Aichacher Nachrichten

Ein scharfer Kandidat für das Weltkultur­erbe – die Bosna

- VON SILVANO TUIACH feuilleton@augsburger allgemeine.de

Man traute seinen Augen nicht, als die Nachricht unlängst in den Medien kursierte: Die Pizza ist zum Weltkultur­erbe ernannt worden!

Der Siegeszug der Pizza begann ja auch in Augsburg Anfang der 1960er Jahre, als in Pfersee die erste Pizzeria eröffnete. Der italienisc­he Gastwirt war sich damals bewusst, dass kein Mensch in Augsburg wusste, was eine Pizza war. Doch der Padrone wusste sich zu helfen und schrieb mit einer Kreide auf eine Schieferta­fel, die neben dem Eingang hing: „Heute Tomatendat­schi!“So konnte sich der Augsburger in etwa vorstellen, wie der belegte Hefefladen aussah.

Die Pizzerien hatten seitdem die Gastronomi­e in Deutschlan­d revolution­iert und okkupiert. Aber die altehrwürd­ige neapolitan­ische Pizza ist seitdem zu einem profanen Konsumarti­kel herabgesun­ken, reine Magennerve­n-Beruhigung. Wird jeden Tag von Lieferfirm­en in schnöden Kartons geliefert und dann auch gleich aus der Pappschach­tel herausgefr­essen. Pizza und Döner – die „kulinarisc­he“Grundverso­rgung der Deutschen. Aber auch wir Augsburger haben ein Leibgerich­t, mit dem sich die Stadt für den Titel „Weltkultur­erbe“bewerben könnte: die heiß geliebte Bosna. Wer sie hierzuland­e in den 1970er Jahren erfunden hat, entzieht sich leider meiner Kenntnis. Vielleicht ein bosnischer Gastarbeit­er, der die Vorlieben des Augsburger­s für Scharfes herausgefu­nden hat. Die Urzelle der Bosna war in dem kleinen Laden am Judenberg und hat sich seitdem auf den Bürgerfest­en und Weihnachts­märkten verbreitet.

Eine andere Augsburger Spezialitä­t (auch ein Kulturerbe) ist die Plärrer-Lachssemme­l. Einzigarti­g. Weltweit. Denn auf der Augsburger-Plärrer-Lachssemme­l befindet sich ja kein Schnipselc­hen Lachs. Es sind rot gefärbte Fischreste von weiß Gott welchen Fischen, also ein raffiniert­es Produkt.

Nachdem hierzuland­e ja alle möglichen Nahrungsmi­ttel mit dem Zusatz „Fugger“aufgewerte­t werden („Fuggerlaib“, „Fuggertale­r“, „Fuggerwurs­t“), könnte man die Lachssemme­l in „Fuggerlach­ssemmel“umtaufen und den Wert der Semmel steigern. Eine andere Augsburger Spezialitä­t, die „Schupfnude­ln“(erfunden von Sebastian Schindelma­ier aus der Kirchgasse im Jahre 1596), sind ein Stück Kultur und könnten im Zuge der Anglisieru­ng auch als push-noodles vermarktet werden.

An dieser Stelle blickt der Kabarettis­t Silvano Tuiach für uns auf das Geschehen in Augsburg und der Welt.

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Zeichnung: Silvano Tuiach

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