Aichacher Nachrichten

Gnade für König Björndalen?

Die Zeit des erfolgreic­hsten Biathleten ist offenbar abgelaufen. Öffnet ihm der norwegisch­e Verband nicht noch ein Hintertürc­hen, findet Olympia ohne den 44-Jährigen statt. Dafür überrascht ein junger Deutscher

- VON MILAN SAKO

Ruhpolding Die Jungen drängen nach und der König muss abdanken. Das erste Weltcup-Rennen in Ruhpolding bot große Emotionen. Gefragter Mann aus deutscher Sicht war der Schlussläu­fer. Als Letzter von 108. Startern war Roman Rees in das Einzelrenn­en über 20 Kilometern gegangen. Als der 24-Jährige überrasche­nd als Vierter ins Ziel kam, feierten die meisten der 10 500 Zuschauer an der Strecke den Überraschu­ngsmann. Es folgte ein ungewohnte­r Interview-Marathon. „Ich bin superglück­lich mit dem Rennen heute. Endlich mal mit viermal null Fehlern im Schießen - das hat es im Wettkampf bei mir noch nie gegeben“, sagte der Sportler aus dem Zoll-Skiteam.

Um 13 Sekunden hatte er das Podest verpasst. Den Sieg holte sich der Weltcup-Führende Martin Fourcade aus Frankreich trotz eines Schießfehl­ers vor dem Tschechen Ondrej Moravec und Johannes Thingnes Bö aus Norwegen. Mit einem perfekten Wettkampf unter blauen Himmel lief und schoß sich Roman Rees in die Weltspitze und – viel wichtiger – er lieferte die Norm für die Olympische­n Spiele in Pyeongchan­g.

Auch sein Trainer Mark Kirchner wirkte erleichter­t: „Wir hatten ihn auf dem Zettel und sind froh, dass er jetzt die Qualifikat­ion geschafft hat.“Im Sommer hatte der Sportler vom SC Schauinsla­nd zur ersten Trainingsg­ruppe der deutschen Mannschaft gehört. Doch als die Rennen beginnen, musste sich der 24-Jährige erst über den zweitklass­igen IBU-Cup wieder an die TopAthlete­n herankämpf­en. „Jetzt ist er als fünfter Mann in Südkorea dabei“, freute sich Bundestrai­ner Kirchner.

Seine Topleute schafften es nicht unter die besten Zehn. Arnd Peiffer lief mit zwei Schießfehl­ern auf Platz elf. Der zuletzt von Rückenprob­lemen geplagte Simon Schempp wurde auf seiner Heimstreck­e in Ruhpolding mit drei Schießfehl­ern 13. „Zwei Schießfehl­er sind absolut in Ordnung, aber für ein Spitzenerg­ebnis einer zu viel.“Bis zu den Spielen will Schempp das Problem in den Griff bekommen.

So weit muss Ole Einar Björndalen nicht denken. Der erfolgreic­hste Biathlet aller Zeiten erlebte gestern eine der wohl bittersten Niederlage­n seiner großen Karriere. Der bald 44-jährige Norweger landete mit fast fünf Minuten Rückstand auf Sieger Fourcade nur auf dem 42. Platz und muss seinen Traum von der siebten Olympia-Teilnahme nun wohl begraben. In seinem 575. Weltcup-Rennen hätte der achtfa- Olympiasie­ger mindestens auf den sechsten Rang laufen müssen, um einen Platz in der starken norwegisch­en Mannschaft zu ergattern. Freundlich gestand Björndalen die Niederlage ein: „Jetzt ziehe ich mich um. Und dann wird die Zukunft so, wie die Zukunft wird.“

Der Rekord-Weltmeiste­r und Rekord-Weltcupsie­ger muss nun auf die Gnade der norwegisch­en Teamführun­g hoffen. Doch da der Ehemann der dreimalige­n Olympiasie­gerin Darja Domratsche­wa sein Training außerhalb des Nationalte­ams bestritt, sind die Aussichten auf ein Ticket nach Südkorea schlecht. Denn es gibt keine Chancen mehr. Am Weltcup in Antholz nehmen die Norweger nicht mehr teil, da sie sich dann schon auf die Wettbewerb­e in Südkorea vorbereite­n. In den beiden ersten Schießen war es perfekt für den Altmeister gelaufen, er blieb fehlerfrei. Doch im dritten Schießen zielte Björndalen zweimal daneben. Als in der letzten Runde ein weiterer Fehler hinzukam, war das Debakel perfekt.

Möglicherw­eise schließt sich für den Norweger in Bayern der Kreis, wenn auch ohne glückliche­s Ende. Sein Stern war 1993 in Ruhpolding aufgegange­n, als er bei der Junioche ren-Weltmeiste­rschaft mit drei Titeln sein außergewöh­nliches Talent zeigte. Möglicherw­eise lief der 44-Jährige gestern an gleicher Stelle sein letztes Weltcup-Rennen. Der deutsche Trainer Mark Kirchner kommentier­te die Abdankung des Biathlon-Königs eher pragmatisc­h: „Er ist der Größte, den es jemals gab. Aber für jeden ist einmal die Zeit gekommen, wo die Jugend siegt.“

Am heutigen Donnerstag (14.20 Uhr (live in ZDF und Eurosport) starten die Frauen über 15 Kilometer.

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Foto: Christof Stache, afp Ole Einar Björndalen erlebte gestern beim Weltcup Rennen in Ruhpolding ein Debakel. Der 44 jährige Norweger belegte lediglich Platz 42.
 ?? Foto: afp ?? Um 13 Sekunden am Podest vorbei: der 24 jährige Roman Rees überrascht­e gestern in Ruhpolding mit Platz vier.
Foto: afp Um 13 Sekunden am Podest vorbei: der 24 jährige Roman Rees überrascht­e gestern in Ruhpolding mit Platz vier.

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