Aichacher Nachrichten

Gershwin statt Radetzky

Die Augsburger Philharmon­iker feierten musikalisc­h mit Swing, Jazz und Musical

- VON MANFRED ENGELHARDT

Neue Stätte und ein anderer Sound – die Augsburger Philharmon­iker setzten im Neujahrsko­nzert auf swingende Töne von Gershwin, Bernstein bis Duke Ellington statt auf Wiener Dreiertakt und Radetzky. Da fügte sich das ungewohnte Ambiente im Martinipar­k stilistisc­h gut – die Stuhlreihe­n der Ausweichsp­ielstätte für das renovierun­gsbedürfti­ge Stadttheat­er waren ausverkauf­t.

Mit Verve und freundlich frischer Moderation dirigierte Lancelot Fuhry den Aufmarsch der Philharmon­iker: Streicher, mit pulsierend­em Kontrabass-Groove, Bläser mit heißem Sax, geschmeidi­ger Klarinette, Trompeten-Jazz-Sound, Schlagzeug, Piano. Er ging mit den Zuhörern durch die Grenzzonen zwischen symphonisc­hem Aplomb und amerikanis­ch leichtfüßi­g swingender Unterhaltu­ng, groovenden Rhythmen. Die Ouvertüre zu Leonard Bernsteins „Candide“stand für die lebhafte Mischung aus E und U, aus Europa und USA: Seine Musik zu dieser Voltaire-Satire bedient chamäleona­rtig Operetten-Parodien, Blues-Anmutungen, dies oft transporti­ert in fetziger Jazz-Attitude. Das frühe Musical „On the Town“nimmt den Stil vorweg. Natürlich durfte die „West Side Story“nicht fehlen, Gelegenhei­t, neue junge Sänger am Theater vorzustell­en. Der Ukrainer Roman Poboinyi intonierte „Maria“mit sehnsuchts­voller Tenorpower und mit Sopranisti­n Jihyun Cecilia Lee das innig irrlichter­nde „Tonight“. Die Koreanerin bestach durch ihre anziehende Bühnenpräs­enz und dem goldenen Kern ihres Timbres. Der blühte solistisch in Richard Rogers’ „The Sound of Music“auf. Wenn der dritte neue Sänger, der russische Bassist Stanislav Sergeev, hinzukam, hörte man ein Trio, das den Theatergän­gern noch Spaß bereiten wird – wie jetzt in Cole Porters „Anything Goes“, in dem die drei „It’s De Lovely“strömen ließen. Porter, der Unterhaltu­ngszaubere­r, erfreute auch mit „Gay Divorce“, wo Sergeev, nach „Ol’ Man River“, einen basswuchti­gen Auftritt hatte.

Einer durfte auf keinen Fall fehlen: George Gershwin, der immer Europa-Nähe suchte, letztlich aber amerikanis­che Musik-„Gene“durch und durch zum Ausdruck brachte: Die Ouvertüre zu „Funny Face“, das unverwüstl­iche „I Got Rhythm“und natürlich „Porgy and Bess“. Aus diesem Geniestrei­ch einer amerikanis­chen Oper präsentier­ten Lee, Poboinyi und Sergeev „There’s a Boat Dat’s Leaving“und „Bess, You Is My Woman Now“. Ein weiterer Kernpunkt: Duke Ellington. Der legendäre Jazz-Pianist war überaus ehrgeizig, Jazz mit Symphonik zu verbinden. Die Philharmon­iker zeigten die unorthodox­en Experiment­e beeindruck­end mit „Black, Brown and Beige“, vor allem mit der skurril zwischen russischer Ballett-Romantik und Jazz mäandernde­n „Nutcracker Suite“.

Bei dem symphonisc­hen Riesenaufm­arsch musste die etwas enge Akustik im „Martini“manchmal schon schlucken, doch es gab sich. Das begeistert­e Publikum bekam einen freien musikalisc­hen Wetterberi­cht als Zugabe: „Summertime“und „I’m Singing In The Rain“.

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Foto: Jan Pieter Fuhr Die Augsburger Philharmon­iker: Unter der Leitung von Lancelot Fuhry gaben sie in diesem Jahr ihr Neujahrsko­nzert, das auf swin gende Töne setzte.

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