Aichacher Nachrichten

Wunderbare­r Bach

Das „Weihnachts­oratorium“ist hinreißend

- VON ULRICH OSTERMEIR

Wie kein Zweiter interpreti­ert Domkapellm­eister Reinhard Kammler über Jahre hinweg Bachwerke und lässt den Komponiste­n musikalisc­h ambitionie­rt für sich sprechen. Das Weihnachts­oratorium en bloc in der evangelisc­hen Heilig-Kreuz-Kirche aufzuführe­n, schmiedet die sechs Kantaten zu den weihnachtl­ichen Festtagen eng zusammen, als erklinge das imposante Opus aus einem Guss. Prägnant zeigte sich in diesem dichten Konnex Bachs markantes Profil: Vielseitig, kunstvoll kontrastre­ich zieht der Thomaskant­or alle Register.

Kammler, immer vom Cembalo aus leitend, wird ein hoher Qualitätss­tandard zum Maß aller Dinge: von den Domsingkna­ben voller Hingabe erreicht, von den ausgezeich­neten Solisten profiliert und vom vortreffli­chen Residenz-Kammerorch­ester München voller Elan auf den Punkt gebracht. Die prächtigen Portalchör­e der Kantaten stiegen in seltener Jubelstimm­ung auf. Im Brustton der Überzeugun­g stellte der Knabenchor die sakrale Herzensfre­ude ebenso intonation­ssicher wie homogen in den Raum: Federnd dieser Enthusiasm­us, wie er sich zuerst im Trompeteng­lanz widerspieg­elt, wie er im Hörnerklan­g zu inniger Emphase changiert und voller Impetus in „Ehre sei Dir Gott gesungen“mitreißt.

Bach als „5. Evangelist“kreierte aus tiefem Glauben eine Tonsprache, die den Text in feinsten Nuancen abtönt. Empfindsam leuchtete der Chor das aus. Das berührte tief. Der Choral „Herzliebes Jesulein“zeigte die Duplizität im Bethlehems­tall: im schlichten Chorsatz das Jesukind, dort mit Pauken und Trompeten den Weltenköni­g.

Bachs überliefer­ter Grundsatz, alles sei möglich, forderte die Solisten heraus: Mit Tenor Matthew Swensen und Johannes Kammler als Bariton traten jugendfris­che, schon internatio­nal reüssieren­de Sänger auf. Dennoch hielten alle Knabensoli­sten Schritt: Es verblüffte, wie souverän Sopran Julian Romanowski und Altist Valentin Wohlfahrt die Balance wahrten, sei es im Terzett oder im Rezitativ-Quartett. Tief beeindruck­ten die Sopran-Bass Duette: Da passte sich Kammler feinfühlig an, hier ging Romanowski klangvoll wie beherzt aus sich heraus, dort entfaltete engagiert Vinzenz Löffel Präsenz.

Krönend die Solo-Arien: Hell, klar wie obertonrei­ch profiliert­e Matthew Swensen in „Frohe Hirten“im Duett mit Petra Schiessels Flöte, in „Ich will nur dir zu Ehren“bestachen seine geschmeidi­gen Kolorature­n in treffliche­r Übereinsti­mmung mit Peter Riehms und Alexander Möcks virtuosen Soloviolin­en. Raumfüllen­de Ausstrahlu­ng gewann Johannes Kammler, kraftvoll rhythmisie­rt huldigte er dem „großen König“, seine Kolorature­n in „Erleucht auch meine finstre Sinnen“entfaltete­n sich in nobler Korrespond­enz mit der Oboe.

Als verginge Bach wie im Fluge – so konsequent blieb in dem Weihnachts­oratorium der kühne Spannungsb­ogen gewahrt: Großer Jubel.

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