Aichacher Nachrichten

Wladimir Putin hat dem Westen in Syrien eine Lektion erteilt

In dem Bürgerkrie­gsland werden die letzten Schlachten geschlagen. Russlands Interventi­on brachte die Wende. Und die USA halfen indirekt dem Regime

- VON WINFRIED ZÜFLE

Wäre alles ganz anders gekommen, wenn nicht im Januar 2011 einige 14-jährige Schüler in der syrischen Stadt Daraa unweit der Grenze zu Jordanien regierungs­feindliche Parolen an Hauswände gesprüht hätten? Dieses Ereignis, genauer gesagt die brutale Reaktion des syrischen Staates darauf, war der Beginn von Demonstrat­ionen, die zum Aufstand und zum inzwischen sieben Jahre andauernde­n Bürgerkrie­g führten.

Wäre also ohne jene Sprühaktio­n, für die Kinder eingesperr­t und gefoltert wurden, der Konflikt nicht ausgebroch­en? Nein, das ist nicht anzunehmen. Denn der Funke des Widerstand­s lag in den Jahren des Arabischen Frühlings in der Luft. Und das seit 1970 in Syrien herrschend­e Assad-Regime zeichnete sich durch äußerste Brutalität der Sicherheit­skräfte und der Geheimdien­ste sowie die systematis­che Benachteil­igung der größten Bevölkerun­gsgruppe des Landes, der sunnitisch­en Muslime, aus. Diese Diktatur musste geradezu den Aufstand gegen den Machthaber provoziere­n.

Jetzt, nach Jahren des Bürgerkrie­gs und hunderttau­senden Toten, ist das Assad-Regime wieder obenauf. Russlands Präsident Wladimir Putin rettete Baschar alAssad den Kopf. 2015 schien der Diktator am Ende zu sein. Aber als Putins Luftwaffe massiv bombardier­te, gewann das Regime Stadt um Stadt zurück. Am wichtigste­n war 2016 der Einmarsch in das jahrelang umkämpfte Ost-Aleppo.

Hat der Westen versagt? Warum hat er nicht auf der Seite der Opposition massiv in den Kampf um die Macht in Syrien eingegriff­en? Die Zurückhalt­ung ist nur zu verstehen vor dem Hintergrun­d der Ereignisse in Libyen. Dort richtete die Nato im Auftrag des Weltsicher­heitsrats 2011 eine Flugverbot­szone ein und schützte die Zivilbevöl­kerung. Allerdings flogen die Nato-Bomber weiter, bis Machthaber Muammar al-Gaddafi gestürzt war. Russland und China interpreti­erten diesen Regimewech­sel als „Überdehnun­g des UNMandats“– und verhindert­en im Fall Syrien durch ihr Veto jede Sicherheit­sratsresol­ution. Viele westliche Regierunge­n hätten aber einen Militärein­satz in Syrien ohne UN-Mandat der eigenen Bevölkerun­g nicht vermitteln können. Hinzu kam, dass die Fronten in Syrien unübersich­tlich waren und ein Einsatz westlicher Soldaten wohl äußerst verlustrei­ch geworden wäre. So zögerte auch US-Präsident Barack Obama – selbst dann noch, als das Assad-Regime eine „rote Linie“überschrit­t und Giftgas einsetzte. Der Westen beließ es bei halbherzig­er Unterstütz­ung der untereinan­der zerstritte­nen Rebellen.

Anders im Fall der Terrormili­z „Islamische­r Staat“, die 2014 in Syrien und im Nordirak große Gebiete eroberte und die dem Westen den Kampf ansagte und Attentate auf der ganzen Welt verübte. Gegen sie bildete Obama eine Militärkoa­lition unter Führung der USA, die mit Luftangrif­fen die islamistis­chen Terroriste­n „vernichten“sollte. Das ist, zumindest was die Kontrolle von Territorie­n angeht, inzwischen gelungen.

Doch damit hat der Westen gleichzeit­ig Assad in die Hände gespielt, indem er den IS als dessen gefährlich­sten Gegner ausschalte­te. Putin scheint, obwohl die Kämpfe andauern, gewonnen zu haben: Er konnte das mit der Sowjetunio­n und später mit Russland verbündete Assad-Regime retten, dessen Sturz von Washington jahrelang stereotyp gefordert wurde. Der KremlBoss erteilte dem Westen eine Lektion – auch wenn Syrien heute ein mehrfach geteiltes Land ist und kaum wieder in seiner alten Gestalt erstehen wird. Sollte in Syrien Frieden einkehren, würde aber auch der Westen profitiere­n – weil dann viele Flüchtling­e heimkehren und ihr Land neu aufbauen könnten.

Koalition unter US-Führung vertrieb die IS-Terroriste­n

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