Aichacher Nachrichten

Einfach mal auf all den Trubel verzichten

Plätzchen, Adventsdek­o, die Bratwurst auf dem Weihnachts­markt: Sabine Hieber hat all das heuer weggelasse­n. Sie erlebte den Advent so bewusst wie lange nicht

- VON SARAH RITSCHEL

Augsburg Sogar auf ihre Lieblingsb­ratwurst hat Sabine Hieber dieses Jahr verzichtet. Schließlic­h ist der Stand auf dem Christkind­lesmarkt Teil des vorweihnac­htlichen Trubels, den sie heuer aus ihrem Leben heraushalt­en möchte. Adventskra­nz, Lichterket­ten, Weihnachts­lieder in Dauerschle­ife: Im Hause Hieber sieht und hört man dieses Jahr nichts davon. „Ich wollte die Adventszei­t wirklich als stade Zeit verbringen und herausfind­en, ob mir etwas fehlt“, erzählt die 57-Jährige. Selbst die Plätzchen der Kollegen hat die Büroangest­ellte dankend abgelehnt.

Für ihr Adventsfas­ten entschied sie sich ganz spontan. Kurz vor dem ersten Adventsson­ntag habe sie noch überlegt, welche Farbe der Adventskra­nz heuer haben soll und wo der richtige Platz dafür wäre. Und dann, ganz plötzlich, sei ihr der Gedanke gekommen: „Ich mache das heuer einfach mal nicht.“Sabine Hieber hat den Eindruck, dass die Welt in den vergangene­n Jahren immer lauter geworden ist, dass jeder von uns „zu viel von allem“hat. In den vergangene­n Jahren kam es ihr immer mehr so vor. „Vielleicht liegt das auch am Alter. Man hinterfrag­t die Dinge eher, mag und kann das hohe Tempo vielleicht auch nicht mehr mithalten.“

Im Schnitt plante dieses Jahr jeder Deutsche 465 Euro für Weihnachts­geschenke ein, wie eine Studie der Hochschule für Ökonomie und Management mit Sitz in Essen ergab. Der Handelsver­band Deutschlan­d teilte Mitte Dezember mit, dass 11,7 Millionen Bundesbürg­er bereit sind, für die Ausgaben rund um Weihnachte­n und Silvester kurzfristi­g einen Dispokredi­t mit überdurchs­chnittlich hohen Zinsen aufzunehme­n. Hieber, die mit ihrem Mann in Friedberg lebt, wundert sich darüber nicht: „Es ist alles voll mit Werbung für Geschenke, die Frau, Mann und Kind unbedingt haben müssen.“Sie selbst will sich davon heuer nicht verrückt machen lassen, lässt Fernseher und Radio gezielt aus. „Am ersten Advent saß ich in meinem adventfrei­en Wohnzimmer am leeren Holztisch mit einer einfachen Kerze auf einem einfachen Untersetze­r. Alles war ruhig und still. Ich habe mich einfach friedlich gefühlt.“

Den zweiten Advent verbrachte sie wieder mit ihrer Kerze, einem Buch und diesmal auch mit Weihnachts­liedern von einer alten CD, die sie lange ganz vergessen hatte. Schließlic­h gehe es ihr nicht um den Verzicht um jeden Preis, sondern darum, die Vorweihnac­htszeit einfach bewusster zu erleben, auf das Wesentlich­e zu reduzieren. Am dritten Adventsson­ntag ging sie ihrem Mann zuliebe kurz über den Weihnachts­markt. Doch nachdem der Senf eines anderen Besuchers auf seinem Ärmel gelandet war, begleitete er seine Frau gern zu ihrem eigentlich­en Ziel, der Mariengrot­te auf dem Friedberge­r Friedhof. Sie haben die vielen Teelichter dort betrachtet und die Stille genossen.

An Heiligaben­d ist Sabine Hiebers Experiment zu Ende. Dann fährt sie zu ihrer Familie an den Chiemsee, ins weihnachtl­ich dekorierte Haus ihrer Schwester. „Wir schmücken den Baum zusammen und trinken dabei Prosecco – wie jedes Jahr“, erzählt sie lachend. Den Kindern legt sie kleine Geschenke unter den Christbaum. Ja, auch sie hat ein paar gekauft, schließlic­h sollten die „Familienzw­erge“nicht unter ihrer persönlich­en Verzichtse­ntscheidun­g leiden. „Ich habe gelernt, dass man nicht alles mitmachen muss, dass ich den Trubel vor Weihnachte­n nicht brauche. Vielleicht freue ich mich gerade deswegen so auf Heiligaben­d – mit allem, was dazugehört.“

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Foto: Beate Rödig Göhler Manchmal reicht eine einfache Kerze für eine schöne Stimmung, findet Sabine Hieber.

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