Tausende Arbeitnehmer gehen auf die Straße
Die Mitarbeiter von Ledvance und Premium Aerotec unterstützen die Tarif-Forderungen der Gewerkschaft. Bei Ledvance steht allerdings mehr auf dem Spiel – und es gibt etwas Hoffnung
Die Familie Jakob verbindet eine jahrzehntelange Geschichte mit Ledvance, früher Osram. 1936 begann der Vater des heutigen Konzernbetriebsratsvorsitzenden Andreas Jakob als Leiter der mechanischen Werkstätte zu arbeiten. Ein Gewerkschafter war er nicht. Im Gegenteil, als sein Sohn den Wunsch äußerte, Gewerkschafter zu werden, war der Vater erbost. Trotzdem geht der junge Jako binden Betriebsrat desLeuchtmittelh erstellers. Der Vater beschwerte sich, wenn Tarifrunden waren und es um die Arbeitszeit ging: „Mein Gott, wer soll denn hier die Arbeit machen, wenn die Zeit noch weiter heruntergeht? Die spinnen doch alle in der Gewerkschaft.“Bis vor wenigen Jahren: Jakobs Vater wurde zum Pflegefall. Plötzlich sei er froh gewesen, dass seine Söhne und seine Enkelkinder Zeit für ihn hatten. Jeden Tag sei jemand da gewesen.
Andreas Jakob erzählt diese Geschichte auf der Kundgebung zum Warnstreik vor den Toren von Ledvance. Die IG Metall fordert in der Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie nicht nur sechs Prozent mehr Geld, sondern auch andere Arbeitszeiten. Angelika Steinecker (IG Metall) sagt, dass jeder Arbeitnehmer einen Anspruch haben soll, die Arbeitszeit für bis zu zwei Jahre auf 28 Stunden zu reduzieren und das mit einem Rückkehrrecht auf Vollzeit. Auszeiten für die Pflege, für die Erziehung, für die Lebenszeit seien notwendig, so Jakob. Der Spielraum dafür ist aus Sicht der Gewerkschafter bei den Unternehmen da. 2017 sei ein Rekordjahr für die Exportwirtschaft gewesen, so Angelika Steinecker. Bisher seien 14 000 Menschen in Bayern für die Forderungen auf die Straße gegangen. In Augsburg war auch bei Premium Aerotec gestreikt worden. Die Warnstreiks sollen heute bei MAN Diesel & Turbo, Manroland Web Systems und MT Aerospace (9.30 Uhr), Renk (9.45 Uhr) und Eberle (11.30 Uhr) weitergehen.
Bei Ledvance geht es um mehr als Tarife. Dem Werk droht die Schließung. Unter den zirka 500 streikenden Mitarbeitern scheint die Hoffnung noch nicht erloschen zu sein. „Wir erwarten, dass sich die Arbeitgeber das noch mal überlegen. Wir hoffen. Wir werden laut sein und es denen so schwer wie möglich machen“, sagt Mitarbeiter Franz Mödl (57). Grund zur Hoffnung gibt es. Am 22. Januar wird laut Jakob der Chef des chinesischen Leuchtdiodenherstellers MLS, Sun Qinghuan, zu Besuch erwartet. Ein asiatisches Investorenkonsortium um MLS hatte Ledvance aufgekauft. Dann sollen auch die Zukunftskonzepte, die aus den Vorschlägen der Mitarbeiter erarbeitet worden sind, vorgestellt werden. In den vergangenen Jahren waren sowohl bei Osram als auch später bei Ledvance immer wieder Stellen abgebaut worden – von ursprünglich 2000 auf nun 650. Das geplante Zusammenkommen mit dem Investor aus China macht den Mitarbeitern Hoffnung, dass es noch Alternativen zur Schließung des Werks geben könnte.
So könnte die Familie Jakob ihr 100-jähriges Betriebsjubiläum im September 2022 bei der Firma Ledvance doch noch feiern. Der Vater des Betriebsratsvorsitzenden arbeitete 48 Jahre, die Mutter 16 Jahre und Jacob selbst bereits 31 Jahre für die Firma. Zuversichtlich spricht er am Ende seiner Ansprache eine Einladung aus: „Wenn wir diesen Zeitpunkt noch erleben, dann gebe ich jedem, der hier steht, einen aus“.