Ein Sandwich für die Stadtwerke
Beate Kreutzers Aufbau ist auf den ersten Blick eine bescheidene Ergänzung des Gebäudes am Hohen Weg. Doch steckt jede Menge technischer und räumlicher Raffinesse darin
Als Passant, der über den Hohen Weg geht, sieht man kaum, was für ein beachtliches Stück Stadtreparatur sich die Augsburger Architektin Beate Kreutzer unweit des Domes vorgenommen hat. Höchstens von der Domplatte oder der Peutingerstraße aus entdeckt man, wenn man den Blick nach oben richtet, das neu aufgesetzte Dachgeschoß auf dem rückwärtigen Gebäude des Stadtwerke-Hauses. Man muss schon genau hinschauen, denn der Neubau sticht keineswegs heraus aus dem Bestand – beschichtete Aluminiumplatten nehmen auf der einen Seite den sanft beigen Farbton der Hausfassade auf, auf der anderen Seite erscheinen die gestaffelten Glasfronten. Kaum der Rede wert, könnte man meinen, eine bescheidene Ergänzung. Doch der erste Schein trügt. In dem Projekt, das die klassische Aufgabe des Weiterbauens in der alten Stadt darstellt, steckt jede Menge technischer und räumlicher Raffinesse, und das alles spricht von großem planerischem Aufwand.
Dass der aufgewendet wurde, ist auch gut, denn immerhin ist das Stadtwerkehaus ein Objekt, das prägend für Augsburg in der Nachkriegszeit war. Stadtbaurat Walther Schmidt, der die alte Stadt modernisieren wollte (und damit nicht selten auf Widerstand stieß, siehe Rathausplatz), wagte mit dem Verwaltungskomplex für die Stadtwerke einen Maßstabssprung: Mitten hinein in die alte, von Bomben stark ausgedünnte drei- bis viergeschoßige Bebauung und direkt neben den ehrwürdigen Dom stellte er einen aus mehreren Baukörpern zusammengesetzten, sechs- und siebengeschossigen Neubau. Zwar wahrte er respektvolle Distanz zur Kathedrale, zwar blieb die Architektur auch im Stil der Zeit leicht und unprätentiös, aber dennoch war dieses kleine Hochhaus damals etwas unerhört Modernes.
In den 70er Jahren ließen die Stadtwerke, die Platzbedarf hatten, dann auf dem nach Westen weisenden Gebäude eine zusätzliche Etage aufsetzen. Die konnte nun schon seit Längerem nicht mehr genutzt werden, weil die Bausubstanz stark asbestbelastet war. Die Stadtwerke, die dort oben ihre Besprechungsund Konferenzräume haben wollten, mussten also neu bauen und ließen sich das gut viereinhalb Millionen kosten. In dreimonatiger Arbeit wurde zuerst das kontaminierte Material abgetragen – ein komplizierter Abbruch, diese Asbest-Entsorgung in luftiger Höhe. Auch danach wurde es nicht einfacher. Zahlreiche Fotos aus der Bauzeit illustrieren, wie Glasscheiben, Bleche und Betonteile von Kränen hinauf in den siebten Stock gehievt wurden, wie sie dort jeweils minutenlang zu schweben schienen, bevor sie ihren Platz fanden.
Auf ein Gebäude aus den 50er Jahren, das mit einem zeittypisch äußerst sparsamen Tragwerk ausgestattet ist, ein ganzes Geschoss aufzusetzen und dabei noch architektonischen Ausdruck zu erzielen, erfordert einige statisch-konstruktive Denkleistung. Kreutzer löste das Problem dadurch, dass sie die vorhandenen Ablast-Stützen mit einem kombinierte. Die Fassade, die nur von zwei Alu-Streifen oben und unten scheinbar „gehalten“wird, erhält damit eine horizontale Struktur. Ein „Sandwich“, sagt die Architektin, habe sie auf das Gebäude oben draufgelegt. Dessen Füllung, also das, was zwischen den zwei Brotscheiben liegt, ist im Fall dieses Neubaus aber nicht dick und wuchtig, sondern sehr transparent und zurückhaltend geworden – man sieht von außen nur spiegelnde Glasscheiben.
Dafür ist der optische Eindruck im Inneren umso gewaltiger. Die sechs unterschiedlich großen Räume mit ihren gläsernen Wänden offerieren nämlich einen atemberaubenden Blick auf die Dächer der Stadt – hier auf die Domtürme, dort auf die pittoreske Kombination von Perlachturm und Rathaus, dazwischen auf eine abwechslungsreiche DachlandZickzack-Raster schaft aus Ziegel und Kupfer, und dann natürlich noch den Ausblick in Himmel und Wolken. Es würde nicht verwundern, wenn die Stadtwerke-Mitarbeiter und ihre Gäste neuerdings große Lust zum Konferieren und Besprechen hätten.
Die Räume verteilen sich gleichsam in einer lockeren, ungezwungenen Anordnung in der Etage. Im Inneren liegen drei Zimmer in einer quasi elliptischen Glaskanzel, darum herum die drei weiteren Räume und die Verkehrs- und Begegnungszonen. Die vor- und zurückschwingenden Wände, der Wechsel des Lichts, von Enge und Weite, von Zueinanderkommen und Auseinanderstreben vermitteln einen bewegten, dynamischen Eindruck, und der verweist sowohl auf ein Stilelement der 50er-Jahre-Architektur wie auch auf das, was die Stadtwerke ja in ihrem Geschäftsbereich betreiben – Wasser, Licht und Mobilität, alles Dinge mit Bewegung. Eine schöne Form der Corporate Identity.
Selbstredend steckt in diesen Räumen jede Menge ausgeklügelter Technik – die Kühlung über Schwerkraft, die Raumlüftung über eine Quellluftsystem mit Wärmerückgewinnung, und selbstredend ist davon nichts zu sehen, alle Technik ist hinter Wänden und auf dem Dach versteckt. Nur die Beleuchtung ist sichtbar: Lichtlamellen an der Decke, die die Tragstruktur abbilden. Das war’s. Firmenlogo oder Kunst an den Wänden fehlen in der von Kreutzers Partner Raimund Oswald konzipierten Innenausstattung. Das braucht es auch nicht, denn Architektur und Ausblick sprechen für sich.