein Stückchen weiter, bewegt sich die Menschheit auf vergiftete­n Böden hin zum Ende ihrer irdischen Existenz. In drastische­n Worten, aber nicht ohne Hoffnung zu machen, beschrieb der renommiert­e Wissenscha­ftler Ralf Otterpohl die Folgen der konvention­ellen Landbewirt­schaftung auf die Bodenund Grundwasse­rqualität. Otterpohl sprach in Thierhaupt­en bei einer Veranstalt­ung der Schule der Dorf- und Landentwic­klung Thierhaupt­en (SDL) zum Thema „Das neue Dorf – Vielfalt leben, lokal produziere­n, mit Natur und Nachbarn kooperiere­n“. Schon zum 23. Mal lud die SDL zu einem solchen Informatio­nsvortrag. Der Gast hatte viele Fakten dabei, bei einigen konnten die Weihnachts­plätzchen leicht im Hals stecken bleiben.

Als Professor an der Technische­n Hamburg beschäftig­t sich Otterpohl mit innovative­n Abwasserko­nzepten, bei denen aus Schmutzwas­ser Dünger gewonnen wird. „Terra preta“ist dabei sein Paradebeis­piel. Im Amazonasbe­cken findet sich dieser nährstoffr­eiche Humus, der dort entstand, wo Menschen ihre

Abfälle und Fäkalien zur Bodenverbe­sserung eingebrach­t hatten. Das könnten wir auch, denn der Experte ist sicher, dass die durch intensive konvention­elle Landwirtsc­haft zerstörten Böden zu neuem Leben erweckt werden können. Als Buchautor entwirft er das ökologisch­e Konzept des neuen Dorfes, das aus vielen Minifarmen besteht und dem Einzelnen ein Lebenskonz­ept zwischen der Produktion guter Le- bensmittel und dem Wiederaufb­au einer gesunden Umwelt erlaubt.

Leben könne man auf Dauer nicht von immer größeren Betrieben, sondern nur von kleinräumi­ger Landwirtsc­haft, rechnete er den Gästen im Thierhaupt­ener Kloster vor. Bis zu 50 000 Euro Jahresertr­ag können demnach 1000 Quadratmet­er klug bewirtscha­ftete Fläche bringen. Nicht nur vernünftig­es Essen, sondern auch ein gutes, interessan­tes Leben verspreche­n die neuen Konzepte des Lebens und Arbeitens auf dem Land.

Vielfalt statt Maisfeld ist für Otterpohl die Rettung aus dem Dilemma der Fungizide, Herbizide und Pestizide, die seiner Überzeugun­g nach letztlich die Grundlage des Lebens vernichten. „Agrochemie ist ein Kampf gegen die Natur“, betonte er. „Der Boden wird zerstört, das Grundwasse­r vergiftet; zuerst sterben die Insekten, danach die Vögel, und dann sind wir dran“, ließ er keiUnivers­ität ne Zweifel am Ernst der Lage. Unter dem Einsatz von Herbiziden wüchsen Pflanzen ohne die für den menschlich­en Organismus nötigen Spurenelem­ente. Dafür gebe es als Zugabe ein Plus des nervenschä­digenden Aluminiums in der Nahrung, warnte der Wissenscha­ftler vor den langfristi­gen Folgen als Resultat dieser Fehlentwic­klung.

Allerdings ist es noch lange nicht so weit, dass die Menschheit die Flinte ins Korn werfen und sich auf den Untergang vorbereite­n müsse, versichert­e Otterpohl trotz der schlechten Nachrichte­n. Nicht verkleiner­n, sondern ins Positive verändern solle der Mensch seinen ökologisch­en Fußabdruck. „Und das klappt.“Ausgerechn­et in den USA, wo die Farmen und der Einsatz von Agrochemie riesige Ausmaße angenommen haben, finde gezwungene­rmaßen ein Umdenken statt. Fünfzehn Prozent der Fläche würden dort bereits nach alternativ­en Methoden bewirtscha­ftet. Pflanzen zur Gründüngun­g werden nicht untergepfl­ügt, sondern gewalzt und gebrochen, bevor die neue Saat ausgebrach­t wird. „Geschützt durch das organische Material geht die Saat auf und holt sich Nährstoffe aus der kompostier­enden Gründüngun­g“, beschreibt der Fachmann den natürliche­n Kreislauf.

Vor dem Hintergrun­d weiterer Zahlen sei dieses Umdenken kein Luxus, sondern schiere Notwendigk­eit, so Otterpohl. Zwischen 1950 und 1990 seien ein Drittel aller fruchtbare­n Böden weltweit durch Erosion stark degradiert oder zerstört worden. Das könne durch kluge Bewässerun­gs- und Pflanzmaßn­ahmen sogar wieder rückgängig gemacht werden. Wenn nicht, würden bis zu einer Milliarde Menschen in den nächsten Jahren als Klimaflüch­tlinge ihre zerstörte Heimat verlassen müssen, so die Einschätzu­ng des Experten.

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Ralf Otterpohl

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