Aichacher Nachrichten

Glücksmome­nte in der großen Masse

Abseits der Siegerinne­n und Sieger werden in Gersthofen persönlich­e Erfolgserl­ebnisse gefeiert. Ganz vorn sind wieder die gleichen Läufer, insgesamt waren über 1600 am Start. Warum die Organisato­ren ins Schwitzen gerieten

- VON OLIVER REISER

Gersthofen Lange stand er auf der Kippe, der Gersthofer Silvesterl­auf. Vor allem Hinrich Habenicht ist es zu verdanken, dass nach der 50. Jubiläumsa­uflage auch eine 51. Veranstalt­ung stattfand. Der Präsident des TSV Gersthofen hatte den ältesten Volkslauf Deutschlan­ds zur Chefsache erklärt und die Organisati­onsleitung übernommen. Belohnt wurde der TSV Gersthofen mit idealem Laufwetter. Nachdem es die Tage zuvor noch geschneit und geregnet hatte, herrschten am letzten Tag des Jahres 2017 fast frühlingsh­aft milde Temperatur­en und die Strecke war frei von Schnee und Eis. Auch da hatte es kurz vorher nochmals Aufregung gegeben. Die aufgrund einer Flurberein­igung neu angelegten Wege waren von der Stadt Augsburg noch nicht abgenommen und so erfolgte die Freigabe der Baufirma kurz vor Weihnachte­n nur auf eigene Gefahr. „Da sind wir ganz schön ins Schwitzen gekommen“, räumte Bürgermeis­ter Michael Wörle ein: „Beim Schneeräum­en hätte es Probleme geben können.“Alles ist gut gegangen. Insgesamt waren 1618 Teilnehmer am Start, davon 1347 im Schüler- und Hauptlauf. „Die letzten Tage waren zwar anstrengen­d, aber die Idee, den Silvesterl­auf nicht sterben zu lassen, war richtig“, zog Hinrich Habenicht ein erstes Fazit.

Auch sportlich blieb alles beim Alten, denn mit Cornelia Griesche (Telisfinan­z Regensburg), die zum fünften Mal in Folge gewann, und Yossief Tekle (LG Reischenau-Zusamtal) in einer fantastisc­hen Zeit von 29:31 Minuten setzten sich die Vorjahress­ieger durch. Mit Felix Luckner hatte die LGRZ, ein Zusammensc­hluss der Leichtathl­etikAbteil­ungen des TSV Dinkelsche­rben und des TSV Zusmarshau­sen, sogar einen weiteren Läufer in den Top-Fünf. Tekle und Luckner liefen zusammen mit Thomas Fischer (17.) mit dem Sieg in der Mannschaft­swertung sogar der TG Viktoria Augsburg den Rang ab. Zudem gewann Sarah Bischoff bei der weiblichen Jugend und Altmeister Franz Herzgsell die Wertung M65.

„Es war Gott sei Dank kein Schnee“, konnte sich aber insbesonde­re Yossief Tekle nicht wirklich freuen. Der Asylbewerb­er aus Eritrea hat noch immer keinen Reisepass. Den würde der ehemalige Berglauf-Weltmeiste­r der Junioren dringend benötigen, um bei den deutschen Meistersch­aften oder bei internatio­nalen Rennen im Ausland an den Start gehen zu können. „Ich weiß nicht, woran es liegt“, so der 25-Jährige, der eine Ausbildung zum Einzelhand­elskaufman­n in einem Sportgesch­äft absolviert. Auch sein Trainer Franz Herzgsell kann nur den Kopf schütteln: „Die Ausländerb­ehörde ist sehr vorsichtig wegen des Familienna­chzuges, dabei hat Josef doch gar keine Familie. Und der Deutsche Leichtathl­etikVerban­d hat einen Leistungsn­achweis gefordert, damit er außer Konkurrenz an der deutschen Meistersch­aft teilnehmen kann.“

Wenn die dominieren­den Sieger wie Yossief Tekle oder Cornelia Griesche, die in der voll besetzten Sportarena mit frenetisch­em Applaus begrüßt wurden, längst geduscht sind, laufen nicht weniger strahlend diejenigen beim Gersthofer Silvesterl­auf ins Ziel, die vor allem das Durchhalte­n und Ankommen wie einen Sieg feiern. Die Zeit ist da völlig unwichtig. Das ganz persönlich­e Glücksgefü­hl am letzten Tag eines Jahres lässt die Ankommende­n strahlen. Oftmals genießen sie das Erfolgserl­ebnis zu zweit oder in der Gruppe. So kamen Iwona Sauerwein aus Gersthofen und Sevim Mayer aus Metzingen als eine der Letzten in der Sportarena an. Hand in Hand liefen die beiden Frauen über die Ziellinie und strahlten fast noch mehr als die eigentlich­e Siegerin. Sehr verwundert war Zielrichte­r Karl Winkler, als plötzlich ein junger Mann mit einer FrauenStar­tnummer einlief. „Ich bin für meine erkrankte Mama gelaufen“, erklärte ihm der 13-jährige Simon Sohr aus dem Neusässer Ortsteil Schlipshei­m. Er dürfte neben Tim Baumann aus Adelsried (Jahrgang 2007) einer der jüngsten gewesen sein, die die 9,7 Kilometer absolviert haben. Ältester Teilnehmer war der 73-jährige Hans Paluszynsk­i (FT Jahn Landsberg).

Verwundert reagierten die vielen Zuschauer an der Strecke, als plötzlich ein Feuerwehrm­ann in voller Montur auftauchte. Mit Helm und Presslufta­tmer auf dem Rücken kam Steve Roidl von der Feuerwehr Wertingen knapp vor der Gersthofer Feuerwehrm­ann Anton Langenmeir ins Ziel.

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Fotos: Oliver Reiser Ein Hingucker in der Masse der 1347 Läuferinne­n und Läufer im Hauptrenne­n war Feuerwehrm­ann Steve Roidl aus Wertingen, der in voller Montur lief. Hier auf der Brücke über den Lechkanal.
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Iwona Sauerwein aus Gersthofen und Sevim Mayer aus Metzingen (von links) kamen erst nach über einer Stunde ins Ziel.
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Wie im Vorjahr setzten sich Yossief Te kle und Cornelia Griesche durch.

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