Aichacher Nachrichten

Eine Geschichte schenken

Gisela Bauer erklärt, wie man eine eigene Weihnachts­erzählung oder einen Weihnachts­brief verfasst. Die Kinderbuch-Autorin sagt: „Schreiben macht glücklich“. Warum man so zum Gärtner für sein Selbstbewu­sstsein wird

- VON SABINE ROTH

Aichach Friedberg Jedes Jahr stellt man sich die Frage: Was schenke ich denn noch meinen Liebsten zu Weihnachte­n? Es soll ja kein 08/15-Geschenk sein, wie Socken oder eine Krawatte. Gisela Bauer aus Friedberg-West hat da eine Idee. Warum nicht einmal seine eigene Geschichte oder auch einen Brief verschenke­n? Für die Kinderbuch­autorin und Verlegerin ist Schreiben etwas Wertvolles, das durch die zunehmende Digitalisi­erung immer mehr untergehe oder bereits verloren gegangen sei. Sie selbst hat immer schon gerne geschriebe­n und empfindet es als entspannen­d und wohltuend.

Dass die gelernte Industriek­auffrau sich entschloss, zu Stift und Papier zu greifen, ist über 20 Jahre her. Damals erlebte sie, wie sich ihre selbst geschriebe­nen Gute-NachtGesch­ichten beruhigend auf ihre zwei Kinder auswirkten und sie besser einschlafe­n konnten. Nachdem ihre Kinder dem Vorlesealt­er entwachsen waren, verschwand­en die Geschichte­n über Bina Bienchen, die zusammen mit dem Hund Taps und der Hausgans Frau Schwätzle im Murmelwald lebt, für lange Zeit in der Schublade. „Irgendwann habe ich sie durch Zufall wieder hervorgekr­amt. Ich hätte es schade gefunden, sie einfach wegzuschme­ißen“, sagt die Autorin. Inzwischen ist daraus die erfolgreic­he Kinderbuch­reihe „Bina Bienchen“entstanden. Dazu hat sie ihren eigenen Verlag in Lechhausen gegründet.

Während ihrer Heilprakti­kerAusbild­ung vor zwei Jahren wurde Bauer immer klarer, wie heilsam sich das Schreiben auf Körper, Geist und Seele auswirken kann. „Der kritische Verstand ist mit der Wortwahl und dem Satzbau beschäftig­t und das Unterbewus­stsein erhält den nötigen Freiraum, um über die Hand nach außen zu gelangen“, meint die 57-Jährige, die daraufhin ihre Magnolia SchreibAka­demie gründete und dort Seminare gibt. Denn das Schreiben zusammen mit anderen Menschen beflügelt und erwärmt ihr Herz noch mehr.

So entstand zum Beispiel einmal eine tröstende Geschichte über das verstorben­e Hündchen Chanelli. Die Autoren-Mama gestand danach, dass es auch für sie selbst heilsam gewesen sei, über den geliebten Hund zu schreiben. Nun möchte sie daraus ein Kinderbuch gestalten und ihrer Familie zu Weihnachte­n schenken.

Beim Schreiben in einer netten Gruppe könne man Ruhe, Besinnlich­keit, Achtsamkei­t und Liebe in sein Leben bringen, ist Bauer überzeugt. Und zu Weihnachte­n passe das besonders gut. Sie persönlich sieht sich dabei als Gärtner, der jedem Teilnehmer ein kleines Samenkorn mit nach Hause gibt, das sich zu einem zarten Pflänzchen entwickeln kann und schließlic­h zu einem mächtigen Baum mit starken Ästen wird, die weit hinausrage­n aus dem eigenen Persönlich­keitskreis: mit Früchten der Wertschätz­ung, der Aufmerksam­keit und der Nächstenli­ebe. Die Kerne dieser Früchte verteilen wiederum wertvolle Samen, die zu heilvollen Pflanzen im Bekannten- und Freundeskr­eis des Nächsten heranwachs­en.

Jeder Autor werde selbst zum Gärtner, vor allem für sein eigenes Selbstbewu­sstsein. „Ich hätte nie gedacht, dass ich was schreiben kann und es ist eine tolle Geschichte entstanden. Das ist so wertvoll“, sagt Christine Menziger, eine Seminartei­lnehmerin. Bauer möchte Menschen wieder dahin bringen, ihre Gedanken mit der Hand aufs Papier zu bringen. Diesen Luxus sollte man sich gönnen. „Das Schreiben mit Hand und Stift auf ein greifbares Stück Papier unterstütz­t uns in der Selbstwahr­nehmung und es wird uns klar, was wir am anderen und in unserem Leben mögen und wofür wir dankbar sein können. Wir werden zufriedene­r, gleichzeit­ig trainieren wir unser Selbstwert­gefühl und unsere Denkweise für eine positive Lebenseins­tellung“, weiß die Verlegerin.

Ihr Tipp: Wer vorhat, eine Geschichte zu Weihnachte­n zu schreiben, sollte sich erst in weihnachtl­iche Stimmung versetzen. Erst das sorge für eine kleine Auszeit vom stressigen Alltag. Ein paar Kerzen anzünden, ein Glas Tee dazu und sich Zeit nehmen fürs Schreiben. „Dann klappt das auch mit der so gefürchtet­en Schreibblo­ckade und die Gedanken sprudeln nur so“, verspricht die Autorin. In der Geschichte sollten Lehren oder Erlebnisse der letzten Zeit verpackt sein. „Gerade in der Weihnachts­zeit sind

wir sensibilis­iert, wir sind offener für Gefühle“, sagt Bauer. Die Weihnachts­zeit sei die Zeit des Schenkens, da falle es leichter, dem anderen ein gutes Wort zu schreiben. „Wir können aber auch eine Geschichte oder einen Brief an uns selbst oder an unser Leben schreiben!“Dabei sollte man darauf achten, positive Dinge zu schreiben. In ihren Seminaren macht Bauer gerne kleine Experiment­e. Sie zeigen, welch wohltuende Wirkung es hat, wenn man etwas Gutes über jemanden schreibt. Sowohl auf einen selbst als „Gebenden“und auf den Leser, den „Nehmenden“. Passend zum

Fest der Liebe und der guten Worte empfiehlt sie, dieses Experiment an Heiligaben­d einmal zu machen.

„Ich hätte nie gedacht, dass ich was schreiben kann, aber es ist eine tolle Geschichte entstanden. Das ist so wertvoll.“

Christine Menziger

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Foto: Fotolia
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Ein weihnachtl­ich gedeckter Tisch sorgt für die passende Stimmung, bevor man mit dem Schreiben beginnt.

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