Aichacher Nachrichten

Staat reagiert auf Kinderporn­o Affäre

Ein Gutachterb­üro wollte die Auswertung heikler Ermittlung­sdaten von Minijobber­n in Heimarbeit erledigen lassen. Ermittler waren alarmiert. Künftig soll so etwas verhindert werden

- VON JÖRG HEINZLE

Augsburg Die Stellenanz­eige klang für die Augsburger­in Susanne W.* interessan­t. Sie war auf der Suche nach einem Nebenjob. Eine Firma suchte „forensisch­e Bildauswer­ter“auf 450-Euro-Basis. Die Voraussetz­ungen laut Anzeige: Man benötige einen Computer sowie „etwas Erfahrung mit Computern“. Nach einer mehrtägige­n Schulung könne man die Aufträge, wann immer man wolle, von zu Hause aus bearbeiten. Als Susanne W. sich bei der Firma im Raum Augsburg meldete, erfuhr sie, worum es ging. Um die Auswertung von Kinderporn­ografie.

Der Fall wurde im vergangene­n Jahr durch Recherchen unserer Zeitung bekannt. Er bestätigte die Bedenken von Datenschüt­zern, die die Auswertung sensibler Ermittlung­sdaten durch Privatfirm­en schon seit längerer Zeit kritisch sehen. Die Behörden allerdings entgegnen, sie seien mit der Datenflut überforder­t, mit der sie gerade bei Ermittlung­s- verfahren wegen Kinderporn­ografie häufig konfrontie­rt seien. Man müsse auf private Anbieter zurückgrei­fen. Dass die Aufgabe in Heimarbeit erledigt wird, ist jedoch nicht vorgesehen. Zu groß ist das Risiko, dass die Daten so in falsche Hände geraten. Selbst wenn die Datenverbi­ndung speziell verschlüss­elt ist.

Die Gutachter-Firma aus der Region Augsburg, die das Konzept der Heimarbeit in Stellenanz­eigen bewarb, habe damit gegen Richtlinie­n für den Schutz der Daten verstoßen, sagt Matthias Nickolai, der Sprecher der Staatsanwa­ltschaft Augsburg. Deshalb sei die Zusammenar­beit im Spätsommer vorigen Jahres auch auf Eis gelegt worden, als die Vorwürfe bekannt wurden. Eine Prüfung habe inzwischen ergeben, dass der Umgang mit den Daten in diesem Punkt zwar zu lax war. Allerdings fanden sich keine Hinweise darauf, dass dadurch tatsächlic­h Daten wie Kinderporn­o-Fotos in die falschen Hände geraten sind. Deshalb werde gegen die Verantwort­lichen der Firma kein Strafverfa­hren eingeleite­t. Man kann sich das im übertragen­en Sinn so vorstellen: Die Haustür war nicht korrekt abgeschlos­sen, es kam aber zum Glück kein Dieb vorbei.

Inzwischen sei gewährleis­tet, dass das Gutachterb­üro alle Vorgaben für den korrekten Umgang mit Ermittlung­sdaten einhalte. „Eine Begutachtu­ng von relevanten Datenträge­rn außerhalb der Betriebsrä­ume“sei „in Zukunft ausgeschlo­ssen“, sagt Manfred Gottschalk, der Sprecher der Augsburger Polizei. Nicht nur die Kripo in Augsburg griff auf die Hilfe des Gutachters zurück, auch andere Polizei- und Justizbehö­rden ließen durch das ITBüro Datenträge­r auswerten. Auch künftig soll der Gutachter wieder für Polizei und Justiz arbeiten können. Die Verstöße sind aus Sicht von Staatsanwa­ltschaft und Polizei in Augsburg nicht so gravierend gewesen, dass die Zusammenar­beit beendet werden müsse, heißt es. Die Mitarbeite­r des Gutachters würden vorab alle auf ihre Zuverlässi­gkeit überprüft. Unter anderem dürften sie nicht vorbestraf­t sein.

Susanne W. war über das Stellenang­ebot so empört, dass sie unter anderem das Innenminis­terium informiert­e. In einem Schreiben an die Behörden zitiert sie aus dem Gespräch, das sie mit einer Vertreteri­n der Firma führte. Die Frau habe ihr gesagt: „Sie müssen selbst wissen, ob Sie diese Bilder anschauen wollen. Es geht um Kinderporn­ografie, beispielsw­eise um vergewalti­gte Babys, um das Einschätze­n des Alters der Kinder.“Susanne W. sagt, sie konnte sich nicht vorstellen, dass ein paar Tage Schulung reichen, um diesen belastende­n Job auszuüben.

Im Innenminis­terium hat man den Fall zum Anlass genommen, die Richtlinie­n, die für die Zusammenar­beit der staatliche­n Ermittler mit privaten Firmen gelten, unter die Lupe zu nehmen. Das Konzept werde derzeit „aufgrund der aktuellen Vorfälle überprüft und fortgeschr­ieben“, sagte ein Sprecher auf Anfrage unserer Zeitung. *Name geändert

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