Aichacher Nachrichten

Chefarzt Tressel wird zum Entertaine­r

Dr. Wolfgang Tressel war Chefarzt der Altersheil­kunde der Hessingkli­nik. Und man kennt ihn als klassische­n Musiker. Am 7. Januar wird er im Spectrum sein Programm „Moderne Medizyn“zeigen

- VON LILO MURR

Was treibt einen gesetzten Mann, Mitte 60, der viele Jahre Chefarzt in der Hessingkli­nik war, ins gleißende Licht eines Klubs? Dr. Wolfgang Tressel sagt: „Ich bin eine Rampensau“und ergänzt: zumindest seine Frau behaupte das immer wieder. Das ist schwer vorstellba­r, wenn man sich mit dem Augsburger abseits der Bühne trifft. Er ist aufmerksam, zurückhalt­end, wartet Fragen ab und antwortet immer präzise. Eine Rampensau stellt man sich anders vor.

Das könnte falsch sein, denn zumindest in der seriösen Sparte Klassik war und ist Tressel eine feste Bank auf den Bühnen Deutschlan­ds. Im Jahr 1984 gründete er mit Kollegen das Augsburger Ärzteorche­ster, bis heute ist er deren Konzertmei­ster. Das kommt nicht von ungefähr, dahinter steckt eine solide Ausbildung. So studierte der 66-Jährige am Augsburger Leopold-MozartKons­ervatorium Violine und Klavier. Lange Zeit sah er sich als Berufsmusi­ker.

Doch dann entschied er sich für ein Studium der Mathematik, um ein Jahr später an der Uni München zur Medizin zu wechseln. Die Musik blieb aber eine große Leidenscha­ft – und Finanzier der Ausbildung. „Wir spielten als Royal Bavarian Quartett Musik in Wirtschaft­en und auf Hochzeiten, deshalb musste ich in den Semesterfe­rien nie arbeiten.“Er fuhr lieber mit Freunden im umgebauten Paketauto von Augsburg in den Iran, nach Sri Lanka, Peru, Afghanista­n und überall dorthin, wo das Leben billig und interessan­t war. „Andere Kulturen versteht man nur, wenn man sie vor Ort erlebt“, sagt Tressel.

Irgendwann war der letzte Schein „erarbeitet“und Dr. Tressel fing im Kreiskrank­enhaus Wertingen als Chirurg an. „60 bis 80 Stunden pro Woche waren in dem 170-BettenHaus normal“. Die Musik hatte Pause. Auch bei der Bundeswehr in Braunschwe­ig, dort drehte der Arzt allerdings überwiegen­d Däumchen. Danach belohnte er sich mit einem viermonati­gen Urlaub in Nordamerik­a und Mexiko. Im Death Valley in den USA bekam er 1982 den Anruf, dass er in der Hessingkli­nik als Arzt anfangen könne, um seinen Facharzt in Orthopädie zu machen.

Dort erhielt er, nachdem der Staat der Meinung war, dass die Geriatrie sträflich vernachläs­sigt wurde und man schnell einige Häu- ser für die Betreuung betagter Menschen errichten musste, seinen interessan­testen Titel. Er wurde „ständig anwesender stellvertr­etender Sachpreisr­ichter“beim Architekte­nwettbewer­b. Im Jahr 1997 wurde das Haus in Betrieb genommen, das noch heute als Klinik für geriatrisc­he Rehabilita­tion die Altersheil­kunde im Blick hat. Dr. Tressel wurde Chefarzt.

Doch die Musik ließ ihn nicht los, vor allem die Lieder von Georg Kreisler haben ihn ein Leben lang begleitet. Mit Eva Maria Keller und Rita Marx entwickelt­e er zudem für das Theater Augsburg das Stück „Die Wandernier­e“, in den frivolen Sommernäch­ten zugunsten der Augsburger Aidshilfe war er immer der einfühlsam­e Mann am Klavier. Und jetzt will der 66-Jährige mit seinem Programm „Moderne Medizyn“die Bühne des Spectrum, auf denen meist Rockgruppe­n wie Pretty Maids oder Albert Hammond agieren, erobern.

Wieder ist er der Mann am Klavier, aber auch Sänger und Entertaine­r. Lampenfieb­er kennt er nicht. Zumal er mit seinem Programm bereits auf vielen Ärztekongr­essen in ganz Europa und auf privaten Feiern zu hören war und immer viel Applaus bekam. Da er kein Geld damit verdienen muss, sieht er den Einnahmen des Abends mit den „verschreib­ungspflich­tigen Chansons, rezeptiert von Doc Tressel“gelassen entgegen.

Sollte es Beifallsst­ürme und Zugabe-Rufe geben, dürfte es eine Wiederholu­ng geben. Wenn nicht, will er mit seiner Ehefrau die Seidenstra­ße erkunden.

Termin Zu hören ist „Moderne Medi zyn mit verschreib­ungspflich­tigen Chansons“vom Doc am Sonntag, 7. Janu ar, 20 Uhr, im Spectrum, Ulmer Straße. Karten unter www.spectrum club.de.

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Foto: Silvio Wyszengrad Dr. Wolfgang Tressel studierte Violine und Klavier. Dann wurde er Mediziner. Nun startet er als Entertaine­r im Spectrum.

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