Neue Gesichter für Katalonien
An die Spitze der Konfliktregion könnte künftig eine Frau treten. Sowohl die Separatisten als auch das prospanische Lager schicken aussichtsreiche Kandidatinnen in die heutige Neuwahl
Augsburg/Madrid Die spanische Konfliktregion Katalonien entscheidet heute in Neuwahlen über den künftigen politischen Kurs. Die Separatisten erhoffen sich Zustimmung zu ihrem Weg der Abspaltung von Madrid. Aber auch die Befürworter der Einheit Spaniens könnten die Mehrheit im Regionalparlament von Barcelona erringen. Auf jeden Fall werden neue politische Akteure ins Rampenlicht treten.
Warum gibt es heute die Neuwahl?
Ende Oktober hatte Spaniens Zentralregierung in Madrid die katalanische Regionalregierung abgesetzt und das Parlament aufgelöst. Sie warf den Instanzen in Barcelona vor, mit einer Unabhängigkeitserklärung die Verfassung gebrochen zu haben. Seither wird Katalonien von Madrid aus verwaltet. Die Neuwahl soll nun für stabile Verhältnisse sorgen.
Was wurde der früheren Separatistenregierung konkret vorgeworfen?
Dem ehemaligen katalanischen Ministerpräsidenten Carles Puigdemont und seinen 13 Exministern wird vorgehalten, unter Bruch der Verfassung die Unabhängigkeit Kataloniens betrieben zu haben. Deswegen wird gegen sie wegen „Rebellion“ermittelt. Zudem geht es um den Vorwurf der Veruntreuung von Steuergeldern. Fünf katalanische Politiker sitzen deswegen in U-Haft. Fünf weitere, darunter Puigdemont, flüchteten nach Belgien. Gegen sie wurde in Spanien Haftbefehl erlassen. Sie müssen im Falle einer Rückkehr mit der Festnahme rechnen.
Wie sehen die politischen Machtverhältnisse aus?
In Katalonien stehen sich zwei politische Blöcke gegenüber. Das spanienfreundliche Lager wird angeführt von der liberalen Partei Ciudadanos (Bürger) mit ihrer jungen, erst 36-jährigen Vorsitzenden Inés Arrimadas. Sie liegt deutlich vor der in Madrid regierenden konservativen Volkspartei (PP). An der Spitze der Separatisten steht laut Umfragen nicht die von Puigdemont angeführte nationalistische Liste „Zusammen für Katalonien“, sondern die Republikanische Linkspartei (ERC), deren Vorsitzender Oriol Junqueras wegen Mitwirkung an der „Rebellion“im Gefängnis sitzt. An seiner Stelle führte Generalsekretärin Marta Rovira, 40, die Partei im Wahlkampf. Eine vermittelnde Rolle versuchen die Sozialisten unter ihrem Spitzenkandidaten Miguel Iceta zu spielen: Sie sind zwar gegen die Unabhängigkeit, verlangen aber eine Amnestie für die „Rebellen“.
Was denkt die Bevölkerung über die Unabhängigkeit?
Die katalanische Gesellschaft ist gespalten. Die Separatisten behaupten, die Mehrheit der 7,5 Millionen Katalanen wünsche einen eigenen Staat und unterstütze die radikale Abspaltungspolitik. Doch das illegale Unabhängigkeitsreferendum vom 1. Oktober besaß wenig Aussagekraft. In der Regionalwahl 2015 hatten die Separatisten 47,8 Prozent der Stimmen auf sich vereint, der Spanienblock erhielt 39 Prozent. Laut Umfragen könnte sich das Stimmenverhältnis heute zugunsten des prospanischen Lagers verschieben.
Warum ist derzeit kein Referendum über die Unabhängigkeit möglich?
In Spaniens Verfassung ist die Einheit der Nation, ein verbindliches Referendum über die Autonomie eines Landesteiles wäre somit verfassungswidrig. Allerdings könnte die Verfassung in dieser Frage auch geändert werden. Dafür politisch einzutreten sei zulässig, erklärten sogar Spaniens oberste Verfassungsrichter.