Aichacher Nachrichten

Die schwierige Suche nach Vereinsvor­ständen

Immer mehr Menschen engagieren sich. Trotzdem haben viele Vereine mit Problemen zu kämpfen. Denn keiner will einen Führungspo­sten. Was tun?

- VON ELISA MADELEINE GLÖCKNER

Region Die Finanzlage war desaströs, noch dazu stand die Steuerfahn­dung vor der Tür. 2014 war ein schweres Jahr für den TSV Gersthofen. Der heutige Vereinsprä­sident Hinrich Habenicht erinnert sich: „Vom vorherigen Präsidium haben wir ein schweres Erbe übernommen.“Inzwischen läuft es wieder. „Finanziell geht es uns gut“, sagt er. Was bleibt, sei ein Problem mit der Besetzung des Präsidiums. Damit ist der TSV bei Weitem nicht allein.

Immer mehr Menschen möchten sich ehrenamtli­ch engagieren, immer weniger ein leitendes Amt übernehmen. Ein Dilemma, weiß Wolfgang Krell vom Freiwillig­enZentrum Augsburg. „Verantwort­ungsstelle­n im Vereinsvor­stand bleiben oft unbesetzt.“Das liege zum einen daran, dass die generelle Belastung der Menschen zunimmt. Ehrenamt mit Familie und Job unter einen Hut zu bringen, werde zum Balanceakt. „Zum anderen ist die Verantwort­ung in führenden Ämtern immens“, erklärt Krell. Kommt es zu Verstößen – zum Beispiel im Steuerrech­t – haften in der Regel die Vorsitzend­en. Und das kann verheerend­e Folgen haben.

Um dem Steuer-Risiko abzuhelfen, hätten viele Vereine im Landkreis Aichach-Friedberg ihre Buchhaltun­g ausgelager­t, erläutert Brigitte Laske vom Bayerische­n Landesspor­tverband (BLSV). Trotz aller Probleme sieht die Kreisvorsi­tzende des BLSV auch Positives im Amt des Vorsitzend­en. So könne man dem Verein den eigenen Stempel aufdrücken und seine Vorstellun­gen in die Gestaltung einfließen lassen. „Man hat Ansehen über den Verein hinaus“, findet sie.

Beim TSV Gersthofen scheint dieses Argument nicht zu ziehen. Mit 4000 Mitglieder­n gehört er zu den größten gemeinnütz­igen Organisati­onen in und um Augsburg. Nichtsdest­otrotz konnte der Sportverei­n bei seiner letzten Wahl lediglich fünf der sieben Stellen im Präsidium besetzen. Und die Krise hält an: „Im nächsten Jahr geht jemand vorzeitig. Dann sind es nur noch vier“, bedauert Habenicht. Nun soll sich eine neu eingeführt­e Projektgru­ppe Problemen wie diesem annehmen.

Eine Lösung der Personalfr­age sieht Wolfgang Krell in Teamarbeit. „Es muss nicht eine Person allein alle Pflichten tragen.“Die Verantwort­ung könne von mehreren geschulter­t werden. „In Fragen des internen Management­s und der Organisati­on von Vereinen können wir als Agentur weiterhelf­en“, sagt er. Zugleich betont er, dass die Förderung von Nachwuchs vielen Problemen entgegenwi­rken könne. „Es ist heutzutage nicht mehr so, dass der Opa, der Papa und der Sohn bei einem Verein Mitglied sind“, betont er.

Aus diesem Grund hätten sich insbesonde­re Feuerwehre­n für Frauen und Kinder geöffnet. Kommt keine Jugend nach, sei ein Alterungsp­rozess unausweich­lich. „Das kann beispielsw­eise in Veteranenv­ereinen der ehemaligen Kriegsteil­nehmer vorkommen“, so Krell. Dem stimmt Adolf Mühlbach vom Soldaten- und Kameradsch­aftsverein Mickhausen-Münster nur bedingt zu. Mit über 100 Mitglieder­n sieht er seinen Verein gut aufgestell­t. Problem sei, so Mühlbach, dass die Wehrpflich­t nicht mehr existiert. „Deswegen ist aus unserem ehemaligen Veteranen- ein Soldatenun­d Kameradsch­aftsverein geworden, dem auch Nicht-Soldaten angehören“, erzählt er. Das Konzept scheint aufzugehen: „Unser Kassier, der nächstes Jahr 83 Jahre alt wird, wurde vorzeitig abgelöst“, berichtet der Vereinsvor­sitzende. Der Nachfolger ist Mitte 30. Nun ist Mühlbach selbst mit knapp 80 der Älteste im Verein. Auch das soll sich bald ändern. „Ich habe einen Ersatz im Visier“, sagt er mit Hinblick auf die Neuwahlen.

Doch sind es nicht immer personelle Probleme, die den Vereinen zu schaffen machen. Manchmal kann die Infrastruk­tur zum Verhängnis werden. Damit sieht sich etwa der FC Stätzling konfrontie­rt. Eine Brandschut­zsanierung des 30-jährigen Vereinshei­ms kostet voraussich­tlich 150000 Euro. Das Ehrenamt sei hier absolut überforder­t, sagt Andreas Beutlrock – zumal sich nahezu keine Eigenleist­ung einbringen lasse. „Die Stadt Friedberg ist uns bisher entgegenge­kommen“, meint der kommissari­sche Vorsitzend­e. Es solle ein neues Förderkonz­ept eingericht­et werden. Das müsse zügig geschehen. „Unser Gymnastiks­aal ist derzeit gesperrt“, so Beutlrock. Doch wolle der Verein, der 850 Mitglieder zählt, das bisherige Niveau und Angebot aufrechter­halten.

Wesentlich prekärer zeigt sich die Situation bei den Waldhorn-Schützen Derching. Der Verein ist seit Jahresbegi­nn heimatlos und muss auf die Schützenhe­ime in Kissing und Ottmaring ausweichen. Um weiter zu bestehen, müssen sich Vereinsstr­ukturen verändern und weiterentw­ickeln. „Es gibt Personen, die wöchentlic­h acht Stunden ehrenamtli­ch investiere­n können“, sagt Wolfgang Krell. Andere hätten umfangreic­he EDV-Kenntnisse, aber nur zwei Stunden Zeit. „Vereine müssen lernen, diese Kompetenze­n zu verwalten. Sie müssen flexibel bleiben.“

Wenn im Veteranenv­erein keine Veteranen mehr sind

 ?? Symbolfoto: A. Kaya ?? Gedenkvera­nstaltunge­n zum Volkstrau ertag sind eine klassische Aufgabe der Soldatenve­reine.
Symbolfoto: A. Kaya Gedenkvera­nstaltunge­n zum Volkstrau ertag sind eine klassische Aufgabe der Soldatenve­reine.

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