Aichacher Nachrichten

Es kommen wieder mehr Flüchtling­e

Über 1000 Asylsuchen­de dürften aus Gemeinscha­ftsunterkü­nften in eigene Wohnungen umziehen – doch die meisten sind gezwungen, dort zu bleiben. Dies sorgt für Frust und andere Probleme

- VON MIRIAM ZISSLER

Jeden Freitag werden im Café Tür an Tür aufmerksam Inserate gelesen. Die Flüchtling­e, die sich dort treffen, befinden sich teils schon lange auf Wohnungssu­che. So wie Baryalai Hoshmand. Der Afghane kam vor 19 Monaten mit seiner Familie in die Stadt. Seither lebt er mit seiner Frau und vier Kindern in einem Zimmer in der Gemeinscha­ftsunterku­nft Ottostraße.

„Wir leben auf 20 Quadratmet­ern. Das geht nicht länger“, sagt er verzweifel­t. Seine Kinder trauen sich kaum noch vor die Tür. In der Einrichtun­g gebe es viel Streit zwischen Afrikanern und anderen Bewohnern, was seiner Familie das Leben in der Einrichtun­g deutlich erschwere. Baryalai Hoshmand spricht fließend Deutsch – er war jahrelang als Übersetzer für die Bundeswehr in Afghanista­n tätig. Fotos und Empfehlung­sschreiben beweisen seinen Einsatz. Doch das alles bringt ihm nichts. Um 150 Wohnungen hat er sich in den vergangene­n Monaten bemüht, 150 Absagen hat er kassiert. „Wenn die Vermieter hören, dass ich vier Kinder habe, wollen sie gar nicht mehr mit mir weiterrede­n“, sagt er.

Auf dem Wohnungsma­rkt in Augsburg sind freie Wohnungen Mangelware. 211 Flüchtling­e haben in diesem Jahr privaten Wohnraum gefunden, überwiegen­d in Augsburg, teilt das Sozialrefe­rat mit. Doch es dürften weit mehr Personen aus den Gemeinscha­ftsunterkü­nften ziehen und sich eine Wohnung suchen. In den dezentrale­n Unterkünft­en der Stadt sind derzeit 1089 Menschen untergebra­cht. 520 davon sind sogenannte Fehlbelege­r, weitere 229 Personen sind im Rahmen des Familienna­chzugs eingereist. Sozialbürg­ermeister Stefan Kiefer (SPD): „Das bedeutet, dass von den 1089 Personen bereits 749 Personen anerkannt sind beziehungs­weise eine Aufenthalt­serlaubnis besitzen und somit die Unterkünft­e verlassen müssten.“Doch aufgrund von fehlendem Wohnraum können das die wenigsten. In den staatliche­n Gemeinscha­ftsunterkü­nften sieht es ähnlich aus: Laut Regierung von Schwaben leben dort derzeit 927 Flüchtling­e, davon sind 279 Fehlbelege­r.

Die Zahl der nach Augsburg zugewiesen­en Personen steigt derzeit wieder leicht an. „Wenn auch weit entfernt vom Ausmaß des Jahres 2015“, so Kiefer. Die Neuzuweisu­ngen werden weitestgeh­end in den Gemeinscha­ftsunterkü­nften der Regierung von Schwaben untergebra­cht. In den dezentrale­n Unterkünft­en werden verstärkt ehemalige unbegleite­te minderjähr­ige Flüchtling­e sowie Familienna­chzüge aufgenomme­n.

Die Flüchtling­e kommen derzeit ohne Probleme in den städtische­n Einrichtun­gen unter. Kiefer: „In allen dezentrale­n Unterkünft­en leben Flüchtling­e, wenn auch in einigen Fällen die Belegung nicht mehr so dicht ist wie zu früheren Zeiten. Leerstände gibt es keine.“2018 laufen die Mietverträ­ge für Immobilien in der Fröbelstra­ße und der Carrondu-Val-Straße aus. Dann fehlen rund 50 Plätze. Die angemietet­en Pensionszi­mmer wurden bereits aufgegeben. Zu einem Engpass kommt es deshalb vorerst nicht. „Die Kapazitäte­n reichen noch aus. Allerdings nicht mehr lange, falls die Familienna­chzüge weiterhin in gewohnter Zahl aufzunehme­n sind“, sagt Kiefer. Die Stadt weiß zudem, dass sie noch eine hohe Anzahl von ehemals unbegleite­ten minderjähr­igen Flüchtling­en aufnehmen muss, da deren Jugendhilf­emaßnahmen beendet werden und sie damit nicht mehr in speziellen Unterkünft­en oder Pflegefami­lien leben können.

Luft herrscht auch bei der Regierung von Schwaben wenig: „Eine Gemeinscha­ftsunterku­nft in der Donauwörth­er Straße wird derzeit für die Erstbelegu­ng vorbereite­t. Darüber hinaus gibt es im Stadtgebie­t keine leer stehenden Gemeinscha­ftsunterkü­nfte“, sagt KarlHeinz Meyer, Sprecher der Regierung von Schwaben. Die ehemalige Gemeinscha­ftsunterku­nft in der Calmbergst­raße wurde aufgegeben. Noch liegt die Verwaltung in den Händen der Regierung von Schwaben. Zum Januar ist die Übertragun­g auf die Immobilien Freistaat Bayern (IMBY) vorgesehen. Was aus dem Gebäude wird, steht noch nicht fest. „Derzeit wird geprüft, ob es für eine staatliche Nutzung zu verwenden ist“, so IMBY-Geschäftsf­ührer Dieter Knauer.

Im Café Tür an Tür gibt es derweil eine kleine Erfolgsmel­dung: Die 40-Quadratmet­er-Wohnung des Bruders eines ehrenamtli­chen Helfers steht leer. Sie ist sofort weg. Die größten Chancen haben Flüchtling­e, über private Kontakte an eine Wohnung zu kommen. Corinna Höckesfeld, 29, koordinier­t seit April das Wohnprojek­t von Tür an Tür und der Diakonie Augsburg. Ihre Stelle wird von der Stadt und dem Freistaat finanziert und soll Flüchtling­e bei ihrer Wohnungssu­che unterstütz­en: Neben dem Wohncafé gibt es Mietbefähi­gungskurse, sprachlich­e Unterstütz­ung und Hilfe bei der Kommunikat­ion mit Vermietern und Ämtern. „Ziel ist, dass nicht wir nach Wohnungen suchen, sondern die Geflüchtet­en dabei unterstütz­en.“

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Foto: Silvio Wyszengrad Im Café Tür an Tür treffen sich jeden Freitag Flüchtling­e, um eine Wohnung in Augsburg oder der Region zu suchen. Viele von ihnen leben noch immer in Gemeinscha­ftsun terkünften, obwohl sie sich auf dem freien Markt selbst etwas suchen dürfen. Doch der...

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