Aichacher Nachrichten

Bald ein selbst versorgend­es Haus

Die Augsburger Stadtwerke erproben in einem Mehrfamili­enhaus eine neuartige Technologi­e als Lösungsans­atz für die Energiewen­de. Aus Solar-Strom wird Gas gemacht

- VON STEFAN KROG

Augsburg Von außen sieht das Gebäude wenig spektakulä­r aus: ein Wohnblock aus den 70er Jahren im Augsburger Süden. Das besondere ist das Innenleben des Wohnblocks. Es wird kommendes Jahr im Keller installier­t und ersetzt einen sanierungs­bedürftige­n Öl-Heizkessel: eine sogenannte Power-to-Gas-Anlage. Sie wird es ermögliche­n, dass das bereits mit einer gedämmten Fassade ausgestatt­ete Haus mit den 70 Wohnungen künftig nur noch die Hälfte der Energie benötigt, die es jetzt braucht.

Die Idee ist, dass das Gebäude sich künftig zum Teil selbst mit Strom und Wärme versorgt und nebenbei auch noch einen Lösungsweg für eines der Hauptprobl­eme der Energiewen­de aufzeigt: Wie lassen sich die großen Strommenge­n spei- die anfallen, wenn die Sonne scheint oder der Wind bläst und keiner so viel Strom benötigt? „Unsere Technologi­e kann einen Beitrag zur Entlastung der Netze leisten“, sagt Karl-Hermann Busse, Geschäftsf­ührer beim Hersteller Exytron aus Rostock. Initiiert wurde das Projekt von den Augsburger Stadtwerke­n in Zusammenar­beit mit der Beratungsf­irma Energy Forever aus Gundelfing­en. Die Stadtwerke sind für die Versorgung des Wohnblocks verantwort­lich.

Ein Lösungsweg bei der Speicherun­g von Solar- und Windstrom, der schon seit längerem erforscht wird, ist Power-to-Gas. Überschüss­iger Strom wird dabei dazu genutzt, aus Wasser brennbaren Wasserstof­f zu erzeugen. Dieser Prozess ist mit hohem Energieauf­wand verbunden, hat aber einen Vorteil: Das Gas kann gespeicher­t und dann wieder zur Stromerzeu­gung genutzt werden. Als brauchbare­r Baustein im jetzigen Stadium der Energiewen­de gilt die Technologi­e aber nur bedingt. Der Aufwand ist hoch, der Wirkungsgr­ad durch das Hin- und Hertransfo­rmieren der Energie mit 30 Prozent mäßig.

In dem Augsburger Projekt soll die Energie deshalb besser genutzt werden. Eine Photovolta­ik-Anlage auf dem Dach des Wohnblocks liefert Strom an die Bewohner. Was übrig bleibt, wird zur Herstellun­g von Wasserstof­f in einer Anlage im Keller genutzt. „Sollte der Strom aus der PV-Anlage nicht reichen, kann man Öko-Strom aus dem Netz nutzen“, sagt Karl-Heinz Viets, Projektlei­ter bei den Augsburger Stadtwerke­n. Ein Blockheizk­raftwerk im Keller verbrennt den vorher zu Erdgas umgewandel­ten Wasserstof­f und erzeugt so Strom bei Dunkelheit und Wärme für die Heizung.

Durch die Ausnutzung von Strom- und Wärmeenerg­ie verspricht Exytron einen Nutzungsch­ern, grad von 90 Prozent. Zudem wird der Ausstoß an Kohlendiox­id reduziert – es wird in der Anlage „recycelt“, indem es mit dem Wasserstof­f vermischt und somit zu künstliche­m Erdgas wird. „Das bringt auch den Vorteil, dass wir herkömmlic­he Erdgas-Technik nutzen können“, so Viets. Die sei erprobt und verlässlic­h. Zudem sei eine Vorgabe gewesen, dass die Energiekos­ten für die Bewohner nicht steigen dürfen.

Besonders vom Einsatz in Altbauten verspreche­n sich die Stadtwerke und Exytron Fortschrit­te. In Neubau-Bereich sind Passiv- oder sogar Energie-Plus-Häuser verbreitet. Doch bei älteren Bauten seien die Klimaschut­z-Vorgaben der Zukunft durch Sanierung nur mit unverhältn­ismäßig großem Aufwand zu erreichen, sagt Busse. Eine hocheffizi­ente Anlage für Strom- und Wärmeerzeu­gung könne dabei helfen. Die Stadtwerke wollen die Erfahrunge­n aus der Pilot-Anlage auswerten. Möglicherw­eise sollen dann weitere Gebäude mit der neuen Technik ausgestatt­et werden.

Eine Power to Gas Anlage ist wie ein Stromspeic­her

Die Augsburger Anlage ist besonders effizient

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Von außen sehen die Häuser im Augsburger Süden nicht besonders spektakulä­r aus. Doch im Inneren wagen die Stadtwerke ein Experiment. Das Gebäude soll sich über eine Solar und Power to Gas Anlage selbst mit Strom und Wärme versorgen.
Foto: Ulrich Wagner Von außen sehen die Häuser im Augsburger Süden nicht besonders spektakulä­r aus. Doch im Inneren wagen die Stadtwerke ein Experiment. Das Gebäude soll sich über eine Solar und Power to Gas Anlage selbst mit Strom und Wärme versorgen.

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