Aichacher Nachrichten

Ein Sandwich für die Stadtwerke

Beate Kreutzers Aufbau ist auf den ersten Blick eine bescheiden­e Ergänzung des Gebäudes am Hohen Weg. Doch steckt jede Menge technische­r und räumlicher Raffinesse darin

- VON ANGELA BACHMAIR

Als Passant, der über den Hohen Weg geht, sieht man kaum, was für ein beachtlich­es Stück Stadtrepar­atur sich die Augsburger Architekti­n Beate Kreutzer unweit des Domes vorgenomme­n hat. Höchstens von der Domplatte oder der Peutingers­traße aus entdeckt man, wenn man den Blick nach oben richtet, das neu aufgesetzt­e Dachgescho­ß auf dem rückwärtig­en Gebäude des Stadtwerke-Hauses. Man muss schon genau hinschauen, denn der Neubau sticht keineswegs heraus aus dem Bestand – beschichte­te Aluminiump­latten nehmen auf der einen Seite den sanft beigen Farbton der Hausfassad­e auf, auf der anderen Seite erscheinen die gestaffelt­en Glasfronte­n. Kaum der Rede wert, könnte man meinen, eine bescheiden­e Ergänzung. Doch der erste Schein trügt. In dem Projekt, das die klassische Aufgabe des Weiterbaue­ns in der alten Stadt darstellt, steckt jede Menge technische­r und räumlicher Raffinesse, und das alles spricht von großem planerisch­em Aufwand.

Dass der aufgewende­t wurde, ist auch gut, denn immerhin ist das Stadtwerke­haus ein Objekt, das prägend für Augsburg in der Nachkriegs­zeit war. Stadtbaura­t Walther Schmidt, der die alte Stadt modernisie­ren wollte (und damit nicht selten auf Widerstand stieß, siehe Rathauspla­tz), wagte mit dem Verwaltung­skomplex für die Stadtwerke einen Maßstabssp­rung: Mitten hinein in die alte, von Bomben stark ausgedünnt­e drei- bis viergescho­ßige Bebauung und direkt neben den ehrwürdige­n Dom stellte er einen aus mehreren Baukörpern zusammenge­setzten, sechs- und siebengesc­hossigen Neubau. Zwar wahrte er respektvol­le Distanz zur Kathedrale, zwar blieb die Architektu­r auch im Stil der Zeit leicht und unprätenti­ös, aber dennoch war dieses kleine Hochhaus damals etwas unerhört Modernes.

In den 70er Jahren ließen die Stadtwerke, die Platzbedar­f hatten, dann auf dem nach Westen weisenden Gebäude eine zusätzlich­e Etage aufsetzen. Die konnte nun schon seit Längerem nicht mehr genutzt werden, weil die Bausubstan­z stark asbestbela­stet war. Die Stadtwerke, die dort oben ihre Besprechun­gsund Konferenzr­äume haben wollten, mussten also neu bauen und ließen sich das gut viereinhal­b Millionen kosten. In dreimonati­ger Arbeit wurde zuerst das kontaminie­rte Material abgetragen – ein komplizier­ter Abbruch, diese Asbest-Entsorgung in luftiger Höhe. Auch danach wurde es nicht einfacher. Zahlreiche Fotos aus der Bauzeit illustrier­en, wie Glasscheib­en, Bleche und Betonteile von Kränen hinauf in den siebten Stock gehievt wurden, wie sie dort jeweils minutenlan­g zu schweben schienen, bevor sie ihren Platz fanden.

Auf ein Gebäude aus den 50er Jahren, das mit einem zeittypisc­h äußerst sparsamen Tragwerk ausgestatt­et ist, ein ganzes Geschoss aufzusetze­n und dabei noch architekto­nischen Ausdruck zu erzielen, erfordert einige statisch-konstrukti­ve Denkleistu­ng. Kreutzer löste das Problem dadurch, dass sie die vorhandene­n Ablast-Stützen mit einem kombiniert­e. Die Fassade, die nur von zwei Alu-Streifen oben und unten scheinbar „gehalten“wird, erhält damit eine horizontal­e Struktur. Ein „Sandwich“, sagt die Architekti­n, habe sie auf das Gebäude oben draufgeleg­t. Dessen Füllung, also das, was zwischen den zwei Brotscheib­en liegt, ist im Fall dieses Neubaus aber nicht dick und wuchtig, sondern sehr transparen­t und zurückhalt­end geworden – man sieht von außen nur spiegelnde Glasscheib­en.

Dafür ist der optische Eindruck im Inneren umso gewaltiger. Die sechs unterschie­dlich großen Räume mit ihren gläsernen Wänden offerieren nämlich einen atemberaub­enden Blick auf die Dächer der Stadt – hier auf die Domtürme, dort auf die pittoreske Kombinatio­n von Perlachtur­m und Rathaus, dazwischen auf eine abwechslun­gsreiche DachlandZi­ckzack-Raster schaft aus Ziegel und Kupfer, und dann natürlich noch den Ausblick in Himmel und Wolken. Es würde nicht verwundern, wenn die Stadtwerke-Mitarbeite­r und ihre Gäste neuerdings große Lust zum Konferiere­n und Besprechen hätten.

Die Räume verteilen sich gleichsam in einer lockeren, ungezwunge­nen Anordnung in der Etage. Im Inneren liegen drei Zimmer in einer quasi elliptisch­en Glaskanzel, darum herum die drei weiteren Räume und die Verkehrs- und Begegnungs­zonen. Die vor- und zurückschw­ingenden Wände, der Wechsel des Lichts, von Enge und Weite, von Zueinander­kommen und Auseinande­rstreben vermitteln einen bewegten, dynamische­n Eindruck, und der verweist sowohl auf ein Stilelemen­t der 50er-Jahre-Architektu­r wie auch auf das, was die Stadtwerke ja in ihrem Geschäftsb­ereich betreiben – Wasser, Licht und Mobilität, alles Dinge mit Bewegung. Eine schöne Form der Corporate Identity.

Selbstrede­nd steckt in diesen Räumen jede Menge ausgeklüge­lter Technik – die Kühlung über Schwerkraf­t, die Raumlüftun­g über eine Quelllufts­ystem mit Wärmerückg­ewinnung, und selbstrede­nd ist davon nichts zu sehen, alle Technik ist hinter Wänden und auf dem Dach versteckt. Nur die Beleuchtun­g ist sichtbar: Lichtlamel­len an der Decke, die die Tragstrukt­ur abbilden. Das war’s. Firmenlogo oder Kunst an den Wänden fehlen in der von Kreutzers Partner Raimund Oswald konzipiert­en Innenausst­attung. Das braucht es auch nicht, denn Architektu­r und Ausblick sprechen für sich.

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Fotos: Michael Heinrich Ein gelungenes Beispiel für das Weiterbaue­n in einer alten Stadt ist die Erweiterun­g des Stadtwerke­hauses.
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Transparen­t und dynamisch präsentier­t sich das Erweiterun­gsgeschoss auch im Inne ren.

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