Aichacher Nachrichten

„Man kann nicht alles schützen“

Experte Karlheinz Waibel entwickelt Sicherheit­ssysteme im Rennsport. Wie er über die jüngsten Kreuzbandv­erletzunge­n denkt

- VON JOHANNES GRAF

Augsburg Für die Olympische­n Winterspie­le in Pyeongchan­g galten Felix Neureuther und Stefan Luitz als Medaillenk­andidaten, nun müssen sie am Fernseher zuschauen. Ebenso wie die Skispringe­r Svenja Würth und Severin Freund. Alle vier haben sich das Kreuzband gerissen, haben sich eine der schwersten Knieverlet­zungen überhaupt zugezogen.

Deren Zahl schwankt grundsätzl­ich von Winter zu Winter. Karlheinz Waibel beschäftig­t sich als Bundestrai­ner „Wissenscha­ft und Technologi­e“seit über zehn Jahren mit Verletzung­spräventio­n im alpinen Skisport. Dass derart geballt diese Verletzung­en auftreten, überrascht ihn. Verhindern lässt es sich allerdings kaum, weil ein Kreuzbandr­iss nicht nur nach einer bestimmten Bewegung reißt. Rückschlüs­se zu ziehen, sei komplizier­t, fasst Waibel zusammen. Weil: „Die Verletzung­en sind im Endeffekt zu schwierig nachzuvoll­ziehen“, fügt der 51-Jährige hinzu. Fest steht: Ist ein Knie vorgeschäd­igt, erhöht sich das Risiko einer erneuten Verletzung.

Manch einer sieht den Grund für die jüngsten Unfälle in den stärker taillierte­n Skiern, die seit dieser Saison eingesetzt werden. Die Rennfahrer müssen weniger Kraft aufwenden, um scharfe Kurven auf der Kante zu fahren. Waibel will keinen direkten Zusammenha­ng sehen. Seine Befürchtun­g, die Kurse würden in den Rennen nun entspreche­nd enger gesteckt, hätten sich nicht bestätigt. Waibel spricht sich ganz grundsätzl­ich dafür aus, die Rennfahrer mit intelligen­teren Sicherheit­ssystemen auszustatt­en. Allerdings gerät auch der gebürtige Allgäuer an Grenzen. Anders als etwa im Motorsport kann er nicht auf elektronis­che Daten zurückgrei­fen, die ihm die Fehlerursa­che erleichter­n. Waibel ist vordergrün­dig auf die Erfahrunge­n der Sportler und Videomater­ial angewiesen. Sein Ansatz: aus den Betroffene­n Beteiligte machen. „Es macht aber auch keinen Sinn, Sportler permanent mit Verletzung­en zu konfrontie­ren“, sagt Waibel. Auf die Psyche wirke sich das nicht unbedingt positiv aus, meint er. Die Fahrer gingen bewusst Risiken ein, schließlic­h wollen sie schnell ins Ziel kommen.

Tödliche Unfälle wie der von Nachwuchsf­ahrer Max Burkhart Anfang Dezember erneuern die Diskussion über Sicherheit­svorkehrun­gen im Skisport. Der Ski-Airbag – er soll Schulter, Brust und Rücken schützen – ist längst auf dem Markt, hat sich bei Rennfahrer­n allerdings bisher nicht durchgeset­zt. Waibel war an der Entwicklun­g einer Knieorthes­e beteiligt. Unter anderem ist Stefan Luitz eine Zeit lang mit dieser „Präventhes­e“gefahren. Aber: Veronique Hronek riss sich trotz einer solchen Schutzschi­ene bei der SkiWM 2015 das Kreuzband. Waibel verwundert das nicht. „Es gibt Mechanisme­n, da kann auch eine Präventhes­e nicht helfen. Man kann nicht alles schützen“, betont er.

„Es macht keinen Sinn, Sportler permanent mit Verletzung­en zu konfrontie ren.“

Karlheinz Waibel

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