Der Trend geht zur Keule
Spanier verstehen sich auf leckere Riesenschinken. Wie Deutsche sich davon eine Scheibe abschneiden wollen
Madrid/Berlin Wer sich einmal den spanischen Edelschinken „Jamón Ibérico de Bellota“auf der Zunge zergehen ließ, für den gibt es oft kein Zurück mehr. Die Delikatesse stammt von besonderen Tieren, sogenannten Schwarzfuß-Schweinen, die vor allem in den Regionen Andalusien und Extremadura halbwild in Eichelhainen gehalten werden – und in den letzten Monaten ihres Lebens auf eine strenge Diät aus Eicheln gesetzt werden.
Besonders in der Weihnachtszeit wird iberischer Schinken gerne an Familie und Freunde verschenkt – und längst nicht mehr nur in Spanien. Ganze Keulen samt Halterung und Spezialmesser gehen auch in Deutschland über die Ladentheken. Matthias Quaing von der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands beobachtet in Supermärkten und Feinkostabteilungen einen Trend zum edlen Schinken. Ob Serrano oder Ibérico, französischer Jambon de Bayonne oder italienischer Parma und San Daniele. Die Preise reichten von drei bis sechs Euro pro 100 Gramm, sagt Quaing. Der Bellota ist noch teurer.
Zu Weihnachten sehe man auch in Deutschland vermehrt Schinkenbeine, sagt Quaing. Die Händler versuchen gerne, den Riesenschinken als Erlebnis zu verkaufen. „Stellen Sie sich vor“, wirbt zum Beispiel ein Online-Anbieter. Und dann soll man sich vorstellen, Gäste mit einem Schinken zu überraschen. „Dann holen Sie Ihr dazugehöriges Schinkenschwert heraus und schneiden damit vor den Augen Ihrer Bewunderer hauchdünne Scheiben dieser Köstlichkeit.“
Auch in Berlin liegen große Schinken in Delikatessenabteilungen, so etwa in einer Niederlassung des französischen Edelkaufhauses Galeries Lafayette. Vor Weihnachten stapeln sich hier Geschenkboxen. Mit einem Schinkenstück – „Serrano“, ein Kilogramm schwer, samt Messer. Für 47,90 Euro. Auch die Supermarktketten Rewe und Penny wollen Schinkenbeine zu den Feiertagen als Aktionsware anbieten. Für Bellota allerdings müssen Kunden noch mehr zahlen als für andere Sorten – und die Preise könnten noch steigen. Ein Blick in die Auslagen der gerade bei Touristen beliebten Schinkenkette „Museo del Jamón“in Madrid verrät: 150 Gramm hoch- wertiger Bellota aus der Extremadura kosten vor den Festtagen stolze 27,90 Euro. Der Unternehmer Enrique Tomás, der weltweit dutzende Schinkenläden unterhält, sagt in den kommenden vier Jahren eine Verdopplung des Preises voraus – und das, obwohl Ware genug vorhanden sein sollte. Einen Engpass beim Edelschinken gibt es nach Einschätzung deutscher Händler und Marktbeobachter aber allgemein nicht. Bei Schinkenbeinen sähen sie generell „keine Knappheit“, sagt ein ReweKonzernsprecher. In einigen Märkten werde auch Frischfleisch vom Ibérico-Schwein verkauft, ebenfalls ohne „Beschaffungsprobleme“.
Auch Matthias Kohlmüller gibt Entwarnung beim Schwein. Er beobachtet für die Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) die Fleischwirtschaft. Tatsächlich habe China eine Weile viel Schweinefleisch importiert, das sei allerdings 2016 gewesen, sagt Kohlmüller. Damals seien in China mehrere Betriebe wegen Umweltverstößen geschlossen worden, es sei daher weniger Fleisch produziert und mehr aus Europa aufgekauft worden. „Das hat sich dieses Jahr komplett gewendet.“Es habe auch zu keinem Zeitpunkt ein Schinkenengpass gedroht, sagt Kohlmüller. „Es gibt genug.“
Chinesen hätten generell weniger Interesse an edlen Teilen, sondern importierten eher Ohren, Pfoten und Innereien. Wer etwas über Schinken lernen will, meint er, müsse auch nach Italien schauen. Das Land sei der „Dreh- und Angelpunkt“von Europas Schinkenproduktion. Denn viele Schlachtbetriebe auch aus Deutschland lieferten rohes Fleisch dorthin. Der Schinken wird dort geräuchert und über Monate gereift – und danach teurer verkauft.