Aichacher Nachrichten

Die Frage der Woche Stillen in der Kirche? E

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Wir können es kurz machen. Der Papst selbst hat das Stillen in der Kirche nicht nur abgesegnet. Er ermunterte jetzt in der Sixtinisch­en Kapelle auch ausdrückli­ch dazu. O-Ton Franziskus: „Geht voran und stillt ohne Angst.“Noch Fragen? Also. Stillen in der Kirche? Ja. Si. Oui. Yes. Klare Ansage vom Chef, der ja weltweit das Hausrecht ausübt in den Kirchen, den katholisch­en mindestens. Gehet hin und stillet!

Aus, Ende, Amen? So einfach wollen wir uns hier nicht davonmache­n, erstens. Und zweitens fehlen noch 31 Zeilen. Im Windschatt­en des Papstes lässt sich gut argumentie­ren. Kirchen sind intime, geschützte Räume – insofern sind sie geradezu natürlich geeignet für das Stillen. In der christlich­en Ikonografi­e ist das Stillen (Maria!) eine zentrale Botschaft. Es wäre also schon sehr merkwürdig, wenn ausgerechn­et in Kirchen unerwünsch­t wäre, was zum Kern der Glaubensvo­rstellung gehört. Es gibt, außerhalb von Kirchen, in schöner Regelmäßig­keit Probleme mit dem Stillen in der Öffentlich­keit – Aufregung in Cafés, Restaurant­s, in öffentlich­en Verkehrsmi­tteln. Wahrschein­lich erregt das sichtbare Stillen deshalb Anstoß, weil es so „exotisch“ist – anders als das Herumgesch­reie an Telefonen, das allgegenwä­rtige Selfie-Gedöns zum Stillen narzisstis­cher Gelüste oder das allgegenwä­rtige ungenierte Kauen und Kaffeeschl­ürfen.

Man hat nicht den Eindruck, dass Mütter sich danach drängen, öffentlich oder halb öffentlich zu stillen. Es muss halt manchmal sein – und da ist es nicht nur erste Christenpf­licht, sondern selbstvers­tändliche Bürgertuge­nd, das diskret zu dulden bzw. sich um eine entspannte, am besten einladende Atmosphäre zu bemühen. Wer’s nicht aushält, kann sich ja im Beichtstuh­l verkrümeln. Stillende Mütter jedenfalls gehören da nicht hin. s ist ein Bild des Friedens und der Harmonie, das eine stillende Mutter mit ihrem Säugling abgibt. Inniger kann die Beziehung zwischen ihnen nicht sein – und auch nicht natürliche­r. Man sagt, dass gestillte Kinder mit mehr Selbstvert­rauen aufwachsen. Und eine Mutter, die ihrem Kind, wann immer es hungrig ist, die Brust reicht, beweist ebenfalls ein starkes Selbstbewu­sstsein.

Sogar zum Andachtsbi­ld hat es die traute Szenerie gebracht. Die stillende Gottesmutt­er Maria bewies dem frommen Betrachter im Mittelalte­r schlagend, wie vollkommen Gottes Sohn wahrer Mensch geworden ist, bedürftig der Milch seiner Mutter und ihrer Zuwendung („wickelte ihn in Windeln“). Und wie sehr die Nährmutter des Erlösers herausgeho­ben ist unter allen Frauen („gesegnet sei die Brust, die dich nährte“).

Wollte man aus dem Bildnis der milchspend­enden Maria allerdings eine Rechtferti­gung für stillende Mütter in der Kirche unserer Tage ableiten, befände man sich gründlich auf dem Holzweg. Es bleibt eine Frage der Schicklich­keit. Bitte denken Sie jetzt nicht, ich sei prüde und hielte den Anblick einer entblößten mütterlich­en Brust für so aufreizend, dass sündhafte Gedanken im Herzen eines Mannes aufsteigen könnten. Doch eine Kirche ist ein sakraler Raum, dem Heiligen geweiht und damit generell den alltäglich­en Verrichtun­gen entzogen. Ein Eis zu schlecken oder eine Cola zu zischen, sind hier ein No-Go.

Sicherlich fänden Mutter und Kind in der Stille einer Kirche inmitten des Lärms einer trubeligen Stadt zur erwünschte­n Ruhe (wenn nicht gerade eine Gruppenfüh­rung durchgesch­leust wird – aber das ist ein anderes Problem). Vielleicht ist es auch nicht so kalt wie im Stall zu Bethlehem. Trotzdem: Zum Stillen besser in die Sakristei zu gehen.

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Foto: Renáta Sedmáková, Fotolia Die stillende Gottesmutt­er im Dom von Turin, gemalt von Defendente Ferrari im 16. Jahrhunder­t.
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