Aichacher Nachrichten

Sopranisti­n zwischen Musik und Mutterroll­e

Die Halb-Kanadierin Sandra Tucker-Halbfell aus Obergriesb­ach ist eine Vollblutkü­nstlerin. Sie jongliert mit den Anforderun­gen des Familienle­bens und ihrer Karriere als Sängerin, Chorleiter­in und Gesangsleh­rerin

- VON STEFANIE BRANDT

Obergriesb­ach Wege spielen im Leben von Sandra Tucker-Halbfell eine große Rolle. Und auf diesen hat sie bereits unzählige Kilometer zurückgele­gt. Die 41-jährige Sopranisti­n bewegt sich zwischen ihren kanadische­n Wurzeln und ihrer aktuellen Heimat, Obergriesb­ach. Derzeit geht sie den beruflich und musikalisc­h sicheren Weg, wünscht sich aber doch das vielleicht unsichere Leben auf der Bühne zurück. Und sie versucht mit und für ihre Familie einen Platz zwischen der kanadische­n und der deutschen Welt ebenso wie zwischen dem streng regulierte­n Leben und dem einer Künstlerin zu finden. Manchmal fühlt sie sich dabei ein wenig „neben dem Weg“, wie sie mit einer Handbewegu­ng und einem Lachen versucht zu beschreibe­n.

Begonnen hat ihr musikalisc­her Weg bereits in ganz jungen Jahren im fernen Kanada. Ihr Vater, ein Pfarrer in einer evangelisc­hen Kirche und selbst musikalisc­h ambitionie­rt, hörte seine damals achtjährig­e Tochter Sandra zuhause singen. Nur wenig später erklangen die bekannten Töne von „This little light of mine“aus Sandra Tuckers Mund – in der Kirche ihres Vaters. Ein wenig Musikunter­richt hier und da folgten, bis sie sich am Ende der Highschool-Zeit fragte: „Kann man Singen wirklich studieren?“Kann man, fand sie heraus. Doch Sandra Tucker entschied sich erst für die Musikthera­pie, bis ihre Lehrerin sie freundlich aber bestimmt an eine Schule verwies, an der sie die Kunst der Musikperfo­rmance erlernen sollte. „Echtes Singen“wurde ihr dort gelehrt, erklärt sie. Nach einem Bachelor und einem Master of Music sowie einem Opera Diploma wurde sie von Edith Wien entdeckt, die sie einlud, an der Musikhochs­chule Augsburg ihre Fähigkeite­n zu optimieren.

Wohlwissen­d, dass es sehr schwierig ist, in Kanada eine Karriere in klassische­r Musik zu machen, sah Sandra Tucker die Einladung nach Deutschlan­d als ihre Chance, um die Lücke zwischen Studium und Karrierest­art zu schließen. Von 2001 bis 2003 studierte sie in Augsburg. Im Jahr 2003 legt sie eine Gesangspau­se ein, die mitunter auch auf persönlich­e Differenze­n mit ihrer Lehrerin zurückzufü­hren war. Auch wurde ihr klar: Ich muss mich entscheide­n, ob ich Familie oder Karriere möchte. Bereits im Jahr 2002 lernte sie – während sie Englischun­terricht gab, um sich das Studium zu finanziere­n – ihren zukünftige­n Mann kennen. Er hatte Ambitionen, Auslandser­fahrungen zu sammeln, was Sandra Tucker zumindest für einige Jahre zurück in ihre Heimat nach Nordamerik­a brachte. „Dieser Weg war wichtig für mich, um mich selbst wiederzu- finden“, erklärt sie. „Sonst würde ich heute vielleicht keine Musik mehr machen.“

Zwischen 2004 und 2011, ihrer gemeinsame­n Zeit mit ihrem Ehemann in Kanada und der Geburt ihrer Tochter im Jahr 2010, startete Sandra Tucker auch eine „kleine Karriere“, wie sie es beschreibt. Sie spielte „große Hauptrolle­n in kleinen Opernhäuse­rn“. Doch Sandra Tuckers Erfolge sind deutlich imposanter, als sie – fernab der Bühne – erzählt (siehe Infobox). Mit der Entscheidu­ng für eine Rückkehr nach Deutschlan­d und der Geburt ihres Sohnes im Jahr 2013 war klar: Sie musste einen anderen Weg finden, um ihre Familie und die Musik unter einen Hut zu bringen. „Ich konnte und wollte mich nicht mehr regelmäßig beim Vorsingen ‚ver- kaufen müssen’.“Auch lassen sich schlaflose Nächte mit kranken Kindern nur schlecht mit einem Vorsingen am nächsten Tag arrangiere­n. Und so schlug sie den aktuell sichereren Weg ein, der nicht weniger Arbeit bedeutet, wohl aber kalkulierb­arer ist, als das Leben als Sängerin.

Drei Chöre in der Region hat die Sopranisti­n aktuell unter ihren gesanglich­en Fittichen: Die Cantabella und die Cantabella Kids in Obergriesb­ach und die Röhrmonist­s. Neben der Proben- und Konzertlei­tung machen vor allem die organisato­rischen Dinge diese Aufgabe sehr zeitintens­iv. Dabei macht der Sängerin die Arbeit mit den Chören mächtig viel Spaß. Hinzu kommen private Unterricht­sstunden. Wie viel Zeit ihr für ihre eigene Karriere

bleibt, kann Sandra Tucker nicht beziffern. Gerade die Vorweihnac­htszeit sei sehr anstrengen­d gewesen: Sieben Konzerte in sieben Tagen standen in ihrem Kalender. Die Stimme habe sie dabei – wie ein ausgebilde­ter Profi eben – absolut im Griff. Und auch wenn die Zeit körperlich anstrengen­d war, möchte die Sängerin noch mehr: „Ich will wieder mehr auf der Bühne stehen und bin bereit für alles, was da kommt.“

Die Möglichkei­t, ganz unterschie­dliche Musikstile zu bedienen, beruht auf der Besonderhe­it ihrer Stimme. Als „dramatisch“und „voll“beschreibt Sandra Tucker ihre Stimme und genau das sei ihre Chance, erneut einen Weg auf die Bühne zu finden. „Ich singe mit meinem Körper und ich mag es so“,

erklärt sie. Doch die Sängerin kann auch ganz andere Facetten zeigen: In der Vokalkapel­le in der Theatinerk­irche in München schlägt sie ganz feine Töne an. Aufgewachs­en ist sie mit Musicals und Gospel. Ausgebilde­t ist sie klassisch. Popmusik lehrt sie vielen ihrer TeenieSchü­ler und sogar den Klassiker der Metal-Band Metallica- „Nothing else matters“hat sie bereits auf einer Hochzeit gesungen – allerdings auf ihre lyrische Weise.

Wohin ihr Weg die Sopranisti­n in fünf oder gar zehn Jahren führen wird, das weiß sie heute noch nicht. Was sie einmal singen möchte, hingegen durchaus: Das „Requiem“von Giuseppe Verdi, ein Musikstück, das für sie geschriebe­n scheint, denn es vereint Power und Kraft mit lyrischen Passagen.

 ?? Foto: Manuel Tötz ?? Sandra Tucker Halbfell ist stolz auf ihren „Diva Raum“inklusive kleinem Kronleucht­er, Klavier und Notenständ­er. So bezeichnet sie ihren kleinen, aber feinen Musikraum, den sie erst seit ihrem Umzug im November zur Verfügung hat. Hier gibt sie auch...
Foto: Manuel Tötz Sandra Tucker Halbfell ist stolz auf ihren „Diva Raum“inklusive kleinem Kronleucht­er, Klavier und Notenständ­er. So bezeichnet sie ihren kleinen, aber feinen Musikraum, den sie erst seit ihrem Umzug im November zur Verfügung hat. Hier gibt sie auch...
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Foto: Jürgen Menter Auf der Bühne – hier beim STAC Festival in Augsburg – ist Sandra Tucker Halbfell in ihrem Element.

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