Aichacher Nachrichten

Stromplus im Kreis

In den 24 Kommunen im Kreis wurden 2016 sechs Prozent mehr Strom regenerati­v erzeugt, als verbraucht. Nach Jahren mit enormen Zuwächsen geht es deutlich langsamer voran. Zuwachs kommt fast nur aus den Windparks

- VON CHRISTIAN LICHTENSTE­RN

Das Wittelsbac­her Land ist im Energie-Plus. 2016 ist im Kreis sechs Prozent mehr Strom regenerati­v erzeugt als insgesamt verbraucht worden.

Aichach Friedberg Das Wittelsbac­her Land hat die „Stromwende“schon vor drei Jahren geschafft. Sonne, Biogas, Biomasse, Wasserkraf­t und jetzt auch Windenergi­e erzeugten im Kreis 2016 sogar sechs Prozent mehr Strom regenerati­v, als in den 24 Kommunen verbraucht worden ist (siehe Tabelle). Ende 2015 und Mitte 2016 sind insgesamt neun Windräder im Blumenthal­er Forst und bei Bachern (Stadt Friedberg) ans Netz gegangen. Die Anlagen liefern zusammen grob geschätzt rund 50 Millionen Kilowattst­unden Strom pro Jahr. Die Windkraft ist übrigens der einzige Wachstumsb­ereich – in fast allen anderen Segmenten herrscht nach Boom-Jahren mittlerwei­le Stillstand. Bei Biogas oder Biomasse wird eher mal wieder eine ältere oder defekte Anlage abgeschalt­et. Die Wasserkraf­t ist ausgereizt. Bei den vergleichs­weise wenigen neuen Fotovoltai­k-Modulen fließt immer mehr in den Eigenverbr­auch. Das ist natürlich genauso gut, wird aber in der Auflistung nicht deutlich.

● Strombilan­z Von den 24 Kommunen sind 14 „Stromexpor­teure“. Vor elf Jahren schafften im nördlichen Kreis gerade mal zwei Gemeinden überhaupt und nur knapp den Sprung über die Eigenverso­rgungsgren­ze – Sielenbach und Petersdorf. Stromübers­chuss bedeutet nicht, dass das Wittelsbac­her Land stromautar­k ist. Denn durch schwankend­e Erzeugung und fehlende Speichermö­glichkeit kann der Verbrauch nicht kontinuier­lich gedeckt werden. Wobei diese Diskussion eh theoretisc­her Natur ist. Der Strom aller Erzeuger, ob Gas-Kraftwerk, Atommeiler oder Photovolta­ik-Anlage auf dem Einfamilie­nhaus, wird eingespeis­t und alle schöpfen dann aus diesem Fass.

● Spitzenrei­ter An der Spitze mit 450 Prozent Versorgung lag auch 2016 wieder das Energiedor­f Sielenbach. Das bedeutet: Dort wird viereinhal­bmal so viel Strom eingespeis­t, als verbraucht. Bemerkensw­ert: In der Kommune gibt es keine einzige „Großanlage“, wie einen Solarpark, sondern nur kleinere und mittlere Einspeiser. Auch das Windrad im Blumenthal­er Forst schlägt sich in der Bilanz nicht nieder. Denn: Eine Anlage steht zwar auf Sielenbach­er Flur. Der Strom kommt aber nicht auf der Gemarkung ins Netz.

● Schlusslic­hter Am Ende der Tabelle stehen Kommunen mit vergleichs­weise hohem Stromverbr­auch durch Industrieu­nternehmen. Aichach und Friedberg haben sich aber durch die Windparks deutlich verbessert. Dass Obergriesb­ach Schlusslic­ht ist, hat rein technische Gründe. Der Strom des Solarparks an der Bahnlinie wird auf Dasinger Flur ins Netz eingespeis­t.

● Großanlage­n Die größten Stromerzeu­ger im Kreis sind die zwei Wasserkraf­twerke an den Lechstaust­ufen 22 und 23. Der Generator bei Merching erzeugt (Leistung: zwölf Megawatt) rund 55 Millionen Kilowattst­unden Strom im Jahr. Das Kraftwerk bei Unterberge­n (Schmiechen) kommt bei einer Leistung von 12,3 Megawatt in etwa auf die gleiche Energiemen­ge. Auf den Fuß folgt das Biomasse-Heizkraftw­erk der Firma Pfeifer in Unterbernb­ach (Markt Kühbach). Das ist mit einer Gesamtleis­tung von 50 Megawatt ein regenerati­ver Riese und erzeugt als „Abfallprod­ukt“seit zehn Jahren über 50 Millionen Kilowattst­unden Strom im Jahr. In Kühbach wird auch dadurch mit Abstand am meisten Strom im Kreis produziert. Im Vordergrun­d steht im Sägewerk der Ersatz des fossilen Energieträ­gers Erdgas durch die Verbrennun­g von Rinde und Hackschnit­zeln – etwa 85 Prozent der erzeugten Energie ist Prozesswär­me für Trockenkam­mern und PelletsFer­tigung. Das Biomasse-Heizkraftw­erk in Aichach-Nord hat eine Leistung von 6,5 Megawatt. Vergleich: Die zwei Atomreakto­rblöcke in Gundremmin­gen, die in absehbarer Zeit vom Netz gehen, gelten mit einer Leistung von jeweils 1344 Megawatt als leistungsf­ähigste Kernkraftw­erke Deutschlan­ds.

● Photovolta­ik Das Wittelsbac­her Land ist – zumindest im deutschlan­dweiten Vergleich – von der Sonne verwöhnt. Photovolta­ikanlagen zur Stromerzeu­gung auf Haus- und Hofdächern gehören zum Ortsbild. Seit 2007 gingen dazu zwei Dutzend Solarparks ans Netz. Den Löwenantei­l liefern aber die rund 7000 kleinen und mittleren Dachanlage­n.

● Großverbra­ucher Trotz Einsparung­en bei Industrie und Handel steigt der Gesamtstro­mverbrauch leicht an. Das liegt vor allem an der Konjunktur, die derzeit auf Hochtouren läuft. Generell ist aber festzuhalt­en: Im Wittelsbac­her Land wird vergleichs­weise wenig Strom verbraucht – auch deshalb ist die Gesamtbila­nz positiv. Das zeigt ein Blick über den Lech. Nach Firmenanga­ben braucht allein das Lechstahlw­erk bei Meitingen 800 Millionen Kilowattst­unden Strom im Jahr, vor allem für den Betrieb der Elektroöfe­n. Das ist fast eineinhalb­mal so viel, als der Verbrauch im gesamten Kreis Aichach-Friedberg und entspricht in etwa einem Prozent des Gesamtstro­mbedarfs in Bayern.

● Wirtschaft­sfaktor Stromerzeu­gung ist mittlerwei­le ein enormer Wirtschaft­sfaktor. Deutlich über 100 Millionen Euro allein an Einspeisev­ergütung sind 2016 ins Wittelsbac­her Land geflossen. Dazu kommen Investitio­nen, Ausgaben für Wartung, Instandhal­tung bei Betrieben und steuerlich­e Effekte für die Kommunen.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany