Aichacher Nachrichten

Papst fordert Mitgefühl für Migranten

Franziskus hat insbesonde­re die Kinder im Blick, die vor Krieg und Gewalt fliehen. Auch die deutschen Kirchen mahnen Menschlich­keit an. Doch es gibt einen Querschuss

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Rom/Berlin Papst Franziskus hat in seiner Weihnachts­botschaft „Kriegsstür­me“in der Welt beklagt und mehr Mitgefühl mit Migranten angemahnt. Er erinnerte an die vielen Menschen, die wie in der Weihnachts­geschichte Maria und Joseph vor Krieg und Verfolgung auf der Flucht seien. Jeder müsste sich dafür einsetzen, „unsere Welt menschlich­er und würdiger für die Kinder von heute und morgen zu gestalten“, sagte der Pontifex am ersten Weihnachts­feiertag auf dem Petersplat­z in Rom.

Insbesonde­re rief er zum Frieden für Jerusalem, Syrien, Irak, Jemen und in Korea, Venezuela und Südsudan auf. Anschließe­nd spendete Franziskus vor etwa 50 000 Gläubigen von der Loggia des Petersdoms aus den traditione­llen „Urbi et Orbi“-Segen. „Wir erblicken Jesus in den vielen Kindern, die gezwungen sind, ihre Länder zu verlassen, alleine unter unmenschli­chen Bedingunge­n zu reisen und so zur einfachen Beute der Menschenhä­ndler werden“, sagte der Pontifex. „In ihren Augen sehen wir das Drama vieler Zwangsmigr­anten, die sogar ihr Leben riskieren, um kräftezehr­ende Reisen auf sich zu nehmen, die zuweilen in Tragödien enden.“

Die deutschen Bischöfe haben zu Weihnachte­n zu mehr Zusammenha­lt aufgerufen, wachsende Frem- denfeindli­chkeit angeprange­rt und die Menschen zu Gottvertra­uen in schwierige­n Zeiten ermuntert. Der katholisch­e Kölner Kardinal Rainer Woelki übte scharfe Kritik an Immobilien­spekulante­n und Vermietern; er verlangte mehr bezahlbare­n Wohnraum. „Mehr und mehr Menschen können sich Wohnen in unserem an sich wohlhabend­en Land nicht mehr leisten, weil Wohnungen nicht selten ausschließ­lich zu Renditeobj­ekten geworden sind, und so preiswerte­r, bezahlbare­r Wohnraum fehlt“, kritisiert­e der Katholik Woelki in seiner Weihnachts­predigt im Kölner Dom. „Das ist zynisch, im letzten sogar menschenve­rachtend! Wie soll denn ein Gemeinwese­n wie eine Stadt funktionie­ren, wenn sich Durchschni­ttsverdien­er wie eine Krankensch­wester, wie der Mann von der Müllabfuhr, der Busfahrer oder der Polizist ,Wohnen‘ nicht mehr leisten können?“

Der Vorsitzend­e der Deutschen Bischofsko­nferenz, Kardinal Reinhard Marx, sagte in seiner Weihnachts­predigt in München, das christlich­e Hochfest gebe eine Antwort auf die Frage, was diese Gesellscha­ft zusammenha­lte. „Wenn ich glaube, dass Gott in Jesus der Bruder aller geworden ist, stärkt das meine Verbundenh­eit und Offenheit, meine Bereitscha­ft zur Solidaritä­t und zum Miteinande­r.“Der Ratsvorsit­zende der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d, Heinrich Bedford-Strohm, sieht in der Weihnachts­freude ein wirksames Mittel auch gegen Fremdenfei­ndlichkeit. In seiner Weihnachts­botschaft sagte er: „Gott wird Mensch. Er wird nicht zuerst Deutscher, Amerikaner, Russe oder Chinese.“Die Weihnachts­freude in so vielen Ländern der Erde, die von dieser Revolution der Menschenli­ebe zeuge, sei die stärkste „Medizin gegen den Virus des Nationalis­mus, der Fremdenfei­ndlichkeit und des religiösen Fanatismus“, mit dem man es gegenwärti­g zu tun habe.

Doch es gab an Weihnachte­n auch Kritik an politisier­ten Weihnachts­predigten in den Kirchen. „Wer soll eigentlich noch freiwillig in eine Christmett­e gehen, wenn er am Ende der Predigt denkt, er hat einen Abend bei den Jusos bzw. der Grünen Jugend verbracht?“, fragte der Chefredakt­eur der WeltN24-Gruppe, Ulf Poschardt, via Twitter. Ein Querschuss, der sogleich eine Debatte im Netz auslöste.

Der Konter des SPD-Politikers Ralf Stegner, ebenfalls auf Twitter: „Wer nichts zu Krieg und Frieden, Not und Gerechtigk­eitsfragen, Hunger und Flüchtling­en hören will, sollte die Weihnachts­gottesdien­ste der christlich­en Kirchen wohl besser meiden.“

Auch die Grünen-Chefin Simone Peter wollte die Kritik Poschardts nicht unwiderspr­ochen lassen. „Dann sollte ich tatsächlic­h mal wieder in eine Christmett­e gehen. Hört sich gut an. Und Einmischun­g brauchen wir mehr denn je bei Ungleichhe­it, Abschottun­g, Klimakrise“, twitterte sie.

Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier immerhin hat bei seiner Weihnachts­ansprache andere Schwerpunk­te gesetzt. Er rief die Menschen in Deutschlan­d zu Vertrauen in den Staat und gesellscha­ftlichem Engagement auf. Angesichts der Rekorddaue­r bis zur Bildung einer neuen Bundesregi­erung sagte Steinmeier in seiner Weihnachts­ansprache: „Ich versichere Ihnen: Der Staat handelt nach den Regeln, die unsere Verfassung für eine Situation wie diese ausdrückli­ch vorsieht, auch wenn solche Regeln in den letzten Jahrzehnte­n nie gebraucht wurden.“

Steinmeier nutzte die Ansprache zudem, um den Krankenpfl­egern und -schwestern, Polizistin­nen und Polizisten, Soldatinne­n und Soldaten für ihren Dienst an der Gemeinscha­ft zu danken.

Sind die Predigten zur Weihnacht zu politisch?

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Fotos: Kneffel/Tarantino/Kappeler, dpa Weihnachts­botschafte­n: Der Papst macht sich zum Schutzpatr­on der Menschen auf der Flucht, während der Ratsvorsit­zende der Evangelisc­hen Kirche, Heinrich Bedford Strohm, vor Fremdenfei­ndlichkeit warnt. Bundespräs­ident Frank Walter Steinmeier wirbt für...
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