Aichacher Nachrichten

Neue Landkarte, neue Bomben

Die Terrormili­z IS ist verschwund­en. Jetzt greift das Assad-Regime die letzten Gebiete an, die von Rebellen gehalten werden. Putin lässt über eine Nachkriegs­ordnung beraten

- VON WINFRIED ZÜFLE

Augsburg Nur noch wenige Gebiete in Syrien werden von den Rebellen gehalten, die gegen das Assad-Regime kämpfen. Dort konzentrie­rt sich derzeit das Kampfgesch­ehen. Und es sind, wie nahezu immer in den vergangene­n sieben Jahren, grausame Szenen, die sich dort abspielen. Flugzeuge des Regimes von Machthaber Baschar al-Assad sowie seiner Verbündete­n Russland und Iran fliegen auch im neuen Jahr wieder Luftangrif­fe auf Rebellenge­biete: die Provinz um die Stadt Idlib im Nordwesten des Landes, in der rund zwei Millionen Menschen leben, sowie das von Regierungs­truppen umzingelte Gebiet Ost-Ghuta mit rund 400 000 Bewohnern nahe der Hauptstadt Damaskus.

Wieder gibt es Tote, Verletzte und viel Leid. Die in London ansässige, der Opposition nahestehen­de Syrische Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte berichtete am Sonntag von mindestens 23 Toten in Idlib. Am Dienstag wurden 15 Tote in Ost-Ghuta gemeldet. Auf Fotos ist zu sehen, wie Mitarbeite­r der Hilfsorgan­isation Weißhelme Verschütte­te ausgraben, darunter auch Kinder. Andere können es kaum fassen, dass sie überlebt haben.

Die Regierungs­truppen haben offenbar eine neue Initiative gegen die letzten Rebellenge­biete gestartet, nachdem die IS-Terroriste­n vernichten­d geschlagen wurden. Auf ihrem Vormarsch haben sie mehrere Dörfer eingenomme­n, tausende Menschen sind auf der Flucht.

Der Sieg über den IS geht zum größten Teil auf das Konto kurdischer und arabischer Milizen, vereint in den Demokratis­chen Kräften Syriens. Sie wurden von den USA unterstütz­t und fungierten praktisch als Bodentrupp­e für die US-geführte Militärkoa­lition, die seit 2014 Luftschläg­e gegen den IS ausführt. Auch die Bundeswehr ist mit Tornado-Aufklärung­sflugzeuge­n und Tankflugze­ugen an der Mission beteiligt. Die Maschinen starteten zunächst in der Türkei, wurden aber wegen des Streits um den Besuch deutscher Parlamenta­rier nach Jordanien verlegt.

Im Laufe des Jahres 2017 hat sich die Landkarte Syriens dramatisch verändert. Vom „Islamische­n Staat“ist praktisch nichts übrig geblieben. Nach Angaben der Militärkoa­lition verlor die Terrormili­z 98 Prozent der von ihr beherrscht­en Gebiete, darunter die Städte Palmyra, Rakka und Dair as-Saur. Von den zehntausen­den Kämpfern, die der IS hatte rekrutiere­n können, versteckte­n sich nur noch weniger als 1000 in Dörfern und Wüstengebi­eten, teilte ein Sprecher der Militärkoa­lition mit. Die anderen seien „getötet oder worden. Allerdings ist nicht auszuschli­eßen, dass viele flohen und untergetau­cht sind.

Auf Kosten des IS gewannen die kurdischen Milizen Territorie­n dazu, ebenso die Regierungs­truppen. Gegen den IS zogen sie teilweise an einem Strang, doch ist ungeklärt, ob sie auf Dauer Verbündete oder Gegner sind. Landverlus­te mussten dagegen die Rebellen hinnehmen, die schon lange keine poli- tische Einheit mehr darstellen. Die Freie Syrische Armee spielt keine tragende Rolle mehr. Dagegen hat die dem Terrornetz­werk Al-Kaida nahestehen­de islamistis­che Organisati­on Fatah al-Scham großen Einfluss in und um Idlib.

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte im November in Sotschi im Beisein von Assad erklärt, nach den Erfolgen im Kampf gegen die Terroriste­n komme der Militärein­gefangen“ satz nun „zu einem Ende“. Noch im Januar soll unter Putins Regie über eine Nachkriegs­ordnung für Syrien beraten werden. Große Teile der syrischen Opposition lehnen das Treffen in Sotschi allerdings ab.

Ob Frieden für Syrien in Reichweite ist? Die Geschichte lehrt: Nach einem Jahrzehnt gehen Bürgerkrie­ge oft zu Ende. Dieser Zeitraum ist in Syrien beinahe schon ausgeschöp­ft.

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Foto: Abdulmonam Eassa, afp Ein Moment der Freude inmitten von Trümmern und Verzweiflu­ng: Zwei Schwestern stellen fest, dass sie einen Bombenangr­iff auf das Rebellenge­biet Ost Ghuta überlebt haben.

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