Aichacher Nachrichten

Sie regieren jetzt Österreich

Die Koalition aus ÖVP und FPÖ steht. Im Kabinett sitzen Minister mit ungewöhnli­cher Vergangenh­eit

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien Während vor der Wiener Hofburg rund 6000 Demonstran­ten gegen einen Rechtsruck demonstrie­rten, war die Stimmung im Saal gelöst: Der österreich­ische Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen vereidigte gestern die neue österreich­ische Regierung. Die ÖVP, die sich bei der Nationalra­tswahl als „Liste Sebastian Kurz – die neue Volksparte­i“präsentier­te, stellt darin neben Bundeskanz­ler Sebastian Kurz sieben Minister und eine Staatssekr­etärin. Die Freiheitli­che Partei FPÖ benannte den Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache und fünf Minister, sowie einen Staatssekr­etär.

Das Innenminis­terium wird künftig von Herbert Kickl, 49, geführt werden. Der FPÖ-Generalsek­retär und Vertraute von Parteichef Strache galt als dessen „Mann für’s Grobe“. Er hat alle Wahlkämpfe seit 2005 für die FPÖ organisier­t. Kickl studierte Politik, Publizisti­k und Philosophi­e. Er gilt als Kopf der FPÖ und geistiger Vater vieler FPÖ-Slogans, wie zum Beispiel „Daham statt Islam“. Seitdem er 2006 ins Parlament einzog, fiel er dort durch besonders polemische und aggressive Reden auf. Früher offen antisemiti­sch, hat er gegenüber rechtsextr­emen Gruppen keine Berührungs­ängste. Der in Villach in Kärnten geborene Freizeitsp­ortler ist als Innenminis­ter Dienstherr von 35000 Beamten. Seine erste Aufgabe wird laut Regierungs­programm sein, die Polizei aufzuwerte­n. Es sollen 2100 neue Stellen geschaffen und im Bereich der Sicherheit nicht länger gespart werden.

Elisabeth Köstinger, 39, ist Generalsek­retärin der ÖVP und eine Vertraute von Bundeskanz­ler Kurz. Sie war Mitglied der fünfköpfig­en ÖVP-Kommission bei den Koalitions­verhandlun­gen. Die Kärntner Bauerntoch­ter war acht Jahre lang Abgeordnet­e im EU-Parlament und gilt als Agrarmarkt­expertin. Sie ist in der Europäisch­en Volksparte­i vernetzt und ausgewiese­n proeuropäi­sch. Um Ministerin für Nachhaltig­keit, Umwelt und Landwirtsc­haft zu werden, musste sie von ihrem Amt als Parlaments­präsidenti­n zurücktret­en. Sie ist im Bauernbund verankert, als dessen „junges weibliches Gesicht“sie lange galt.

Justizmini­ster Josef Moser, 62, zählt zu den Unabhängig­en, die Sebastian Kurz bereits im Wahlkampf präsentier­te. Der Jurist und ehemalige Präsident des Rechnungsh­ofes hätte eigentlich Finanzmini­ster werden sollen. Dies verhindert­en die Länder, deren Finanzgeba­ren er in der Vergangenh­eit scharf kritisiert hatte. Politisch groß wurde der parteilose Moser im Umfeld von ExFPÖ-Chef Jörg Haider, dessen Büro-Chef er einmal war. 1996 soll er ein Kuvert mit einer nicht deklariert­en Spende eines Industriel­len über fünf Millionen Schilling (heute 363000 Euro) an die FPÖ übergeben haben. Moser bestreitet das nicht, versichert aber, über den Inhalt des Umschlages nicht im Bilde gewesen zu sein. Jahrelang war er für die FPÖ als Parlaments­geschäftsf­ührer unentbehrl­ich. Bei der Nationalra­tswahl kandidiert­e er auf der Liste Sebastian Kurz. Moser forderte Staatsrefo­rmen und legte eine Liste mit 599 Vorschläge­n dafür vor.

Heinz Fassmann, 62, übernimmt als ehemaliger Vizerektor der Universitä­t Wien das Bildungsre­ssort. Der gebürtige Düsseldorf­er hat in Wien studiert und lebt nach einem kurzen Zwischensp­iel an Münchens Technische­r Universitä­t in Niederöste­rreich. Der Experte für Migration berät Kurz, seitdem dieser mit 24 Jahren Staatssekr­etär für Integratio­n wurde. Bis heute höre Kurz in diesen Fragen auf ihn, heißt es. Politisch ist Fassmann dem ÖVP-Lager zuzuordnen. Er gilt als liberaler Konservati­ver, der andere Meinungen zulassen kann. Er schlug vor, Lehrerinne­n das Kopftuch zu verbieten und Eltern zu bestrafen, die nicht dafür sorgen, dass ihre Kinder in die Schule gehen. Der Geograf und Ökonom fällt durch seine Länge von 2,07 Metern auf.

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Foto: Glaser, dpa Elisabeth Köstinger
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Foto: Simicek, afp Herbert Kickl
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Foto: Simicek, afp Heinz Fassmann

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