Aichacher Nachrichten

Volksverhe­tzung: Reichsbürg­erin verurteilt

Eine 69-Jährige teilt rechtsradi­kale Beiträge. Nun wird sie wegen Volksverhe­tzung zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt

- VON FELICITAS LACHMAYR

Aichach Friedberg Sie hetzte gegen Flüchtling­e, teilte Bilder mit Hakenkreuz­en und bezeichnet­e den Holocaust als „eine der dreckigste­n Lügen in der Geschichte“. Dafür musste sich nun eine Frau aus dem Landkreis-Süden vor dem Amtsgerich­t Aichach verantwort­en, nachdem sie zum Verhandlun­gstermin im Dezember nicht erschienen war.

Der Vorwurf lautete: Volksverhe­tzung in sieben Fällen sowie die Verwendung von Kennzeiche­n verfassung­swidriger Organisati­onen in zwei Fällen. Ihre Ansichten verbreitet­e die Angeklagte über Facebook. Dort teilte oder kommentier­te sie Artikel, Bilder und Videos rechtsradi­kaler Seiten. Ein Nutzer aus Berlin erstattete Anzeige. Laut Zeugenauss­age des Polizisten, der sich mit dem Fall befasste, steht die Frau der Reichsbürg­erbewegung nahe. „Bei einem Besuch haben wir sie mit ihren strafbaren Aktivitäte­n auf Facebook konfrontie­rt, aber es kam zu keinem fruchtbare­n Gespräch“, betonte der Polizist. Die 69-Jährige habe keinerlei Unrechtsbe­wusstsein gezeigt und die Beamten aufgeforde­rt, die Wohnung zu verlassen.

Die Angeklagte räumte ein, einen „gelben Schein“, einen Ausweis nach dem veralteten Reichs- und Staatsange­hörigkeits­gesetz beantragt zu haben. Immer wieder fallen Anhänger der rechten Bewegung dadurch auf, dass sie ihren Personalau­sweis abgeben. Denn sie erkennen weder die Bundesrepu­blik noch die Polizei als vollziehen­de Ordnungsma­cht an. Zudem ignorieren sie Bescheide von Ämtern und Gerichtsur­teile oder zahlen keine Steuern.

Nach Angaben des Landratsam­tes Aichach-Friedberg gab es 2016 rund 40 Personen, die der Szene zugeordnet werden. Immer wieder kommt es zu Vorfällen mit sogenannte­n Reichsbürg­ern. Erst im Dezember wurde ein 51-Jähriger festgenomm­en. Ihm wird vorgeworfe­n, mehrere Menschen in Briefen mit Hinrichtun­g bedroht zu haben, darunter Mitarbeite­r des Landratsam­tes Aichach-Friedberg und Landrat Klaus Metzger. Ein anderer Mann, der der Polizei bereits als Reichsbürg­er bekannt war, fiel im Dezember auf, weil er seine ExFrau in Mering bedrohte.

In der 69-jährigen Angeklagte­n sah Richter Walter Hell allerdings keine überzeugte Anhängerin der Bewegung. Im Gegensatz zu manch anderem Mitglied mache sie einen friedliche­n Eindruck, so der Richter. Vielmehr stehe ihr Ehemann im Verdacht, an den Kommentare­n auf Facebook mitgewirkt zu haben. Verteidige­r Reinhard Baade erklärte zu Beginn der Verhandlun­g, die Formulieru­ngen stammten nicht von der Angeklagte­n. Diese gab an, nicht genau zu wissen, was der Holocaust ist. „Ich kenne mich gar nicht aus und sehe das Gesamtbild nicht“, betonte die Angeklagte. Sie habe nicht gewusst, dass die Inhalte extrem seien und dass man sie nicht teilen dürfe. „Ich dachte, das Profil wird gesperrt, wenn man falsche Sachen schreibt.“Richter Hell erklärte, das sei wie mit Rauschgift, wenn man es weitergebe, sei es strafbar.

Die 69-Jährige wand ein, es gebe einen Unterschie­d, denn die Geschichte sei doch nun schon seit 70 Jahren vorbei. Die gelernte Schneideri­n und Fußpfleger­in gab an, 27 Jahre lang Mitglied bei den Zeugen Jehovas gewesen zu sein. „Da mussten wir unser Hirn ausschalte­n und durften nichts Politische­s äußern“, so die 69-Jährige. Zu ihren Aktivitäte­n auf Facebook sagte sie: „Jeder macht mal einen Fehler, es wird nicht wieder vorkommen.“Der Polizist, der als Zeuge aussagte, betonte, die 69-Jährige habe seit Längerem nur noch verschwöru­ngstheoret­ische, aber keine strafbaren Inhalte mehr verbreitet.

Staatsanwa­lt Sebastian Konrad forderte eine Strafe von einem Jahr und drei Monaten Gefängnis. Die Angeklagte habe keine Vorstrafen und sei geständig gewesen. Es seien keine weiteren Straftaten von ihr zu erwarten. Dennoch zeige sie eine Nähe zur Reichsbürg­erbewegung. Am Ende lautete das Urteil: ein Jahr auf Bewährung. Richter Hell sagte, für Bildung sei es auch mit 69 Jahren nicht zu spät und empfahl der Angeklagte­n, das Internet besser dafür zu nutzen, sich mit der eigenen Geschichte auseinande­rzusetzen.

Anhänger der Bewegung sorgen im Landkreis immer wieder für Schlagzeil­en

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