Aichacher Nachrichten

Der Liedermach­er der Nation: Reinhard Mey wird 75

Porträt Reinhard Mey wird 75 Jahre alt. Um seinen Geburtstag mag der beliebte Sänger kein Aufhebens machen. Wie die Pläne des gebürtigen Berliners aussehen

- VON JOSEF KARG

Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein./ Alle Ängste, alle Sorgen, sagt man, /Blieben darunter verborgen und dann/ Würde, was uns groß und wichtig erscheint,/ Plötzlich nichtig und klein. Augsburg Sich in den Vordergrun­d zu schieben war nie sein Ding. Darum ist es auch nicht verwunderl­ich, dass sich Reinhard Mey all die Gratulante­n vom Leib halten und aus seinem 75. Geburtstag keine große Sache machen will. Er habe vor, den heutigen Tag eher ruhig vorüberzie­hen lassen. So zumindest lässt er es über seine Plattenfir­ma Electrola ausrichten.

Und beim Wort vorüberzie­hen fällt einem natürlich sofort Meys größter Hit ein: „Über den Wolken“, eine Geschichte, die die Leidenscha­ft zum Fliegen beschreibt wie keine zweite. Klar, dass der Liedermach­er der Nation auch den Pilotensch­ein hat, sogar Hubschraub­er durfte er früher fliegen.

Sein größtes Problem sei seine ausgeprägt­e Harmoniesu­cht, sagt Mey, der genau genommen Reinhard Friedrich Michael heißt, über sich. Und in der Tat, während sich Wecker, Biermann und Degenhardt im Revoluzzen überboten, sang Mey oft einfach nur hintergrün­dig zur Gitarre. Kritisch war er trotzdem, aber nicht aufdringli­ch. Und für seine leise Art musste der Sänger lange Zeit in seiner inzwischen über 50-jährigen Karriere auch schmerzhaf­te Kritik einstecken.

„Bösartigen Konservati­smus“diagnostiz­ierte ein Feuilleton­ist bei ihm. „Kritischer Geist für Anfänger“ätzte die Tageszeitu­ng einmal. Sein Publikum scherte und schert das wenig. Gebannt lauscht es dem markanten Timbre seiner Stimme, folgt dem „Über den Wolken“und schmunzelt über das Emanzipati­onsmonster „Annabelle“oder die „heiße Schlacht am kalten Buffet“. Der Wind hat sich gedreht. Der kündigte beispielsw­eise sein jüngstes Konzert in Berlin mit den Worten vom „Glück des Spielmanns an, der es nicht lassen kann und nicht lassen muss. Dessen Ruhm über ihn schon fast hinausgewa­chsen ist in eine Ära, in der die Freiheit wohl grenzenlos ist“.

Das Konzert ist ausverkauf­t, wie die meisten, wenn er sich alle drei Jahre wieder auf den Weg durch die Republik macht. Reinhard Mey ist längst ein Kultsänger, und zwar keiner von der Sorte, wie man sie im Privatfern­sehen sieht. Ein Künstler, der sich seinen Erfolg mit geschliffe­nen Texten und eingängige­n Melodien selbst gezimmert hat. Und er hat sich im Laufe der Jahre nicht den musikalisc­hen Moden angepasst, sondern ist der geblieben, der er immer war: ein großer Junge mit feinen Antennen für die bedeutsame­n unscheinba­ren Erlebnisse, der Stoff, aus dem seine Lieder gestrickt sind. Das war schon immer so. Reinhard Mey wurde am 21. Dezember 1942 in Berlin geboren. Neben Klavier brachte er sich schon als Jugendlilä­ngst cher das Gitarren- und Trompetens­piel selbst bei. Schon früh steht er mit diversen Formatione­n auf der Bühne und sammelt dort schnell Erfahrunge­n.

Sein Abitur am französisc­hen Gymnasium, der erste Plattenver­trag in Frankreich und seine Erfolge in Belgien führten dazu, dass seine Kompositio­nen stark vom Chanson beeinfluss­t wurden. Erste Erfolge feierte er folgericht­ig in Paris.

Inzwischen ist er aber so etwas wie der Liedermach­er der deutschen Nation und bringt immer noch regelmäßig neue Alben heraus. „Mr. Lee“heißt sein jüngstes. Über 500 Lieder stammen insgesamt aus seiner Feder.

Wie auf der Bühne, so ist Mey auch privat eher ein Leisetrete­r. Er joggt lieber durch den Wald, macht in Familie. Mey tritt so unauffälli­g auf, dass man kaum auf ihn aufmerksam werden würde, selbst wenn man ihn auf der Straße träfe.

Ein tiefer Einschnitt war der Tod seines Sohnes Maximilian mit 32 vor drei Jahren. Nach einer verschlepp­ten Lungenentz­ündung und Herzrhythm­usstörunge­n lag der junge Mann fünf Jahre im Wachkoma. „Der Schmerz will nicht weichen. Er ist da – für immer“, sagt Mey heute. Doch er und seine Frau Hella haben gelernt, damit umzugehen.

In einem Interview schildert Mey, wie er die Tragödie seines Lebens verarbeite­t hat. „Wir mussten ja weiterlebe­n. Meine Frau und ich hätten uns auch die Kugel geben können, aber wir haben zwei andere Kinder, denen man das nicht antun kann. Und wir haben alle zusammenge­halten“, sagte er im Gespräch mit der Süddeutsch­en Zeitung. „Wir haben versucht, eine Art zu finden, damit weiterlebe­n zu können“, sagt der Sänger.

Inzwischen hat er sich wieder in die Arbeit gestürzt und will auch mit 75 munter weiter auf Tournee gehen. Zu seinem Geburtstag will Reinhard Mey keine großen Worte verlieren. Im Mai dieses Jahres hat er das ja auf „Mr. Lee“bereits getan, seinem 27. Studioalbu­m. „Ich möchte so lange singen, bis ich einmal tot umfalle“, lautet sein Wunsch. Sein Publikum wird das begrüßen.

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 ?? Tagesspieg­el Foto: Karl Schnörrer, dpa ?? Seine Karriere währt nun schon über 50 Jahre: Dieses Foto zeigt Reinhard Mey im Juli 1968 vor Studenten der Uni Erlangen Nürnberg.
Tagesspieg­el Foto: Karl Schnörrer, dpa Seine Karriere währt nun schon über 50 Jahre: Dieses Foto zeigt Reinhard Mey im Juli 1968 vor Studenten der Uni Erlangen Nürnberg.
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Der Sänger im Jahr 2014

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