Aichacher Nachrichten

Wachsen oder weichen

Fachbüro hat dem Kreistag Neuburg-Schrobenha­usen die Potenziala­nalyse für die Klinik in Schrobenha­usen vorgelegt. Für einen rentablen Betrieb gibt es zwei Szenarien

- VON NORBERT EIBEL

Neuburg Schrobenha­usen „Dem Patienten wird ein abgetrennt­es Ohr wieder angenäht, plötzlich setzt der Herzschlag aus. Was tun? Natürlich sofort lebenserha­ltende Maßnahmen einleiten, für den Moment geht es auch ohne Ohr ...“– Landrat Roland Weigert wählt ein sehr plastische­s Beispiel, wenn er die Lage am Kreiskrank­enhaus Schrobenha­usen beschreibt. „Nothilfe ist das Gebot der Stunde, es geht um die Stabilisie­rung des laufenden Betriebs.“Ein Eingriff sei unabwendba­r, um das Haus fit für die Zukunft zu machen. Deshalb hat der Kreistag eine Potenziala­nalyse beim Gesundheit­sberater Oberender & Partner in Auftrag gegeben, dessen Ergebnis gestern dem Kreistag vorgestell­t wurde.

Vielverspr­echende „Therapiean­sätze“bieten zwei Szenarien, eine Wiedereröf­fnung der Geburtshil­fe am Standort Schrobenha­usen zählt allerdings nicht dazu. „Wir müssen das Haus ökonomisch führen, das Defizit abbauen und nicht das Gegenteil tun“, sagt der Landkreisc­hef dazu. Er hält wenig von dem vom Gesundheit­sministeri­um aufgelegte­n „Zukunftspr­ogramm Geburtshil­fe“des Freistaate­s. Eine Wiedereröf­fnung des Kreißsaale­s in Schrobenha­usen, hat das Münchner Fachbüro ermittelt, kostet 780000 Euro. Und das strukturel­le Problem wäre damit nicht beseitigt. Im Jahr 2017 gab es im Einzugsber­eich des Kreiskrank­enhauses – im Wesentlich­en der Altlandkre­is Schrobenha­usen und angrenzend­e Gemeinden in den Nachbarkre­isen Pfaffenhof­en und Aichach-Friedberg – 837 Geburten. Mit 800 Geburten lässt sich nach Ansicht der Fachleute eine Station rentabel betreiben, zuletzt kamen aber nur rund 270 Kinder in der Lenbachsta­dt zu Welt. Faktisch müsste man 100 Prozent aller Geburten im Einzugsgeb­iet gewinnen, was praktisch unmöglich sei. Alleine potenziell­e Risikogebä­hrende, wozu beispielsw­eise die stets wachsende Zahl der Mütter über 35 Jahren zählt, sind in Nachbarsch­aft einer Kinderklin­ik besser aufgehoben. So wurden in St. Elisabeth in Neuburg im Vorjahr knapp über 1000 Geburten gezählt.

Wohin der Weg des Kreiskrank­enhauses in Zukunft führen kann, dafür haben Oberender & Partner sieben Szenarien entwickelt. Als nicht zielführen­d haben sich dabei eine Schließung, ein Verkauf, die Sanierung, die Umwandlung in eine Fachklinik und das Beibehalte­n der aktuellen Strukturen erwiesen.

Weiterentw­ickelt werden sollen die Optionen Wachstum und Fusion/ Kooperatio­n. Was das bedeutet, ist aktuell offen und muss in den zuständige­n Gremien entwickelt werden. So viel steht aber fest, bekräftigt der vom Landrat abgestellt­e Projektlei­ter Marcus Csiki: Mit den bestens ausgelaste­ten Reha- und Akutgeriat­rien sei man gerade für ältere Patienten bestens aufgestell­t. „Da sind wir weiter als alle anderen um uns herum.“Ob die von der Geschäftsf­ührung mitverwalt­ete Geriatrie am Standort Neuburg erhalten bleibt, soll ebenfalls Gegenstand der Betrachtun­gen sein. Eine Restruktur­ierung erleichter­n die prognostiz­ierten Zahlen der zur Kreiskrank­enhaus GmbH zählenden Einrichtun­gen: Bis 2022 bleiben die Bilanzen des Kreisalten­heims Steingriff (+ 140000 Euro), der Gerontopsy­chiatrie (– 30 000 Euro), des Medizinisc­hen Versorgung­szentrums (– 110 000 Euro) sowie des Geriatriez­entrums (–40000 Euro) im überschaub­aren Rahmen. Bliebe der Status quo erhalten, würde sich das Defizit des Akutkranke­nhauses allerdings auf 4,09 Millionen Euro „Miese“aufschauke­ln, prognostiz­iert die Studie. Das eben abgelaufen­e Geschäftsj­ahr 2017 schloss die Einrichtun­g mit einem voraussich­tlichen Minus von 2,6 Millionen ab. Mit Liquidität­shilfen musste deshalb der Landkreis als Träger immer wieder den Betrieb des Hauses aufrechter­halten.

Begründet werden kann diese Tendenz durch die gesundheit­spolitisch­en Rahmenbedi­ngungen. „Wir haben als Grund- und Regelverso­rger ein Leistungsp­roblem, kein Kostenprob­lem“, erklärt Landrat Weigert. Deshalb seien Kündigunge­n auch kein Thema, beruhigt er.

Die Auslastung des Hauses ist in den vergangene­n vier Jahren um zehn Prozent gesunken, obwohl die durchschni­ttliche Verweildau­er der Patienten von 5,05 Tagen im bundesweit­en Vergleich betriebswi­rtschaftli­ch gut ist. Geschuldet ist dieses Phänomen der geringen Reichweite im ureigenste­n Einzugsber­eich. Gerade einmal 48 Prozent der Patienten im Kreiskrank­enhaus kommen aus dem Landkreis. Und nicht nur das, es gibt ein massives Nord-Süd-Gefälle, „im Moos ist praktisch Schluss“, unterstrei­cht Landrat Weigert. 29 Prozent der Behandelte­n wohnen im Landkreis Pfaffenhof­en und 27 Prozent im Kreis Aichach-Friedberg. Ob ein möglicher Kooperatio­nspartner dort zu finden sein könnte, diese Fragen konnte gestern freilich niemand beantworte­n. Verhandlun­gen darüber werden im Zentrum des angestoßen­en Wandels stehen.

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Foto: Norbert Eibel Das Kreiskrank­enhaus Schrobenha­usen soll trotz des Veränderun­gsdrucks ein medizinisc­her Grund und Regelverso­rger für die Bürger im Landkreis Neuburg Schrobenha­usen bleiben.

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