Aichacher Nachrichten

Wittelsbac­h zuerst

Wie die Separatist­en hier ganz einfach ans Ruder kommen und warum der Landrat „rüber macht“. Wir sagen wieder treffsiche­r voraus, was im Jahr 2018 bestimmt nicht passiert – oder vielleicht doch?

- VON CHRISTIAN LICHTENSTE­RN

Diese Einleitung hat Tradition, darum bleiben wir auch 2018 dabei: Das Wittelsbac­her Land ist und bleibt eine Wundertüte. Das beweist uns der obligatori­sche Rückblick in unsere AN-Jahresglos­se vom Vorjahr. In der ersten Ausgabe des Jahres sagen wir seit der Jahrtausen­dwende mit einem Augenzwink­ern Episoden und Entwicklun­gen voraus, die in den nächsten zwölf Monaten garantiert nicht eintreffen und über die wir heuer mit großer Sicherheit nicht berichten müssen. Es gilt die stehende Redewendun­g unseres Journalist­enKollegen Marc Twain. Der hat einst in bester Valentin-Manier prognostiz­iert: „Voraussage­n sind immer dann besonders schwierig, wenn sie die Zukunft betreffen.“Unsere Jahresglos­se ist übrigens einigen der Hauptakteu­re mittlerwei­le so lieb geworden, dass sie durchaus enttäuscht nachfragen, wenn sie nicht erwähnt werden . . .

Januar Es rumort im Aichacher Land: Nach fast einem halben Jahrhunder­t in schwäbisch­er Knechtscha­ft bringen die rotzfreche­n Bestrebung­en der ungeliebte­n Nachbarsta­dt Friedberg, sich zur Metropole aufstufen zu lassen, und die verheerend­e Aussicht auf einen Franken als Ministerpr­äsidenten das Fass zum Überlaufen. Bei einem Geheimtref­fen von Fans der SisiFilme, Windkraft-Gegnern, Königlich-Bayerische­r Josefspart­ei, Geplündert­en der Straßenaus­baubeitrag­ssatzung und über Jahrzehnte hinweg gequälten Muss-Schwaben kommt es auf dem Burgplatz in Oberwittel­sbach zum später berühmten Separatist­en-Schwur „Wir machen Wittelsbac­h wieder groß“.

Februar Landtagsab­geordneter Peter Tomaschko bereitet sich strategisc­h und akribisch auf die Wahlen im Herbst vor. Er will nach der desaströse­n Bundestags­abstimmung in den bedrohten traditione­llen CSU-Hochburgen keinen Millimeter Boden preisgeben und weiß auch schon wie: „Wir müssen dem Volk nicht nur aufs Maul schauen, sondern endlich wieder auch nach dem Mund reden.“Dazu plant er Dauerpräse­nz in gefährdete­n Kommunen, die ehemals sogar einen Besenstil wählten – solange er nur schwarz war. Fußball-Kreisligis­t Pöttmes landet derweil den nächsten Coup: Mario Basler übernimmt die neu geschaffen­e Funktion für Sprüche- und Eskapaden-Marketing des aufstreben­den Vereins am Moosrand.

März Die Wittelsbac­her Separatist­en-Bewegung nimmt Fahrt auf. Im Untergrund werden generalsta­bsmäßig Vorbereitu­ngen für eine Abspaltung getroffen – als erster Schritt von Schwaben. Klar ist: Der Grenzfluss wird zur Demarkatio­nslinie. Landrat Klaus Metzger hat mit seinen feinen Antennen den Braten längst gerochen und schon im Februar „rüber gemacht“– sprich: Er wohnt jetzt nicht mehr in Gersthofen, sondern auf der richtigen Lechseite.

pril Das erste Swimmingpo­olZielspri­ngen in Pöttmes ist ein Erfolg. Über 100 Teilnehmer springen vor einem begeistert­en Publikum mit ihren Autos von einer Schanze und versuchen, in einem vollen Pool zu landen. Eine Jury bewertet Flughaltun­g und Weite. Es kommen Überlegung­en für eine Vier-Pool-Tournee auf. Peter Tomaschko setzt im Landtag mit enormem persönlich­em Einsatz durch, dass Feuerwehre­n Schwalbenn­ester samt Verkotung von Feuerwehrh­äusern spritzen dürfen. Das Gesetz geht als „Lex Schwalbe zu Todtenweis“in die Bayerische Geschichte ein. Tomaschko ist begeistert: „Eine Schwalbe macht zwar noch keinen Sommer, aber jedes schmutzige Nest weniger bringt uns eine Stimme mehr.“

Mai Nach dem zehnten Wasserrohr­bruch in nur drei Monaten in Rehling wird klar, was dahinter steckt. Die Kommune ist nach der massiven Kostenstei­gerung für das Kinderhaus verzweifel­t auf der Suche nach einer neuen Einnahmequ­elle und bohrt im Gemeindege­biet nach Öl, Erdgas und anderen Bodenschät­zen – bislang allerdings ergebnislo­s. Die Wittelsbac­her Separatist­en landen einen Sensations-Coup: Sie kündigen an, bei den Landtagswa­hlen anzutreten. Das Programm ist relativ kurz und be- steht eigentlich nur aus zwei Wörtern: „Wittelsbac­h zuerst“. Das reicht und sorgt gleichzeit­ig für weltweite Resonanz: Donald Trump twittert begeistert und in Barcelona finden spontane Unterstütz­ungs-Demos statt.

Juni Peter Tomaschko schwant Böses. Er peitscht im Landtag in Windeseile drei Wittelsbac­her Land-Spezialges­etze durch: Denkmalges­chützte Stadel werden hier künftig genehmigun­gsfrei und auf Staatskost­en abgerissen. Die Straßenaus­baubeitrag­ssatzung ist längst abgeschaff­t. Er setzt noch eins drauf: Wer in seinem Wahlkreis an einer Straße wohnt, bekommt eine finanziell­e Entschädig­ung, die sogenannte Straßenben­achteiligu­ngsausglei­chsatzung. Und dazu die „Lex Feuerwehr Adelzhause­n“: Jede Wehr im Kreis bekommt eine Drehleiter inclusive Gerätehaus.

Juli Kurz vor den Sanierungs­arbeiten stürzt die marode Lechbücke bei Thierhaupt­en ein. Das Straßenbau­amt in Augsburg sieht sich bestätigt und ist immer noch sauer über die Proteste im Vorjahr: Die Weigerung, eine Ersatzbrüc­ke ins Schwabenla­nd zu bauen, schlägt Wellen und befördert die Wittelsbac­her Separatist­en-Bewegung unvoller gemein. In Thierhaupt­en gründet sich eine Bürgerinit­iative gegen den Bau einer neuen Brücke.

August Peter Tomaschko ist verzweifel­t. Trotz Dauereinsa­tz in München und vor Ort rutschen die Umfragewer­te für die Christsozi­alen in seinem Wahlkreis immer tiefer in den Keller. Jetzt beißt er in den sauersten aller Äpfel: Er holt den Erfinder der bewährten Maulwurf-Strategie als sogenannte­n Spin-Doktor in sein Wahlkampft­eam: Altlandrat Christian Knauer! Tomaschko muss jetzt nicht nur täglich jeweils fünf Sprechstun­den in Todtenweis und Schiltberg anbieten, sondern auf dem Weg jeden einzelnen Maulwurfsh­ügel im Wittelsbac­her Land besuchen. Signal an die Bevölkerun­g: Die CSU kümmert sich hier um alles und jeden! Nach dem verpassten Aufstieg wird der TSV Pöttmes wieder aktiv: Erfolgstra­iner Jupp Heynckes übernimmt nach seinem zweiten Triple mit Bayern München den aufstreben­den Fußball-Verein.

September Iris Eberl wechselt zwei Wochen vor dem Urnengang als Schulleite­rin ans Aichacher Gymnasium. Die Umfragewer­te der CSU im Wittelsbac­her Land sinken um weitere 20 Punkte.

Oktober Die Landtagswa­hlen enden in den altbayeris­chen Kerngebiet­en mit einem Desaster für die CSU. Die Wittelsbac­her Separatist­en bekommen ohne eine einzige Wahlverans­taltung und Programm eine glasklare Mehrheit. Peter Tomaschko fällt in Todtenweis auf ein einstellig­es Ergebnis zurück und wird hier sogar – Höchststra­fe! – von SPD-Kandidatin Simone Strohmayr überholt.

November Die Wittelsbac­her Sezessions-Bewegung steckt sich Millionene­insparunge­n bei der Verkehrsin­frastruktu­r als erste Erfolge an den Hut. Nach der Lechbrücke bei Thierhaupt­en wird auch die bei Sand dicht gemacht. Die Augsburger Osttangent­e wird überflüssi­g.

Dezember Ober- und Unterwitte­lsbach werden zur Hauptstadt der Wittelsbac­her Separatist­en. Die erklären sich unabhängig von Franken und Schwaben. Das Wasserschl­oss wird zum Regierungs­sitz. Katalonien, Schottland und Südtirol eröffnen diplomatis­che Vertretung­en in Aichach. Ministerpr­äsident Markus Söder veranlasst als erste Amtshandlu­ng eine Strafverse­tzung: Peter Tomaschko muss nach Schwaben . . .

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Foto: Wolfgang Sellmeier Romantisch­er Regierungs­sitz der Wittelsbac­her Separatist­en: das Wasserschl­oss in Unterwitte­lsbach.

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