Wachsen oder weichen
Fachbüro hat dem Kreistag Neuburg-Schrobenhausen die Potenzialanalyse für die Klinik in Schrobenhausen vorgelegt. Für einen rentablen Betrieb gibt es zwei Szenarien
Neuburg Schrobenhausen „Dem Patienten wird ein abgetrenntes Ohr wieder angenäht, plötzlich setzt der Herzschlag aus. Was tun? Natürlich sofort lebenserhaltende Maßnahmen einleiten, für den Moment geht es auch ohne Ohr ...“– Landrat Roland Weigert wählt ein sehr plastisches Beispiel, wenn er die Lage am Kreiskrankenhaus Schrobenhausen beschreibt. „Nothilfe ist das Gebot der Stunde, es geht um die Stabilisierung des laufenden Betriebs.“Ein Eingriff sei unabwendbar, um das Haus fit für die Zukunft zu machen. Deshalb hat der Kreistag eine Potenzialanalyse beim Gesundheitsberater Oberender & Partner in Auftrag gegeben, dessen Ergebnis gestern dem Kreistag vorgestellt wurde.
Vielversprechende „Therapieansätze“bieten zwei Szenarien, eine Wiedereröffnung der Geburtshilfe am Standort Schrobenhausen zählt allerdings nicht dazu. „Wir müssen das Haus ökonomisch führen, das Defizit abbauen und nicht das Gegenteil tun“, sagt der Landkreischef dazu. Er hält wenig von dem vom Gesundheitsministerium aufgelegten „Zukunftsprogramm Geburtshilfe“des Freistaates. Eine Wiedereröffnung des Kreißsaales in Schrobenhausen, hat das Münchner Fachbüro ermittelt, kostet 780000 Euro. Und das strukturelle Problem wäre damit nicht beseitigt. Im Jahr 2017 gab es im Einzugsbereich des Kreiskrankenhauses – im Wesentlichen der Altlandkreis Schrobenhausen und angrenzende Gemeinden in den Nachbarkreisen Pfaffenhofen und Aichach-Friedberg – 837 Geburten. Mit 800 Geburten lässt sich nach Ansicht der Fachleute eine Station rentabel betreiben, zuletzt kamen aber nur rund 270 Kinder in der Lenbachstadt zu Welt. Faktisch müsste man 100 Prozent aller Geburten im Einzugsgebiet gewinnen, was praktisch unmöglich sei. Alleine potenzielle Risikogebährende, wozu beispielsweise die stets wachsende Zahl der Mütter über 35 Jahren zählt, sind in Nachbarschaft einer Kinderklinik besser aufgehoben. So wurden in St. Elisabeth in Neuburg im Vorjahr knapp über 1000 Geburten gezählt.
Wohin der Weg des Kreiskrankenhauses in Zukunft führen kann, dafür haben Oberender & Partner sieben Szenarien entwickelt. Als nicht zielführend haben sich dabei eine Schließung, ein Verkauf, die Sanierung, die Umwandlung in eine Fachklinik und das Beibehalten der aktuellen Strukturen erwiesen.
Weiterentwickelt werden sollen die Optionen Wachstum und Fusion/ Kooperation. Was das bedeutet, ist aktuell offen und muss in den zuständigen Gremien entwickelt werden. So viel steht aber fest, bekräftigt der vom Landrat abgestellte Projektleiter Marcus Csiki: Mit den bestens ausgelasteten Reha- und Akutgeriatrien sei man gerade für ältere Patienten bestens aufgestellt. „Da sind wir weiter als alle anderen um uns herum.“Ob die von der Geschäftsführung mitverwaltete Geriatrie am Standort Neuburg erhalten bleibt, soll ebenfalls Gegenstand der Betrachtungen sein. Eine Restrukturierung erleichtern die prognostizierten Zahlen der zur Kreiskrankenhaus GmbH zählenden Einrichtungen: Bis 2022 bleiben die Bilanzen des Kreisaltenheims Steingriff (+ 140000 Euro), der Gerontopsychiatrie (– 30 000 Euro), des Medizinischen Versorgungszentrums (– 110 000 Euro) sowie des Geriatriezentrums (–40000 Euro) im überschaubaren Rahmen. Bliebe der Status quo erhalten, würde sich das Defizit des Akutkrankenhauses allerdings auf 4,09 Millionen Euro „Miese“aufschaukeln, prognostiziert die Studie. Das eben abgelaufene Geschäftsjahr 2017 schloss die Einrichtung mit einem voraussichtlichen Minus von 2,6 Millionen ab. Mit Liquiditätshilfen musste deshalb der Landkreis als Träger immer wieder den Betrieb des Hauses aufrechterhalten.
Begründet werden kann diese Tendenz durch die gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen. „Wir haben als Grund- und Regelversorger ein Leistungsproblem, kein Kostenproblem“, erklärt Landrat Weigert. Deshalb seien Kündigungen auch kein Thema, beruhigt er.
Die Auslastung des Hauses ist in den vergangenen vier Jahren um zehn Prozent gesunken, obwohl die durchschnittliche Verweildauer der Patienten von 5,05 Tagen im bundesweiten Vergleich betriebswirtschaftlich gut ist. Geschuldet ist dieses Phänomen der geringen Reichweite im ureigensten Einzugsbereich. Gerade einmal 48 Prozent der Patienten im Kreiskrankenhaus kommen aus dem Landkreis. Und nicht nur das, es gibt ein massives Nord-Süd-Gefälle, „im Moos ist praktisch Schluss“, unterstreicht Landrat Weigert. 29 Prozent der Behandelten wohnen im Landkreis Pfaffenhofen und 27 Prozent im Kreis Aichach-Friedberg. Ob ein möglicher Kooperationspartner dort zu finden sein könnte, diese Fragen konnte gestern freilich niemand beantworten. Verhandlungen darüber werden im Zentrum des angestoßenen Wandels stehen.