Aichacher Nachrichten

Neue Regeln fürs Rotlichtmi­lieu belasten die Stadt

Alle Prostituie­rten benötigen jetzt einen Ausweis und müssen zu Beratungsg­esprächen. Das ist aufwendig, weil viele nicht Deutsch sprechen und weder lesen noch schreiben können. Pro Woche melden sich 15 bis 20 Frauen

- VON JÖRG HEINZLE

Von den Freiern lässt sie sich „Shyla“nennen. Die junge Frau stammt aus Ungarn und arbeitet in einem Bordell in Haunstette­n. „Tanja“aus Lettland empfängt Männer in einer Bordellwoh­nung. Ihre Adresse bekommt man nur, wenn man sich telefonisc­h bei ihr meldet. Rund 500 Frauen arbeiten nach Schätzunge­n der Polizei in Augsburg als Prostituie­rte. Seit dem Jahreswech­sel müssen sie sich alle anmelden, um arbeiten zu dürfen. Auch für Bordellbet­riebe gelten neue Regeln. Für die Stadt ist es ein großer Aufwand, die Vorschrift­en umzusetzen. Ob die Frauen damit wirklich besser geschützt werden, wie es die Politik beabsichti­gte, ist nach Einschätzu­ng von Experten allerdings fraglich.

Rund 200 Frauen haben sich bis jetzt bei der Augsburger Stadtverwa­ltung gemeldet. Die Prostituie­rten müssen sich bei einer Kommune einen Ausweis ausstellen lassen, um künftig noch arbeiten zu dürfen. Damit sie das Dokument bekom- men, müssen die Frauen zuvor an zwei Beratungsg­esprächen teilnehmen – beim Gesundheit­s- und beim Ordnungsam­t. Es gehe dabei um Themen wie Krankenver­sicherung, und Steuern, aber auch um Angebote zum Ausstieg aus dem Rotlichtmi­lieu, sagt Werner Reinbold vom Ordnungsam­t. Die Gespräche sind aufwendig. Die Erfahrung zeigt: Im Durchschni­tt sprechen sieben von zehn Frauen so schlecht Deutsch, dass ein Übersetzer benötigt wird.

Das entspricht den Erfahrunge­n der Kripo. Bei Kontrollen im Milieu treffen die Beamten überwiegen­d auf Frauen aus Osteuropa. Über 80 Prozent der Prostituie­rten seien Ausländeri­nnen, sagen die Ermittler. Viele Frauen stammen aus sozial schwachen Schichten. Das merken die Mitarbeite­r der Stadt bei ihren Gesprächen. Zahlreiche Prostituie­rte könnten den notwendige­n Antrag nicht selbst ausfüllen, weil sie nicht oder nur schlecht lesen und schreiben könnten, berichtet Werner Reinbold. Weil in der Regel mindestens zwei Termine nötig sind, bis der Prostituie­rten-Ausweis ausgestell­t werden kann, gibt es einen Rückstau bei den Anmeldunge­n. 200 Frauen haben sich bisher gemeldet, 130 haben schon einen Ausweis bekommen. Etwa 15 bis 20 Anmeldunge­n kommen derzeit aber noch Woche für Woche neu hinzu. Um die neuen Rotlicht-Regeln umzusetzen, musste die Stadt eigens zwei neue Stellen schaffen.

Die Anmeldung soll nach dem Willen des Gesetzgebe­rs dazu beitragen, Opfern von Zwangspros­titution zu helfen. Bei konkreten Hinweisen darauf, dass eine Frau zur Arbeit im Bordell gezwungen oder ausgebeute­t wird, darf die Stadt keinen Ausweis ausstellen. In der Praxis ist das schwierig. „Wir müssen ganz konkrete Hinweise haben, nur dann können wir die Anmeldung verweigern“, sagt Reinbold. Etwa, wenn die Kripo belegen könne, dass ein Zuhälter eine Frau unter Druck setzt. Bisher gab es in Augsburg noch keine einzige Ablehnung. Ein Problem ist auch: Laut Vorschrift müssen sich die Prostituie­rten in der Stadt anmelden, in der sie überwiegen­d tätig sind. In der Realität sieht es aber meist so aus, dass vor allem die Ausländeri­nnen von einer Stadt in die andere reisen und jeweils nur wenige Wochen bleiben.

Nicht nur die Prostituie­rten müssen sich anmelden – und diesen Vorgang alle zwei Jahre wiederhole­n. Auch Bordelle benötigen jetzt eine Lizenz des Ordnungsam­tes, ähnlich wie Gaststätte­n. Eine Vorgabe ist unter anderem, dass die Betreiber keine relevanten Vorstrafen haben dürfen. Eine andere Vorgabe stößt bei Bordellbet­reibern auf Kritik. Die Prostituie­rten dürfen demnach künftig nicht mehr im selben Zimmer arbeiten und übernachte­n.

Die Stadt verfolgt in diesem Punkt eine strenge Linie. Ausnahmen von dieser Regel will sie, wenn überhaupt, nur in Sonderfäll­en zulassen. Etwa, wenn zwei Prostituie­r- te gemeinsam in einer Wohnung leben und sich dort auch ein „Arbeitszim­mer“eingericht­et haben. Was bisher in zahlreiche­n größeren Häusern der Fall ist – dass die Frauen ein Zimmer mit Bad anmieten und es zum Arbeiten und Übernachte­n nutzen – soll dagegen nicht mehr zulässig sein. Das soll verhindern, dass die Frauen sich rund um die Uhr im selben Raum aufhalten und nicht aus dem Bordell heraus kommen. Bordellbet­reiber entgegnen dem, die Frauen wollten in den Zimmern schlafen und müssten durch die Neuregelun­g zusätzlich Geld ausgeben, um ein Pensionszi­mmer anzumieten. Werner Reinbold hält dagegen: „Wenn ein Betreiber das als Problem sieht, kann er zugunsten der Frauen ja die Miete für das Zimmer senken.“

Bis jetzt hat noch kein Augsburger Bordell eine Lizenz – die Unterlagen wurden erst nach und nach bei der Stadt abgegeben. Zehn Betreiber hätten ihr Geschäft im Rotlichtmi­lieu aber angesichts der Regeln aufgegeben, heißt es.

Zehn Betreiber haben bis jetzt aufgegeben

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