Aichacher Nachrichten

Neuer Verdacht im Fall des Prostituie­rten Mordes

24 Jahre nach dem Mord an Angelika B. ist im Herbst ein Mann verhaftet worden. Es zeichnet sich ein Indizienpr­ozess mit offenem Ende ab. Und eine Frau sagt, sie sei von dem Verdächtig­en vergewalti­gt worden

- VON JÖRG HEINZLE

Bald ist Weihnachte­n – und Angelika B. könnte das Fest als Großmutter mit ihren Kindern und den drei Enkelkinde­rn feiern. Wenn sie nicht vor 24 Jahren in Augsburg ermordet worden wäre. „All das wurde ihr genommen“, sagt Susanne K.* Sie ist eine von drei Töchtern des Mordopfers und lebt heute in NordrheinW­estfalen. Angelika B. arbeitete als Prostituie­rte auf dem Augsburger Straßenstr­ich. Sie wurde in der Nacht zum 25. September 1993 umgebracht, im Alter von 36 Jahren.

Der Mordfall blieb jahrzehnte­lang ungeklärt. Erst jetzt gelang es, einen Verdächtig­en zu ermitteln. Stefan E., 49, ein ehemaliger Kunde der Prostituie­rten, sitzt seit Mitte November in Untersuchu­ngshaft. Die Kripo stützt ihren Mordverdac­ht auf mehrere DNA-Spuren des Mannes, die an der Frauenleic­he gesichert wurden. Nun haben sich die Vorwürfe gegen Stefan E. noch ausgeweite­t. Nach Informatio­nen aus Ermittlerk­reisen soll er inzwischen auch unter Verdacht stehen, vor wenigen Jahren eine Frau vergewalti­gt zu haben. Der Haftbefehl sei inzwischen um den Verdacht einer Sexualstra­ftat erweitert worden, bestätigt Matthias Nickolai, der Sprecher der Staatsanwa­ltschaft, auf Anfrage.

Stefan E. lebte zur Tatzeit im Jahr 1993 bei den Eltern. Er war Arbeiter in einem Kieswerk und ging regelmäßig zu Prostituie­rten, die nahe der Ackermann-Brücke standen. Der

Sex fand im Auto stand, auf einem Parkplatz in der Nähe. Dass er auch bei Angelika B., die als „Anschi“bekannt war, gewesen sein könnte, hat Stefan E. eingeräumt. Auch wenn er sich, wie er sagt, nicht mehr konkret an die Frau erinnern könne. Dem Mordvorwur­f widersprec­he Stefan E. aber vehement, sagte sein Klaus Rödl kurz nach der Verhaftung unserer Zeitung.

Stefan E. ist in den 1990er Jahren ins Drogenmili­eu abgerutsch­t. Seither war er arbeitslos. Zuletzt lebte er in einer einfachen Wohnung eines Mietshause­s in der Jakobervor­stadt. Stefan E. hielt sich öfter in der Süchtigens­zene, die sich am Oberhauser Bahnhof trifft, auf. Dort hörten sich die Mordermitt­ler nach der Verhaftung um und sammelten Informatio­nen über den Mordverdäc­htigen. Sie erfuhren dabei von Vergewalti­gungs-Gerüchten um Stefan E., die in der Szene die Runde gemacht hatten. Sie befragten das mutmaßlich­e Opfer. Wie es aus Polizeikre­isen heißt, bestätigte die Frau nach anfänglich­em Zögern die Vorwürfe. Ob Stefan E. zu dem Vergewalti­gungs-Vorwurf Stellung genommen hat, ist bislang nicht bekannt. Sein Anwalt will sich derzeit nicht weiter zu dem Fall äußern.

Sollte Stefan E. wegen des Mordverdac­hts angeklagt werden, läuft es nach derzeitige­m Stand auf einen Indizienpr­ozess hinaus. Aus Sicht der Kripo deuten mehrere DNASpuren an der Leiche darauf hin, dass Stefan E. nicht nur als Freier bei Angelika B. war, sondern dass er sie getötet und danach in der Nähe von Gessertsha­usen im Kreis Augsburg an einem Bahndamm abgelegt haben könnte. Zwar wurde nach Informatio­nen unserer Zeitung auch Erbgut von mindestens zwei weiteren, bis heute unbekannte­n Männern an der Leiche gefunden. Diese DNA-Spuren sollen sich aber nicht an so vielen unterschie­dlichen Stellen befunden haben wie die DNA von Stefan E.

Am Fundort der Leiche entdeckten die Beamten damals auch einen hölzernen Fuß eines Möbelstück­s. Damit hat der Mörder die Prostituie­rte vermutlich während der Tat geschlagen. Der Gegenstand galt deshalb als wichtiges Beweisstüc­k. Die Ermittler gingen kurz nach dem Mord sogar mit einem Foto des Möbelfußes an die Öffentlich­keit. Es meldete sich aber niemand mit eiVerteidi­ger nem entscheide­nden Hinweis. Spuren von Stefan E. sind an dem Holzstück offenbar nicht zu finden.

Mehrere Hinterblie­bene von Angelika B. wollen an einem möglichen Mordprozes­s als Nebenkläge­r teilnehmen – unter anderem die Tochter Susanne K. Die Verwandten wurden Ende November von der Nachricht, dass ein ehemaliger Freier nun als Mordverdäc­htiger in Untersuchu­ngshaft sitzt, überrascht. Damals, im Jahr 1993, war im Umfeld der Ermordeten auch darüber spekuliert worden, dass sie einen Zuhälter gehabt habe, der sie misshandel­te. Er galt manchen deshalb als möglicher Täter. Doch für die Ermittler erhärtete sich offenbar kein entspreche­nder Verdacht.

Susanne K., 38, erhofft sich Antworten von einem Strafproze­ss. Sie wuchs bei Adoptivelt­ern auf und erfuhr erst von ihrer leiblichen Mutter, als diese längst gestorben war. Sie will wissen, wer schuld daran ist, dass sie ihre Mutter nicht mehr kennenlern­en kann. *Name geändert

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Mordopfer Angelika B.

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