Das lange Warten auf einen Arzttermin
Viele Kassenpatienten in Augsburg ärgern sich. Besonders schlimm ist die Situation bei Kinderärzten. Es gibt viele Gründe für das Problem, aber auch eine Lösung
Der Rücken schmerzt. Anruf beim Wirbelsäulenspezialisten. Die Antwort am Telefon: „Den nächsten Termin haben wir erst in drei Wochen frei.“Wochenlange Wartezeiten auf eine Untersuchung beim Orthopäden sind die Regel. Die Suche nach einem Kinderarzt, der neue Patienten annimmt, kann Monate dauern, auch in Augsburg. Immer mehr Kassenpatienten klagen über das Problem, einen Termin beim Facharzt zu bekommen.
Extrem schwierig ist die Lage bei Kinderärzten. Dr. Martin Lang in Augsburg hat einen jungen Patienten, dessen Mutter berichtet, sie habe eineinhalb Jahre nach einem Kinderarzt suchen müssen. Viele Praxen können wegen Überlastung keine neuen Patienten mehr annehmen, so Lang. Dafür gebe es mehrere Gründe. In Augsburg habe die Zahl der Geburten in den vergangenen drei Jahren stark zugenommen. Bemerkbar mache sich auch, dass viele Flüchtlingsfamilien mit Kindern nach Deutschland kommen.
Darüber hinaus hat der Arbeitsaufwand bei den Kinderärzten stark zugenommen. Das hängt nicht nur mit der steigenden Zahl von Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen zusammen. Es gebe auch immer mehr Kinder mit behandlungsbedürftigen Störungen oder mit akuten Infekten, die sie sich in der Krippe oder im Kindergarten holen. „Die Lage hat sich insgesamt verschärft“, sagt Lang. Viele Eltern mit kranken Kindern seien regelrecht verzweifelt, wenn sie am Telefon keinen Mediziner erreichen können.
Er fordert deshalb als Landesvorsitzender der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) in Bayern, den Bedarf für die medizinische Versorgung der Bevölkerung neu zu berechnen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass Kinderärzte für Familien eine ähnliche Funktion erfüllen wie Hausärzte. Die Zahl der geförderten Weiterbildungsplätze für junge Kinderärzte müsse schon jetzt erhöht werden, um nach einer Reform rasch neue Kräfte zu bekommen.
Auch Dr. Markus Beck in Augsburg kennt die Klagen von Kassenpatienten, die sehr lange auf einen Termin beim Hausarzt oder Facharzt warten müssen. Beck ist Vorsitzender des Ärztlichen Bezirksverbandes Schwaben. Auch er hält die bundesweiten Bedarfszahlen für die medizinische Versorgung für veraltet. Sie stammen noch aus den 1990er Jahren. Zwar sei die Lage in Deutschland im Vergleich mit anderen Ländern sehr gut, betont er, trotzdem hält auch er eine Neuberechnung für nötig.
Beck zufolge ist mit dem Fortschritt in der Medizin der Arbeits- aufwand für niedergelassene Ärzte enorm gestiegen. Patienten mit Herzerkrankungen oder Diabetes beispielsweise seien früher oft nur Medikamente verschrieben worden, heute gebe es komplexe Therapien, die Zeit benötigen, und auch viel mehr regelmäßige Kontrolluntersuchungen bei chronischen Erkrankungen. Nach seiner Einschätzung können lange Wartezeiten für Patienten aber auch durch eine gute Koordination verkürzt werden. Sinnvoll sei es, bei Beschwerden erst einmal zum Allgemeinmediziner zu gehen, sagt Beck. „Wenn der Hausarzt eine Dringlichkeit feststellt, geht der Termin beim Facharzt schneller.“
Bei langen Wartezeiten auf einen Arzttermin gibt es auch noch eine andere Alternative: Patienten können sich an die Terminservicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns wenden. Ihr gesetzlicher Auftrag ist es, innerhalb von vier Wochen einen Termin beim Facharzt zu vermitteln. Voraussetzung ist in der Regel, dass der Versicherte eine Überweisung des Hausarztes vorliegen hat.
Bislang wird die Vermittlung allerdings wenig von Patienten in Anspruch genommen. 2017 seien über die Terminservicestelle von Januar bis November nur 1755 Termine bei Fachärzten vermittelt worden, die als dringlich eingestuft waren und die Voraussetzung erfüllt haben, einen Behandlungstermin innerhalb von vier Wochen zu erhalten, so KVB-Sprecherin Birgit Grain. Im Vergleich zu den 80 Millionen Behandlungsfällen jährlich in Bayern liegt die Vermittlung damit nur im Promillebereich. Bislang hätten aber alle Terminanfragen im ambulanten Bereich vermittelt werden können. Kein einziger Patient habe an ein Krankenhaus verwiesen werden müssen. Dies zeige, dass die Zusammenarbeit von Haus- und Fachärzten in Bayern funktioniere.
„Es ist aber auch nicht zu leugnen, dass der Druck auf die niedergelassenen Ärzte ständig zunimmt“, sagt Grain. Deshalb hält man es nun auch bei der KVB für dringend nötig, die Bedarfsplanung für Ärzte zu reformieren. Bundesweit ist gesetzlich festgelegt, wie viele Ärzte sich in welchen Regionen niederlassen dürfen. Der zuständige „Gemeinsame Bundesausschuss“sei bereits damit beauftragt, die Bedarfsplanung grundlegend zu überarbeiten, so die KVB.