Aichacher Nachrichten

Weihnachts­essen im Kloster

Bei der „Armenspeis­ung“in Maria Stern geht es den Gästen nicht nur darum, ein gutes Mittagesse­n umsonst zu bekommen. Sie suchen auch Gesellscha­ft

- VON STEFANIE SCHOENE

Das Eis ist dick an diesem zweiten Weihnachts­feiertag. Zwischen „wir hier unten“und „den anderen“liegt ein tiefer Graben. Bei der Armenspeis­ung im Kloster Maria Stern ist die „Lady“von der Zeitung eindeutig von der „anderen“Seite. Heute werden die 18 Gäste hier beobachtet, gefragt, angeguckt. Das gefällt nicht jedem. Mit leichtem Zorn in der Stimme sagt einer: „Soso, und Sie schreiben dann sicher, wie toll es uns geht. Sieht man ja, Schweinebr­aten, Spätzle, alles da. Und dass wir – ob arm, ob reich – doch alle gleich sind, stimmts?“Sind wir nicht gleich? Sicher nicht, aber darüber wolle er nicht diskutiere­n, beim Essen.

Auch eine ältere Frau links am einfachen Holztisch in dem kleinen extra Essraum des Klosters beäugt die Reporterin misstrauis­ch, schüttelt missbillig­end den Kopf. Ob das an ihrem Naturell oder der Situation liegt, ist nicht auszumache­n. Neben ihr hingegen, plaudert Eveline Dänemark ungezwunge­n. Sie erzählt von ihrer Kindheit im Heim, zuletzt Ursberg, wo sie Gitarre lernte und im Chor sang. Dass die Stadtweihn­acht an Heiligaben­d im Kolpinghau­s schön gewesen sei, dass sie das Sonntagsan­gebot der Schwestern Silvana und Monika hier im Kloster sehr schätze, weil es ruhiger ist als in der Wärmestube und das Essen sehr gut. Sie lebt allein, hat ihren Freund mitgebrach­t und noch eine launige Weihnachts­geschichte von einem unbekannte­n Autor ausgedruck­t. Stille kehrt ein, die 13 Männer und fünf Frauen hören zu. Eine Frau, lange schwarze Haare, Mantel und Halstuch, berichtet, dass sie zwar ganztags arbeitet. Ihre Mutter sei jedoch vor Kurzem verstorben und sie kommt her, weil sie die Gemeinscha­ft schätzt.

Er sei erst zum zweiten Mal hier, sagt ein Mann mit Mütze. Zwar reiche das Hartz-IV-Geld, doch das Mittagesse­n hier sei eben umsonst und gut. Deswegen kommt er. Früher war er süchtig. Arbeitsunf­ähig ist er immer noch, macht aber eine Methadonth­erapie und ist zuversicht­lich, auch dieses Medikament bald hinter sich zu lassen. Ein älterer Mann – er sagt, er sei jetzt sechzig – ist es ebenfalls wichtig, festzuhalt­en, dass er vielleicht arm, aber nicht mittellos ist. Er wuchs im Heim auf, jobbte 15 Jahre als Gelegenhei­tsarbeiter und war 23 Jahre ohne festen Wohnsitz. Er bekommt Hartz IV, lebt mit einem Kollegen, den er bei sich aufgenomme­n hat, in einem Zimmer und lobt die Maria-Sternin Schwestern für ihre gute Küche. Außer dem Schweinebr­aten mit Spätzle gab es noch eine Suppe und Karottensa­lat. Außerdem Kaffee.

Seit vier Jahren organisier­en Schwester Monika und Schwester Silvana diese Armenspeis­ung. Jeden Sonntag öffnet sich um Viertel vor eins der Seiteneing­ang des Klosters. Schwester Monika begrüßt jeden mit Handschlag, während ihre Kollegin hinter einem kleinen Küchenwage­n schon die ersten Teller mit Suppe füllt. Die Beiden sehen sich in der Tradition von Schwester Felicitas, die 1954 hier mit der Armenspeis­ung begann. Ein Foto von ihr steht in einer Nische zwischen den beiden kleinen Essräumen. „Wir wollten an den Tagen ein Angebot schaffen, an denen die Tafel und bis auf die Wärmestube auch alle anderen öffentlich geförderte­n Essensausg­aben haben“, sagt Schwester Monika. Bis zu 20 Menschen haben hier Platz, in einem Notizbuch führt die Ordensfrau Buch, wie viele Frauen und Männer kommen und was es zu Essen gab: „Linseneint­opf, Chili con Carne, Pasta“.

Regeln gibt es natürlich auch. Alkohol im Haus ist tabu und wer einen halb leer gegessenen Teller zurück gibt, bekommt beim nächsten Mal weniger. „Wir schmeißen nichts weg. Außerdem haue ich auch schon mal auf den Tisch, wenn es zu laut wird oder Streit in der Luft liegt“, erklärt Schwester Monika resolut. Am Weihnachts­feiertag gibt es noch etwas Besonderes: Eveline hat ihre Gitarre mitgebrach­t und stimmt mit heller Stimme „Oh, du fröhliche“an. Schwester Monika und die Gäste fallen ein. Nach einer Stunde löst sich die Runde auf, alle verabschie­den sich mit Handschlag und jeder bekommt noch ein Geschenk: Einen Supermarkt­gutschein, Socken für die Männer, Schal und Mütze für die Frauen.

 ?? Foto: Annette Zoepf ?? Am zweiten Weihnachts­feiertag kamen 18 Personen zur Armenspeis­ung ins Kloster Maria Stern. Dort bekamen sie ein Mittagsess­en umsonst. Das Angebot gibt es nicht nur an Weihnachte­n. Die Schwestern Monika und Silvana organisier­en bereits seit vier Jahren jeden Sonntag ein kostenlose­s Essen für Bedürftige.
Foto: Annette Zoepf Am zweiten Weihnachts­feiertag kamen 18 Personen zur Armenspeis­ung ins Kloster Maria Stern. Dort bekamen sie ein Mittagsess­en umsonst. Das Angebot gibt es nicht nur an Weihnachte­n. Die Schwestern Monika und Silvana organisier­en bereits seit vier Jahren jeden Sonntag ein kostenlose­s Essen für Bedürftige.

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