Im Kindergarten ist Weihnachten für alle da
Die Kita Lützowstraße in Lechhausen besuchen Buben und Mädchen mit unterschiedlicher Religion und Herkunft. Sie bereiten sich seit Wochen auf das Fest vor, obwohl es in vielen Augsburger Haushalten keine Rolle spielt
Der Nikolaus hat Halenur, 4 Jahre, ein Geschenk gebracht. Das kleine Mädchen mit türkischen Wurzeln erzählt es freudestrahlend. Schokolade und Mandarinen waren in dem kleinen Säckchen, berichtet sie. Einen Weihnachtsbaum habe sie auch schon im Kindergarten gebastelt. Wenn Halenur nach Hause geht, ist es mit dem weihnachtlichen Flair vorbei. Keine Dekoration, kein Adventskranz, kein Christbaum. Der Großteil der Augsburger mit türkischen Wurzeln sind Muslime – sie feiern das Weihnachtsfest nicht.
45 Kinder besuchen den Kindergarten in der Lützowstraße in Lechhausen. In der städtischen Einrichtung sind Kinder, die mit dem christlichen Glauben aufwachsen, Kinder mit muslimischem oder russisch-orthodoxem Hintergrund, aber auch Buben und Mädchen, deren Eltern gar keinen Glauben leben und ihre Kinder dementsprechend erziehen. Für Kindergartenleiterin Claudia Wißler-Scheel macht das keinen Unterschied. Für sie ist der Kindergarten eine Bildungseinrich- tung – ihr Team vermittelt den Buben und Mädchen, was im Dezember ganz Deutschland in Atem hält: Weihnachten. „Das ist unser Kulturkreis. In Deutschland wird nun einmal Weihnachten gefeiert. Das ist aber auch für alle Eltern in Ordnung“, sagt sie.
Aktuell sind 41 Prozent der Augsburger Bevölkerung katholisch, 14,9 Prozent evangelisch. Den größten Anteil stellen in Augsburg inzwischen Atheisten und Andersgläubige: 44,1 Prozent sind es insgesamt. Das Zusammenleben der verschiedenen Religionen empfindet die Kindergartenleiterin als entspannt: Die Zeiten, in denen etwa die türkischen Kinder zu Hause blieben, wenn der Nikolaus kam oder eine Weihnachtsfeier auf dem Programm stand, sind lange vorbei. „Das war vor zehn Jahren so. Die Zeiten haben sich geändert.“Das Kindergarten-Team versuche schließlich auch nicht, jemanden zu bekehren. „Aber es sollen schon alle wissen, dass an Weihnachten Christi Geburt gefeiert wird und an Ostern nicht nur der Osterhase durch den Garten hoppelt.“
5, weiß genau, was gefeiert wird. Die Weihnachtsgeschichte hat er erst am Morgen im Stuhlkreis gehört und kann sie gut wiedergeben. Das Christkind hat er auch schon gesehen beziehungsweise gehört. Denn die Bescherung hat im Kindergarten am Donnerstag stattgefunden – eine Klingel war das Zeichen, dass das Christkind da war. Julian glaubt, dass es Flügel hat. Er meint, ein Stück davon gesehen zu haben. Über die Geschenke freuen sich alle Kinder – ob christlichen Glaubens oder nicht. „Kinder machen keine Unterschiede nach Religion und Herkunft. Wer sich sympathisch ist, der spielt miteinander. Dabei müssen sie nicht einmal dieselbe Sprache sprechen.“
Für Claudia Wißler-Scheel ist ihre multikulturelle Einrichtung eine Bereicherung. Denn die Kinder erfahren nicht nur etwas über die gängigen deutschen Feiertage. „Wenn das islamische Zuckerfest ist, dann ist das auch ein Thema. Die Kinder mit türkischen Wurzeln reden dann darüber im Morgenkreis.“Sie wäre auch offen dafür, dass Eltern mit Migrationshintergrund den Kindern im Kindergarten etwas über ihre Feiertage erzählen. „Da ist das Interesse aber nicht so groß. Eine Mutter war einmal mit dem Gebetsteppich und einem Koran da und hat von ihrem Glauben erzählt.“Für die Kinder ist das spannend. In ihrem Kindergarten in Lechhausen wachsen sie ganz selbstJulian, verständlich mit Kindern unterschiedlicher Religion und Herkunft auf. Nach Angaben des Statistischen Jahrbuchs der Stadt Augsburg wohnen rund 58200 Ausländer in Augsburg. Gezählt werden dabei die Bürger, deren erste Staatsangehörigkeit im Ausland liegt. Der Großteil stammt statistisch gesehen aus Europa (47500 Personen). Dazu zählen auch Augsburger mit türkischem Pass (rund 12200). Knapp 4200 Italiener befinden sich ebenfalls darunter.
So wie Alessandro, 6, der Weihnachten mit der ganzen Familie feiern wird. „Ich feiere mit Opa, Oma, Schwester, Bruder und meinen Eltern“, zählt er auf. Er freut sich vor allem auf die darauffolgende Woche, in der der Kindergarten geschlossen ist. „Dann kann ich mit den Spielsachen, die ich geschenkt bekomme, spielen.“Julian hat sich einen Roboter-Dino gewünscht. Einer, der ohne Fernbedienung funktioniert, sondern sich bewegt, wenn man ihn am Schwanz zieht. Den Dino bringt ihm aber nicht das Christkind. „Mama hat gesagt, dass sie es bestellt hat.“Er freut sich trotzdem.