Die Sitzplatz Besetzer aus Mainz
Im September 2016 stürmten 103 Fußballfans von den Stehrängen im Gästeblock in den Sitzplatzbereich des FCA-Stadions. Elf von ihnen standen jetzt vor Gericht
Sie hatten beste Sicht auf den Rasen und jubelten am Ende über einen 3:1-Auswärtssieg ihrer Mannschaft. Doch für genau 103 Fußballfans des FSV Mainz 05 erwies sich der Aufenthalt in der WWK-Arena des FC Augsburg am 18. September 2016 letztendlich als teurer Spaß.
Nach dem Schlusspfiff in der Bundesliga-Partie wurden die Anhänger des Vereins von der Polizei und Ordnern eingekesselt. Der Grund: Die Mainzer Fans waren kurz vor Spielbeginn von den Stehplatzrängen im Gästeblock in den benachbarten Sitzplatzbereich Y gestürmt und hatten dort das Match ohne das entsprechend teurere Ticket auf bequemen Schalensitzen verfolgt. Die Sitzplatz-Besetzung hatte für alle 103 Mainzer Fans ein Nachspiel.
Wer genau damals die ungewöhnliche Massenbewegung auslöste, ist unklar. Offenbar weil im Y-Block noch viele Sitzplätze frei geblieben waren, hatte sich ein ganzer Block von Mainzer Anhängern urplötzlich auf den Weg gemacht und durch den Zugang in den benachbarten Sitzplatzbereich gedrängt. Zwei Ordner hatten dieser kleinen „Völkerwanderung“machtlos zusehen müssen. FCA-Sicherheitsbeauftragter Edgar Schweininger sowie die Fanbeauftragten aus Mainz hatten die 103 „Fehlbeleger“zweimal aufgefordert, wieder in den Stehplatzbereich zurückzukehren. Ohne Erfolg. Die Mainzer Anhänger blieben hartnäckig sitzen. Was dazu führte, dass der FCA konsequent durchgriff.
Nach dem Schlusspfiff wurden die Mainzer von Ordnern und der Polizei im Block Y eingekesselt und einzeln identifiziert. Die Folgen waren äußerst unangenehm. Einmal erließ der FCA gegen alle Beteiligten ein einjähriges bundesweites Stadionverbot – allerdings auf Bewährung. Die Fans mussten die Differenz zwischen Stehplatz- und Sitzplatzticket nachzahlen.
Wer strafrechtlich bislang eine „weiße Weste“hatte, erhielt von der Stadt Augsburg einen Bußgeldbescheid über 150 Euro nach der Stadionverordnung. Und elf „Fehlbelegern“, die zuvor schon in irgendeiner Weise mit der Justiz Bekanntschaft gemacht hatten, flatterte ein Strafbefehl über 1000 Euro Geldstrafe wegen Hausfriedensbruchs in den Briefkasten. Dagegen hatten die elf Fans im Alter zwischen 20 und 28 Jahren Einspruch eingelegt, sodass es zum Prozess vor Jugendrichterin Ortrun Jelinek im großen Sitzungssaal 160 kam.
Die vier mit den Angeklagten aus Mainz angereisten Verteidiger zeigten sich verwundert über die ihrer Meinung nach zu harte Linie der Augsburger Staatsanwaltschaft, zweifelten, ob das Verhalten ihrer Mandanten überhaupt den Tatbestand des Hausfriedensbruchs erfüllt habe, forderten eine gänzliche Einstellung der Verfahren. Doch Ankläger Christian Peikert blieb dabei: „Wir müssen alle gleich behandeln.“Die Mainzer Fanszene hatte sich schon öffentlich beim FCA entschuldigt, die einzelnen „Besetzer“bedauerten auch jetzt im Prozess noch einmal ihr Verhalten als „Dummheit“. Weil unter den elf Angeklagten auch Azubis und Studenten mit wenig Einkommen waren, fanden Anklage, Verteidiger und das Gericht doch noch eine Lösung, die jedem Einzelnen gerecht werden sollte.
Bei fünf Angeklagten wurde das Verfahren wegen geringer Schuld gegen eine Geldauflage von 150 Euro, zahlbar an den Verein „Die Brücke“, eingestellt. Ein zur Tatzeit Heranwachsender muss nach dem Jugendstrafrecht eine Geldauflage von 200 Euro bezahlen. Vier erwachsene Mainzer Fans, die vorbelastet waren, erhielten Geldstrafen zwischen 300 und 600 Euro. Bei einem 24-Jährigen wurde das Verfahren im Hinblick auf eine Bewährungsstrafe in anderer Sache vorläufig eingestellt.