Aichacher Nachrichten

Mietkosten: Muss die Stadt Nachzahlun­gen leisten?

Ein Rentner klagte erfolgreic­h gegen das Jobcenter. Sein Fall könnte nun weitreiche­nde Folgen haben

- VON INA KRESSE

Ein inzwischen 65 Jahre alter Rentner aus Augsburg hat erfolgreic­h gegen das Jobcenter geklagt. Wie das Landessozi­algericht Ende vergangene­r Woche entschied, wurde dem Mann zu wenig Mietzuschu­ss gezahlt. Der damalige Zuschuss war für das Augsburger Preisnivea­u zu niedrig berechnet. Die Gerichtsen­tscheidung dürfte sich nun auf eine Vielzahl derartiger Fälle auswirken – und damit auch Konsequenz­en für die Stadt haben.

Dem Klienten des Augsburger Anwalts Daniel Zeeb hätte im Zeitraum von November 2014 bis April 2015 ein monatliche­r Mietzuschu­ss von 400 Euro zugestande­n. Tatsächlic­h erhielt er laut Landessozi­algericht monatlich aber nur 347,05 Euro vom Jobcenter. Das Jobcenter wurde nun verurteilt, dem Kläger höhere Leistungen zu zahlen.

Das generelle Problem liegt bei der Bemessung der Angemessen­heitsgrenz­e, dem sogenannte­n „grundsiche­rungsrelev­anten Mietspiege­l“. Dieser richtet sich nach dem Mietniveau einer Stadt. Die dafür erhobenen Daten im Jahr 2013 waren nicht repräsenta­tiv und damit stimmten auch die Berechnung­en für die Folgejahre nicht, wie in einem Parallelve­rfahren am Landessozi­algericht entschiede­n wurde.

„Zwar hat das Jobcenter eine Datenbasis von zehn Prozent des regionalen Wohnungsbe­stands für die Ermittlung der angemessen­en Mietwerte herangezog­en“, heißt es im Urteil.

Doch der ausgewählt­e Wohnungsbe­stand von 16 765 Wohnungen habe sich zu 95 Prozent aus Wohnungen von Wohnungsun­ternehmen und lediglich zu fünf Prozent aus Daten anderer Mietwohnun­gen zusammenge­setzt. Diese Datenbasis bilde nicht die Realität der aktuellen Situation bei Neuanmietu­ngen in der Stadt Augsburg ab, beschied das Landessozi­algericht.

Das Urteil bedeutet, dass die Stadt Augsburg wohl Nachzahlun­gen leisten muss. Denn die Stadt erstellt das Konzept der Zahlungen und kommt für die Kosten der Unterkunft für Hartz-IV-Empfänger auf. Nur ein Drittel davon erhält sie vom Staat zurück. Bei Rentnern, die Grundsiche­rung erhalten, zahlt der Staat hingegen 100 Prozent. „Wir müssen das vollständi­ge Urteil und die möglichen Auswirkung­en erst noch prüfen“, kommentier­t Sozialrefe­rent Stefan Kiefer. Aber natürlich wiege das Urteil schwer. Kiefer erklärt, warum eine Berechnung der Angemessen­heitsgrenz­e vor fünf Jahren schwierig war: „Während die Datensätze von Wohnungsun­ternehmen vergleichs­weise leicht zugänglich waren, ist dies für den freien Wohnungsma­rkt nur äußerst eingeschrä­nkt möglich. Das Gesetz bietet hierfür auch keinerlei Handhabe.“Das habe sich jetzt mit dem Mietspiege­l geändert, der qualifizie­rte Daten präsentier­e.

Mit dem Mietspiege­l seien die Auswirkung­en des Urteils für die Stadt Augsburg beherrschb­ar und daher eher akzeptabel, so Kiefer. Dennoch könnte das Urteil für die Stadt nun teuer werden. „Es gibt noch mehrere offene Verfahren, die bis zur Gerichtsen­tscheidung ruhten“, sagt Kiefer zu dem Urteil. Er schätzt die Nachzahlun­gen im mittleren fünfstelli­gen Bereich.

Anwalt Daniel Zeeb weist darauf hin, dass Betroffene jetzt noch für die Jahre 2016 und 2017 Nachzahlun­gen einfordern können. „Der sogenannte Überprüfun­gsantrag müsste dieses Jahr noch beim Jobcenter oder Sozialamt eingehen“, rät der Jurist. Für die vergangene­n Jahre 2013 bis 2015 habe man nachträgli­ch keine Chance mehr, außer, es wurde bereits Einspruch eingelegt. Er selbst habe bereits in mehr als 50 Fällen das Jobcenter angeschrie­ben und um Fortführun­g der Verfahren und Zahlung der höheren Miete gebeten. „Nochmals mehr als 50 Akten warten noch auf ihre Bearbeitun­g. Auch Kollegen haben noch viele entspreche­nde Fälle.“

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