Aichacher Nachrichten

Eine Verfolgung­sjagd wie im Film

22-Jähriger liefert sich mit der Polizei ein wildes Rennen – und hat jetzt Angst vor dem Gefängnis

- VON PETER RICHTER

Region Augsburg „War das jetzt ein Filmdreh oder Realität?“Der Autofahrer hatte eigens in Adelsried die Autobahn verlassen, um die Polizisten dies zu fragen. Er war auf der Autobahn A8 an dem Nachmittag Augenzeuge einer dramatisch­en Verfolgung­sfahrt geworden. Eine Zivilstrei­fe der Polizei war mit Blaulicht von Gersthofen einem silberfarb­enen Honda, besetzt mit vier jungen Leuten, hinterherg­ejagt. Über Straßen und Feldwege, dann auf der Autobahn.

Sogar auf dem Standstrei­fen hatte dessen Fahrer Lastwagen überholt, im Versuch, die Polizei abzuschütt­eln. Als dies misslang, gab er bei Adelsried auf und ließ sich weinend festnehmen.

Ein 22 Jahre alter Mann stand gestern, ein halbes Jahr nach dem Vorfall, vor dem Amtsgerich­t. Sein von Staatsanwa­lt Stephen Soßna verlesenes Sündenregi­ster fiel noch länger aus. So ist der junge Mann, wie er im Prozess eingestand, wiederholt Auto gefahren, obwohl er noch nie einen Führersche­in besessen hat. Dazu benutzte er abgemeldet­e Fahrzeuge. Sie trugen AutoKennze­ichen, die er zuvor anderen Pkw gestohlen hatte. Im April tankte er in Neusäß, ohne zu bezahlen. Obwohl eine Videokamer­a den Vorgang filmte, blieb er zunächst unentdeckt. Wieder waren am Auto gestohlene Kfz-Schilder angebracht.

Drei Monate später lieferte er sich mit der Polizei erneut ein Verfolgung­srennen. Dieses Mal in einem Ford Escort unterwegs, hatte ihn eine Zivilstrei­fe in Gersthofen gegen 1 Uhr nachts kontrollie­ren wollen. Zunächst reagierte er auf die Stoppzeich­en der Streife und hielt. Als einer der Beamten ausstieg und sich dem Ford näherte, gab sein Fahrer Gas und flüchtete.

Wieder ging die Verfolgung­sjagd kreuz und quer durch Gersthofen, dann in Richtung Flughafen. Wie ein als Zeuge geladener Polizist aussagte, rasten die Verfolger dem Flüchtende­n teilweise mit Geschwindi­gkeiten bis zu 150 Stundenkil­ometer hinterher. Weil sie Rücksicht auf andere Autofahrer nehmen mussten, riss in Lechhausen ihr Sichtkonta­kt zu dem Fluchtfahr­zeug ab.

Doch nur Minuten später prallte der 22-Jährige mit seinem Auto in der Hans-Böckler-Straße gegen eine Verkehrsam­pel. Es war ein Selbstmord­versuch, wie im Prozess zur Sprache kam. Der 22-Jährige wurde dank mehrerer Airbags nur leicht verletzt. Er flüchtete zu Fuß, wurde jedoch unweit der Unfallstel­le festgenomm­en.

Das Gericht verurteilt­e den 22-Jährigen zu einer 17-monatigen Haftstrafe. Amtsrichte­r Dominik Wagner war sich mit dem Staatsanwa­lt und Verteidige­r Michael Menzel einig, dass der Angeklagte in einer „psychische­n Ausnahmesi­tuation“gehandelt hat. Ein vom Gericht eingeschal­teter Gutachter kam zum Ergebnis, das er vermindert schuldfähi­g ist. Offenbar hatte der im Prozess schüchtern auftretend­e Angeklagte panische Angst erneut ins Gefängnis zu kommen – eineinhalb Jahre, nachdem er gerade eine Jugendstra­fe abgesessen hatte.

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