Eine Verfolgungsjagd wie im Film
22-Jähriger liefert sich mit der Polizei ein wildes Rennen – und hat jetzt Angst vor dem Gefängnis
Region Augsburg „War das jetzt ein Filmdreh oder Realität?“Der Autofahrer hatte eigens in Adelsried die Autobahn verlassen, um die Polizisten dies zu fragen. Er war auf der Autobahn A8 an dem Nachmittag Augenzeuge einer dramatischen Verfolgungsfahrt geworden. Eine Zivilstreife der Polizei war mit Blaulicht von Gersthofen einem silberfarbenen Honda, besetzt mit vier jungen Leuten, hinterhergejagt. Über Straßen und Feldwege, dann auf der Autobahn.
Sogar auf dem Standstreifen hatte dessen Fahrer Lastwagen überholt, im Versuch, die Polizei abzuschütteln. Als dies misslang, gab er bei Adelsried auf und ließ sich weinend festnehmen.
Ein 22 Jahre alter Mann stand gestern, ein halbes Jahr nach dem Vorfall, vor dem Amtsgericht. Sein von Staatsanwalt Stephen Soßna verlesenes Sündenregister fiel noch länger aus. So ist der junge Mann, wie er im Prozess eingestand, wiederholt Auto gefahren, obwohl er noch nie einen Führerschein besessen hat. Dazu benutzte er abgemeldete Fahrzeuge. Sie trugen AutoKennzeichen, die er zuvor anderen Pkw gestohlen hatte. Im April tankte er in Neusäß, ohne zu bezahlen. Obwohl eine Videokamera den Vorgang filmte, blieb er zunächst unentdeckt. Wieder waren am Auto gestohlene Kfz-Schilder angebracht.
Drei Monate später lieferte er sich mit der Polizei erneut ein Verfolgungsrennen. Dieses Mal in einem Ford Escort unterwegs, hatte ihn eine Zivilstreife in Gersthofen gegen 1 Uhr nachts kontrollieren wollen. Zunächst reagierte er auf die Stoppzeichen der Streife und hielt. Als einer der Beamten ausstieg und sich dem Ford näherte, gab sein Fahrer Gas und flüchtete.
Wieder ging die Verfolgungsjagd kreuz und quer durch Gersthofen, dann in Richtung Flughafen. Wie ein als Zeuge geladener Polizist aussagte, rasten die Verfolger dem Flüchtenden teilweise mit Geschwindigkeiten bis zu 150 Stundenkilometer hinterher. Weil sie Rücksicht auf andere Autofahrer nehmen mussten, riss in Lechhausen ihr Sichtkontakt zu dem Fluchtfahrzeug ab.
Doch nur Minuten später prallte der 22-Jährige mit seinem Auto in der Hans-Böckler-Straße gegen eine Verkehrsampel. Es war ein Selbstmordversuch, wie im Prozess zur Sprache kam. Der 22-Jährige wurde dank mehrerer Airbags nur leicht verletzt. Er flüchtete zu Fuß, wurde jedoch unweit der Unfallstelle festgenommen.
Das Gericht verurteilte den 22-Jährigen zu einer 17-monatigen Haftstrafe. Amtsrichter Dominik Wagner war sich mit dem Staatsanwalt und Verteidiger Michael Menzel einig, dass der Angeklagte in einer „psychischen Ausnahmesituation“gehandelt hat. Ein vom Gericht eingeschalteter Gutachter kam zum Ergebnis, das er vermindert schuldfähig ist. Offenbar hatte der im Prozess schüchtern auftretende Angeklagte panische Angst erneut ins Gefängnis zu kommen – eineinhalb Jahre, nachdem er gerade eine Jugendstrafe abgesessen hatte.