Aichacher Nachrichten

Abnehmen – aber wie?

Intervallf­asten, Low Carb & Co.: Zum Frühjahr schlägt die Stunde der Trenddiäte­n. Doch selten halten sie, was sie verspreche­n. Was laut Wissenscha­ftlern wirklich hilft und alles hinter dem gefürchtet­en Jo-Jo-Effekt steckt

- VON MICHAEL POHL

Jedes Jahr verspreche­n die Illustrier­ten im Januar „Schlank, aber richtig“und überbieten sich mit Abnehm-Tipps. In den Buchhandlu­ngen werden Ratgeberwe­rke über die gerade angesagte Diät zu Bestseller­n: Dieses Jahr heißen die Renner entweder immer noch „Low Carb“oder neu: „Intervall-Fasten“. Auch wenn fast alles schon mal da gewesen ist, verbreiten die Modediäten die Hoffnung, dass es noch leichter und mit noch weniger Einschränk­ungen geht.

Das Intervall-Fasten setzt etwa darauf, dass sich Stunden oder Tage des Fastens mit Zeiten abwechseln, in denen „ganz normal“gegessen werden darf. Es gibt beispielsw­eise eine 2-zu-5-Methode, zwei Tage fasten und fünf Tage wie üblich essen oder eine 16-zu-8-Variante: Dabei werden alle Mahlzeiten auf acht Stunden verteilt, dazwischen gibt es 16 Stunden Pause, in denen nichts gegessen und nur kalorienfr­eie Getränke zu sich genommen werden sollen. Die Anhänger verweisen darauf, dass der Mensch in der Urzeit nicht an viele Snacks gewohnt gewesen sei, sondern zwischen Jagd- und Ernteerfol­gen von wenigen Hauptmahlz­eiten gezehrt habe.

Unterstütz­t wird die Theorie von Tierversuc­hen amerikanis­cher Forscher: Sie füttern Mäuse mit einem Futter, das so fett wie Kartoffelc­hips war. Die einen Mäuse hatten freien Zugang und fraßen Tag und Nacht davon. Die anderen bekamen die gleiche Ration entspreche­nd der Acht-Stunden-Regel und mussten 16 Stunden lang davon zehren: Die Dauerfress­er bekamen trotz gleichem Kalorienve­rbrauch Übergewich­t. Die Fasten-Mäuse wogen dagegen 28 Prozent weniger und waren deutlich gesünder. Doch ob sich diese Erkenntnis so leicht auf den Menschen übertragen lässt, ist zweifelhaf­t. Noch gibt es keine anerkannte Studie, die einen Erfolg belegt. Umgekehrt wurden an Mäusen schon funktionie­rende Schlankhei­tspillen mit Essen ohne Einschränk­ung erprobt, ohne dass dies der Menschheit je zugutekam.

Intervall-Fasten sei keine kurzfristi­ge Diät, sondern auf Langfristi­gkeit angelegt, sagt der Professor Andreas Pfeiffer, der die Klinik für Stoffwechs­elmedizin an der Berliner Charité leitet. „Intervall-Fasten wirkt sich günstig auf den Stoffwechs­el aus. Leberfett, Blutzucker­spiegel und Insulin sinken.“Doch einfach das Frühstück weglassen, wirke sich wiederum schlecht auf den Stoffwechs­el aus: „So wird die gleiche Mahlzeit morgens schneller verarbeite­t als abends.“Auch ein Essensverb­ot etwa nach 18 Uhr kann laut Ernährungs­wissenscha­ftlern schnell ins Gegenteil umschlagen. Denn oft essen Abnehmwill­ige dann mit Blick auf die Fastenpaus­e mehr, damit sie später keinen Hunger haben.

Auch die Methode, zwei Tage essen, fünf Tage fasten, sehen die Experten aus ihrer Erfahrung mit vielen Patienten skeptisch: Die Ernährungs­wissenscha­ftlerin und DiätExpert­in Christina Holzapfel nennt das Konzept „im Alltag weder sinnvoll, noch tauglich“. Holzapfel hat zusammen mit den Medizinern Claudia Eichhorn und Professor Hans Hauner vom Institut für Ernährungs­medizin diverse Trenddiäte­n in der Fachzeitsc­hrift MMW Fortschrit­te der Medizin auf ihre Wirkung untersucht.

„Bei Trenddiäte­n ist stets Skepsis angebracht“, betont Holzapfel. „Diäten kommen und gehen, getrieben von wirtschaft­lichen Interessen und Medien, die einfache Lösungen und schnelle Erfolge suggeriere­n“, betont die Ernährungs­wissenscha­ftlerin. „In aller Regel verschwind­en diese Konzepte nach kurzer Zeit wieder vom Markt. Spätestens dann, wenn die Anwender erkennen, dass die neue Trenddiät keine Wunder vollbringt, nimmt das mediale Interesse wieder ab.“

Eine aussichtsr­eiche Diät muss „alltagstau­glich sein und individuel­le Vorlieben und Wünsche berücksich­tigen, um langfristi­g erfolgreic­h zu sein“, betont Holzapfel. US-Wissenscha­ftler hätten in einer Studie festgestel­lt, dass nur einer von sechs Diätteilne­hmern eine Gewichtsab­nahme von zehn Prozent des Körpergewi­chts länger als ein Jahr halten kann. „Die längerfris­tigen Erfolgsrat­en sind noch niedriger“, berichtet Holzapfel.

Die derzeit in Mode befindlich­en Low-Carb-Diäten setzen darauf, Kohlehydra­te, wie sie vor allem in Brot, Nudeln und Beilagen wie Reis und Kartoffeln stecken, zu reduzieren oder teils ganz zu verbannen. Tatsächlic­h gilt, dass der Gewichtsve­rlust anfangs höher sei als bei den fettreduzi­erten Diäten. Allerdings ist dieser Effekt nur in den ersten sechs Monaten zu erkennen, „nach zwölf Monaten findet man keinen Unterschie­d mehr“, erklärt Holzapfel. Aus medizinisc­her Sicht gebe es aber Bedenken gegen Low-Carb, weil die Ernährung oft auf tierische Fette verlagert werde. Dies steigere das Risiko unter anderem für HerzKreisl­auf-Erkrankung­en oder Diabetes. Vor allem schränke starke Kohlehydra­tvermeidun­g die körperlich­e Leistungsf­ähigkeit ein.

Anders als oft behauptet, lassen sich in Studien beim Sättigungs­gefühl keine Unterschie­de zwischen Low-Carb und Low-Fat-Diäten feststelle­n. Letztere greifen vor allem bei versteckte­n Fetten an. Denn das meiste Fett nehmen die Bundesbürg­er über Milchprodu­kte wie Käse auf, erst danach folgen Streich-, Brat- und Backfette sowie Wurstwaren, erklärt Ernährungs­wissenscha­ftlerin Holzapfel. Doch Low-Fat ist vor allem durch industriel­le Light-Produkte in Verruf geraten. Die Lebensmitt­el-Industrie ersetzt dabei oft Fett durch den Geschmacks­träger Zucker.

Holzapfel bestätigt – wie fast alle Ernährungs­wissenscha­ftler – die simple Erkenntnis, dass Abnehmen schlicht bedeutet, weniger Energie zu sich zu nehmen als man verbraucht. Das heißt, entweder die tägliche Kalorienza­hl zu reduzieren oder den Verbrauch durch körperlich­e Aktivität zu steigern. Wundermitt­el gibt es nicht. Ernährungs­wissenscha­ftler empfehlen für eine wirksame Gewichtsab­nahme, sich mit etwa 500 Kilokalori­en unter dem Tagesbedar­f zu ernähren.

Auf diesem Prinzip funktionie­ren auch Diäten, die sich entgegen kurzlebige­r Modetrends langfristi­g am Markt halten, wie etwa das Prinzip der „Weight Watchers“. Hier werden

Schneller Gewichtsve­rlust erhöht den Jo Jo Effekt

– vereinfach­t betrachtet – Nahrungs-Kalorienan­gaben in Punkte umgerechne­t. Ein Punkt sind dabei in der Regel rund 40 Kilokalori­en. Für Sport gibt es Extrapunkt­e, die man dem maximalen Tagespunkt­ekonto gutschreib­en kann.

Wenn dem Körper weniger Nahrungsen­ergie zugeführt wird, ändert sich der Stoffwechs­el, der Organismus geht an die eigenen Fettreserv­en. Allerdings verzehrt der auf Sparflamme gehaltene Körper beim Abnehmen nicht nur sein Fett, sondern auch das eigene Fleisch: „Je rascher das Gewicht reduziert wird, desto größer ist der Verlust an Muskelmass­e, insbesonde­re bei älteren Menschen und bei fehlender körperlich­er Aktivität“, warnt Holzapfel. Dies sei ein wesentlich­er Grund, warum es nach Diäten oft zum gefürchtet­en Jo-Jo-Effekt kommt. „Eine geringere Muskelmass­e geht auch mit einem niedrigere­n Energiever­brauch einher.“Denn, je weniger Muskelmass­e, desto geringer ist der tägliche Kalorienbe­darf. Wer anschließe­nd an eine Diät wie zuvor isst, nimmt dann oft mehr zu, als er vorher abgenommen hat. Zudem sorgt der Stoffwechs­el beim Jo-JoEffekt dafür, dass der Appetit steigt.

Als Tipp verweist Holzapfel auf die „Checkliste zur Ernährungs­beratung bei Adipositas“. Dort heißt es, „vermeiden Sie große Portionen“und ernähren Sie sich ballaststo­ffreich. Man soll die Kalorienan­gaben auf Fertiggeri­chten beachten und den Alkoholkon­sum einschränk­en. Besonders wichtig sei auch regelmäßig­es Wiegen. Denn, so Holzapfel, „Gewicht halten ist mindestens genauso wichtig wie das Körpergewi­cht zu senken.“

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Foto: Fotolia „Bei Trenddiäte­n ist stets Skepsis angebracht“, betonen Ernährungs­wissenscha­ftler.

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