Die talentierte Otto-Normal-Biene
Die Norwegerin Maja Lunde hat mit ihrem Roman über „nervige Wesen“für die Buchsensation 2017 gesorgt. Daran war ein Zufall schuld. Nun macht sie weiter
Der Vorname ist Zufall. Aber wenn Maja Lunde eine Biene wäre, dann bestimmt keine Königin, sondern wie ihre Namensvetterin eine Arbeiterin. Eine vielseitig talentierte Otto-Normal-Biene quasi. Die 42-jährige Norwegerin hat mit ihrem Roman „Die Geschichte der Bienen“(btb-Verlag) in Deutschland die Buchsensation des Jahres gelandet, dennoch sind ihr Starallüren fremd. Andere Autoren stellen sich in Klappentexten mit exotischen Wohnorten und noch exotischeren Lebensläufen dar – sie sagt so bodenständige Sätze wie: „Mein eigenes Leben ist sehr gewöhnlich und langweilig.“
Dieses normale Leben klingt in Kurzform so: Studium in Oslo, erfolgreiche Autorin von Kinderbüchern und Filmskripten, lebt mit Ehemann und drei Söhnen im Osten der norwegischen Hauptstadt. Und doch wurde ihr normales Leben gehörig aufgewühlt – von gestreiften, kleinen Insekten. Plötzlich kennen hundertausende Leser im In- und Ausland den Namen Maja Lunde. Und alles nur, weil sie im Juni 2013 einen Dokumentarfilm sah, bei dem „die Glühbirne über meinem Kopf anging“, wie sie sagt.
Damals wollte sie zum ersten Mal ein Buch für Erwachsene schreiben, eines, das sie selber gerne lesen würde. Sie versuchte es mit Dingen, die sie aus ihrem Leben kannte. „Aber die Texte wurden nicht wirklich gut.“Zu normal. Dann sah sie besagten Film über Bienen, die bis dahin für sie nur „kleine nervige Wesen“gewesen waren. Sie staunte, staunt noch immer:
„Wie so kleine Wesen sen so etwas Großes erreichen können.“Ihr wurde klar: Wie in einem Bienenstock hängt auf der Erde alles zusammen. Die kleinen Wesen spielen dabei eine wichtige Rolle. Dass sie bedroht sind, sei ihr schon vor dem Film klar gewesen, die Auswirkungen, die das haben könnte, aber nicht. Jetzt hatte sie ein Thema. Drei Menschen aus drei Epochen, die durch Bienen miteinander verbunden sind. Da ist der depressive englische Wissenschaftler William, der Mitte des 19. Jahrhunderts einen Bienenkorb erfindet. Außerdem: US-Imker George, dessen Bienen im Jahr 2007 plötzlich verschwinden. Und: Die Chinesin Tao, die 2098 als Bestäuberin arbeitet, weil es keine Bienen mehr gibt – und deren Sohn einen mysteriö- Unfall hat. „Diese Geschichte wollte raus“, sagte sie der Deutschen Presseagentur. Und dann wieder so einen sympathischen Normalosatz: „Schreiben ist harte Arbeit.“Harte Arbeit, die sich nun lohnt.
Im Herbst 2015 erschien „Bienes historie“in Norwegen und bekam den dortigen Buchhändler-Preis. Es wurde in 30 Sprachen übersetzt. Heuer kam es auf Deutsch heraus und stürmte die Bestsellerlisten. 350 000 Exemplare wurden bisher verkauft. Damit habe sie nicht gerechnet, sagt Lunde. „Ich bin keine Politikerin, ich bin keine Klimaaktivistin. Aber dass so viele Lust haben, mein Buch zu lesen, zeigt, dass viele bereit sind, etwas zu ändern.“Sie schreibe über das, wofür sie gerade brenne – „Die Geschichte des Wassers“erscheint im März auf Deutsch. Teil 2 in ihrem geplanten „Klima-Quartett“.