Ein junger Türke ist so gut wie zwei alte Hasen
Für Richard Freitag läuft die Tournee glänzend. Nach zwei Springen schwebt der deutsche Adler auf Platz zwei. „Ritschi“, wie Bundestrainer Werner Schuster den eher spröden Sachsen nennt, hat sein Sach beinander. Er macht sein Ding, es läuft. Wortreich versuchen Springer und Trainer zu erläutern, was nur schwer zu ergründen ist: das Geheimnis des SkisprungErfolgs. Ein Kollege dagegen ist ratlos. Der mit vier Goldmedaillen erfolgreichste Skispringer in olympischen Einzelwettbewerben sollte eigentlich wissen, wie das mit dem Absprung, dem Flug und der Telemark-Landung funktioniert. Doch Simon Amman hatte am gestrigen Neujahrstag viel Zeit zu grübeln.
Der Schweizer vermasselte die Qualifikation und erlebte das Neujahrsskispringen nur als Zuschauer. Irgendetwas im Flugsystem des 36-Jährigen, der seit 21 Jahren von den Schanzen springt, passt nicht mehr. Ausgerechnet in Garmisch, wo Amman mit 143,5 Metern den Schanzenrekord hält, erlebte der Schweizer einen der bittersten Momente seiner Karriere.
Ebenfalls gescheitert, aber glücklich zeigt sich in diesen Tagen Fatih Arda Ipcioglu. Obwohl er in der Qualifikation von Oberstdorf und Garmisch mit den Plätzen 64 und 66 in der Qualifikation scheiterte, war der Springer im Pressebereich einer der gefragtesten Athleten. Der Grund: Ipcioglu schaffte es als erster Türke zur Vierschanzentournee. Im ostanatolischen Erzurum bereitete sich der Springer-Exot auf fünf verschiedenen Schanzen auf die Tournee vor. Auch als er sich vor einigen Jahren beide Beine brach und seine Mutter ihn bat, mit dem halsbrecherischen Sport aufzuhören, ließ sich Ipcioglu nicht von seinem Weg abbringen. Es fühle sich großartig an, hier zu sein, er genieße die Atmosphäre, erzählte der lächelnde Türke in die Mikrofone. Als es ernst wurde gestern in Garmisch, war der Anfänger in bester Gesellschaft: mit dem Großmeister Ammann oder auch dem japanischen Skisprung-Methusalem Noriaki Kasai.
Das Ziel von Ipcioglu, dessen Idol der 45-jährige Kasai ist, sind die Olympischen Spiele in Pyeongchang. Sein Weg dorthin führt nicht über die Tournee. Im zweitklassigen Continental-Cup muss der Außenseiter Fis-Punkte sammeln für sein Ticket nach Südkorea. Sollte er dort starten, dann muss der Athlet nur noch ein klitzekleines Problemchen lösen. Er muss den Türken, die bislang null Skisprung-Begeisterung zeigen, erklären, wie das so geht mit dem Fliegen und dem Landen. Und das ist der vielleicht schwierigste Job.