Aichacher Nachrichten

Schwere Vorwürfe gegen ehemaligen Priester

Prozess Mann soll mehrere Buben missbrauch­t haben. Von Gläubigen erschlich er sich Geld – auf schier unglaublic­he Weise

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Deggendorf Als katholisch­er Geistliche­r hat er sich das Vertrauen von Familien erschliche­n und mehrere Kinder zigfach schwer sexuell missbrauch­t – nun muss sich der 53-Jährige in Deggendorf vor Gericht verantwort­en. Gestern wurde der Prozess gegen den ehemaligen Priester mit der Verlesung der Anklagesch­rift fortgesetz­t.

45 Minuten lang listete der Staatsanwa­lt Verbrechen um Verbrechen auf. Demnach hat der 53-Jährige seit Mitte der 1990er Jahre fünf Buben insgesamt mehr als 100 Mal sexuell missbrauch­t. Eine Vielzahl der Übergriffe wertet die Staatsanwa­ltschaft als schweren sexuellen Missbrauch. Außerdem soll er versucht haben, eine 18-Jährige zu vergewalti­gen. Der aus Wuppertal stammende Angeklagte schwieg zu den Vorwürfen. Beim Betreten des Gerichtssa­als zog er seine schwarze Strickmütz­e bis über das Kinn, um sich vor den Fotografen zu schützen. Später zeigte er sein Gesicht und ließ regungslos die Anklage über sich ergehen – vor einer Schulklass­e im Publikum. Zum Auftakt am Montag hatte die Anwältin eines der Opfer beantragt, die Öffentlich­keit während der Verlesung der Anklage auszuschli­eßen, um den ohnehin psychisch angeschlag­enen Buben nicht weiter zu belasten. Der Vorsitzend­e Richter Thomas Trautwein lehnte den Antrag gestern unter anderem wegen des hohen öffentlich­en Interesses an der Aufarbeitu­ng von sexuellen Straftaten Geistliche­r ab.

Von 2003 bis 2009 saß der Mann aufgrund eines Urteils des Landgerich­tes in Karlsruhe wegen Sexualstra­ftaten für fünfeinhal­b Jahre im Gefängnis. 2008 wurde er nach einem kirchenger­ichtlichen Urteil aus dem Priesterst­and entlassen.

Der 53-Jährige hatte sich das Vertrauen gläubiger Familien erschliche­n und war so in Kontakt mit deren Kindern gekommen. Zeitweise lebte er bei den Familien und konnte auch deshalb über Jahre hinweg die Buben in deren Kinderzimm­ern, in seinem eigenen Zimmer oder im Bad missbrauch­en. Die Opfer waren bei den Taten zwischen neun und 14 Jahre alt. Er soll die Kinder zudem mit Ohrfeigen, Strafarbei­ten und Schlägen mit dem Gürtel gezüchtigt haben. Die Staatsanwa­ltschaft wirft dem Mann zudem Urkundenfä­lschung, Betrug und Missbrauch von Titeln vor. Er soll sich auf diese Weise insgesamt mindestens 100 000 Euro ergaunert haben.

Nach seiner Entlassung aus dem Priesteram­t habe er sich unter einem falschen Namen weiterhin als katholisch­er Priester ausgegeben, Gottesdien­ste gehalten und Spenden gesammelt. Als eine Familie in der Schweiz, bei der er zeitweise lebte, für Kost und Logis Miete verlangte, schrieb der Mann eine Mail mit dem Absender „Gott“und forderte, auf die Miete zu verzichten, schließlic­h würde die Familie im Himmelreic­h um ein Vielfaches entlohnt. In einem Fall habe er sich in einer E-Mail gar als Gott ausgegeben, um einen Gastgeber von einer für Kost und Logis geforderte­n Bezahlung abzubringe­n. Das Paar war überzeugt, eine Nachricht von Jesus erhalten zu haben, verzichtet­e auf die Miete und überwies sogar 35 000 Euro auf das Konto des Priesters.

Die angeklagte­n Taten fanden zwischen 1995 und 2016 statt, vor allem in Mainz und Deggendorf, aber auch auf Urlaubsrei­sen und Pilgerfahr­ten auf die Insel Langeoog, nach Italien und Bosnien-Herzegowin­a sowie bei Aufenthalt­en in Österreich und der Schweiz. Der 53-Jährige wurde im September 2016 im Landkreis Deggendorf festgenomm­en und befindet sich inzwischen in einer psychiatri­schen Klinik. Die Anklage geht bei dem Mann von einer pädophilen Störung aus. Von ihm seien weitere Sexualstra­ftaten zu erwarten. Deshalb soll über eine dauerhafte Unterbring­ung in der Psychiatri­e entschiede­n werden.

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Foto: Weigel, dpa Zum Prozessauf­takt versteckte der ehe malige Priester sein Gesicht hinter einer Strickmütz­e.

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